AERZTE Steiermark | Jänner 2021

14 ÆRZTE Steiermark  || 01|2021 URSULA SCHOLZ „Das juristische Denken funk- tioniert wie Schach: Es gibt klare Regeln und vorgesehene Züge, man lernt zu argu- mentieren und Sachverhalte einzuordnen“, erklärt Thomas Wagner, Facharzt für Blut- gruppenserologie und Trans- fusionsmedizin. „Dabei ist al- lerdings der Abstraktionsgrad gesetzlicher Regelungen sehr groß, weshalb sich interes- sante Interpretationsspielräu- me auftun.“ Wagner wollte zwar schon von klein auf Arzt werden und war mit 17 Jahren bereits als Rettungssanitäter aktiv, aber das Rechtswesen hat ihn ebenso fasziniert. „Viel- leicht liegt es daran, dass mein Großvater als Rechts- pfleger gearbeitet hat.“ Die Entscheidung fiel letztlich zugunsten des Medizinstu- diums, das er mit der Vision von universitärer Freiheit in Forschung und Lehre begann. Die Wahl seines ungewöhn- lichen Faches bezeichnet er im Nachhinein als Zufall; die damals ausgeschriebene Aus- bildungsstelle an der Grazer Universitätsklinik passte ein- fach gut zum erträumten Zu- gang zu den genannten uni- versitären Freiheiten. Die sich in der Praxis dann allerdings etwas anders darstellten … Steil bergauf Die Karriere des heutigen Stellvertreters des Klinikvor- stands und Leiters der For- schungseinheit „Klinisch-se- rologische Immunhämatolo- gie und Blutgruppengenetik“ verlief gleich ab der Facharzt- prüfung im Jahr 2000 recht steil: Im Jahr darauf hatte er sich habilitiert und wur- de zum außerordentlichen Professor berufen. Vier Jahre später machte er in Graz einen Master in Telemedizin, nachdem er in der Zwischen- zeit drei Forschungspreise gewonnen hatte. Im Jahr 2006 absolvierte er in Krems den Masterstudiengang in Ge- sundheitsmanagement und ein weiteres Jahr danach ei- nen an der Wiener Wirt- schaftsuniversität in Health Care Management. Als „ganz unspektakulär“ klassifiziert er den damaligen Balanceakt zwischen Vollzeitjob und Stu- dien. „Wer in einer Klinik als Arzt tätig ist, braucht einfach eine Ausbildung in Kranken- hausmanagement“, erklärt er lapidar. „Und nachdem die Gruppe, mit der ich in Krems zusammen studiert habe, ge- schlossen in Wien weiter- „Die Juristerei macht Spaß“ Blutgruppenserologe und Transfusionsmediziner Thomas Wagner hat mit 40 noch ein Jusstudium absolviert, das ihn zum gefragten Experten macht. Die Systematik der juristischen Denkweise bereitet ihm aber auch richtigen Spaß. gemacht hat, wollte ich da auch dabei sein.“ In dieselbe Lebensphase fiel zudem seine Zeit als (Vize-)Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin. Mit 40 zog er dann Bilanz: Noch 25 Berufsjahre einfach nur im selben Job, das kann es nicht gewesen sein. Blut & Recht Also inskribierte er in Linz an der Johannes-Kepler-Uni- versität Jus, weil dort ein Fernstudium angeboten wur- de. „Hätte es den Medizin- rechtslehrgang damals schon gegeben, hätte ich vermutlich den gemacht“, meint er retro- spektiv. Denn eigentlich wur- zelte sein juristisches Interes- se eindeutig im Medizinrecht. Blutprodukte gelten als Arz- neimittel – da tun sich zahl- reiche rechtliche Fragen auf. Im Nachhinein ist er froh, ein allgemeines Jusstudium ab- solviert zu haben, entdeckte er dabei doch sein Interesse an der Rechtsgeschichte und am Römischen Recht. „Die Juris­ terei macht Spaß“, erklärt er durchaus überzeugend. Von Anfang an konnte er sei- ne rechtskundlichen Kennt- nisse in der Praxis anwenden: Schon im Vorfeld der ÖH- Wahlen 2013 wurde er vom damaligen MUG-Rektor Josef Smolle gebeten, Vorsitzender der Ständigen Wahlkommis- sion der Hochschülerschaft an der Medizinischen Uni- versität Graz zu werden. Eine Funktion, die er seitdem im Zweijahresrhythmus erfüllt. Zudem fungiert er als Daten- schutzbeauftragter der Med Uni. „Ein Grundrecht mit mittelbarer Drittwirkung“, lautet sein spontaner Exper- tenkommentar zum The- ma Datenschutz. Seit deren Gründung ist er Teilnehmer an der interuniversitären IG Datenschutz und wurde in Vorbereitung der DSGVO- Implementierung auch in ein Gremium universitärer Da- tenschutzbeauftragter beru- fen (Mitglied der Task Force Datenschutz der uniko). Zu- nächst fühlte er sich auf dem ungewohnten Terrain wie ein Anfänger. „Mit der Zeit wur- de mir aber klar, dass die an- deren darüber auch nicht so viel mehr wissen als ich.“ Und er kniete sich in die Materie hinein. Lernen & Lehren Ebenso spannend wie das lebenslange Lernen findet er das lebenslange Lehren: als Ausbildungsoberarzt wie als ARZT IM BESONDEREN DIENST „Vielleicht liegt es daran, dass mein Großvater als Rechtspfleger gearbeitet hat.“ Thomas Wagner

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