AERZTE Steiermark | Juli/August 2019

Bereich Ærzte Steiermark  || 07/08|2019 7 Dieser Tage hat mir ein praktizierender Impfverweigerer Unglaub- liches geschrieben: Ich solle mich wegen der paar Maserntoten nicht aufregen, 72 in ganz Europa sollten nicht eine Zeile wert sein. Das wäre so, wie wenn in China ein Reissack umfällt. Ich wünschte mir, der Betreffende müsste diese Geschichte vom Reis- sack den Eltern ins Gesicht sagen, die ihre toten Kinder nur mehr am Friedhof besuchen können. Zumal diese Kinder dank einer simplen Impfung noch leben könnten. Wir sprechen hier vielfach von Kindern, die zu jung waren, um geimpft zu werden, aber alt genug, um sich anstecken lassen zu müssen. Wir sprechen auch von Kindern, die die Krankheit überlebt haben, aber großes Leiden auf sich nehmen mussten. Ja, es gibt Argumente gegen eine verpflichtende Impfung. So wie es natürlich Argumente gegen die Gurtenanlegepflicht, Höchstge- schwindigkeiten für Autos und das Verbot von Drogenkonsum gibt. Sie alle haben etwas mit Freiheit und Selbstbestimmtheit zu tun. Aber haben wir wirklich die Freiheit, Menschen zu infizieren, die sich dagegen nicht wehren können? Haben Eltern die Freiheit, ihren Kindern den Schutz vor einer schweren Erkrankung zu verweigern? Haben sie die Freiheit, die Impfung einfach vergessen zu dürfen? Oder haben sie das Recht auf Gleichgültigkeit? Ich bin überzeugt davon, dass sie dieses Recht nicht haben. „Hardcore“-Impfverweigerer sind kaum überzeugbar. Sie glauben zu wissen, was sie tun, begreifen aber nicht, was sie ihren Kin- dern damit antun. Die Nachlässigen und Gleichgültigen können wir aber aufrütteln. Das sind vielleicht nicht viele. Aber doch so viele, dass sie den Unterschied zwischen einer gefährlichen und einer ausgerotteten Krankheit ausmachen. Deswegen bin ich für eine sinnvolle Form der Impfpflicht. Und für ein verpflichtendes ärztliches Impfaufklärungsgespräch. Das alles kostet Geld, das kostet vielleicht Wählerstimmen. Aber es schützt Menschenleben, es schützt die Gesundheit von kleinen Kindern, die sich nicht selbst schützen können und voll auf ihre Eltern angewiesen sind. Etwas Wichtigeres gibt es nicht. Dr. Herwig Lindner ist Präsident der Ärztekammer Steiermark. Fotos: Adobe Stock, Oliver Wolf, Elke Meister, Harry Schiffer, Grafik: Konrad Lindner Vor mehr als 15 Jahren wurden in der Steiermark die so genannten Distriktsärztinnen und -ärzte abgeschafft. Um Personalkosten von 8,65 Millio- nen Euro pro Jahr zu sparen. Der Einwand, dass die Aufgaben des öffentlichen Gesundheitsdiens- tes dennoch zu erledigen sind, musste nicht sehr ernstgenommen werden. Denn die vorhandenen Distriktsärztinnen und -ärzte blieben ja in der Funktion, sie wurden nur nach der Pensionierung nicht nachbesetzt. Erst als die Zahl immer kleiner wurde, wurde das Problem für die verantwort- lichen Gemeinden und die anderen Verantwort- lichen erkennbar und drängend. Totenbeschau, Schuluntersuchungen, Einweisungen nach dem Unterbringungsgesetz, Drogen- und Alkoholtests … für alles wurden Lösungen gefunden, holprige halt, die nicht überall gleich gut funktionieren. Gemeindebund und Städtebund haben der Ab- schaffung übrigens zugestimmt. Vielleicht weil sie nicht erkannten oder ignorierten, dass sich zwar das Land damit Kosten erspart, die Ge- meinden aber die von ihnen verantworteten Leistungen direkt finanzieren müssen. Mit Ende dieses Jahres wird es immer noch Dis­ triktsärztinnen und Distriktsärzte geben. Aber nicht mehr an die 300 wie vor der Abschaffung, sondern nur mehr 63. Aber nicht nur die Dis­ triktsärztinnen und -ärzte fehlen. In Zeiten des allgemeinen Ärztemangels ist es auch immens schwierig, Amtsärztinnen und Amtsärzte zu finden. Dazu kommt, dass es keine verbindliche Ausbildung für die Ärztinnen und Ärzte gibt, die den öffentlichen Gesundheitsdienst unterstützen. Obwohl viele freiwillig die Gemeindeärzte-Semi- nare besuchen. Gesundheitslandesrat Christopher Drexler hat nun eine fundierte Lösung für das Problem des öffentlichen Gesundheitsdienstes verspro- chen. Das ist höchst lobenswert, im Sinne der steirischen Bevölkerung und vor allem der stei- rischen Gemeinden. Vizepräsident Dr. Norbert Meindl ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte. extra Norbert Meindl Ja zum öffentlichen Gesundheitsdienst Standortbestimmung Herwig Lindner Es gibt nichts Wichtigeres als das Leben unserer Kinder d batte

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