Ærzte
Steiermark
 || 10|2013
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Warum sollte eine Untersuchung im Rahmen des
österreichweiten Mammascreening-Programms in
der Steiermark um zehn, 20 oder gar 30 Euro billi-
ger zu machen sein als in anderen Bundesländern?
Die Frage kann wohl nur der der scheidende stei-
rische GKK-Obmann beantworten.
Es ist wohl kaum davon auszugehen, dass seine
Kolleginnen und Kollegen in Oberösterreich,
Niederösterreich, Salzburg … mit den Geldern
der Ver­sichert­en weniger verantwortungsvoll
umgehen als er.
Aber das ist gar nicht das Thema: Dass die Diskus-
sion überhaupt so lange geführt werden muss, liegt
daran, dass es keine Gesamtrechnung gibt. Wenn
die internationalen Studien stimmen, wird das
Screening-Programm die Mortalität erheblich sen-
ken. Und wir reden beimMammakarzinom von
einer Krankheit, die als häufigste Todesursache von
Frauen zwischen dem 35. und 65. Lebensjahr gilt.
Menschliche Qualen, die der dritthäufigste Krebs
bei Frauen verursacht, die Spitalskosten für die
Behandlung und die volkswirtschaftliche Gesamt-
rechnung spielen in der betriebswirtschaftlichen
Kalkulation der Selbstverwaltung offenbar eine un-
tergeordnete Rolle.
Politikerinnen und Politiker trauen sich nur selten,
die enge Sichtweise einer Krankenkasse zu kritisie-
ren – vielleicht weil sie eine Abstrafung befürchten,
vielleicht auch weil sie aus Erfahrung wissen, dass
damit politisch nichts zu gewinnen ist.
Krankenkassen dürfen kein Staat im Staat sein.
Eine mutige Politik muss damit beginnen, ihre
Macht zu beschränken.
Oder sind sie bereits so mächtig geworden, dass das
gar nicht mehr möglich ist?
Vizepräsident Dr. Jörg Garzarolli
ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte.
Versuchen wir uns vorzustellen: Ein Wirtschaftsminister schimpft
laufend auf die Unternehmen. Eine Innenministerin kriminali-
siert die Polizei. Ein Wissenschaftsminister lässt kein gutes Haar
an den Forschern. Ein Sozialminister fordert die Entmachtung
der Arbeiterkammer. Das können wir uns nicht vorstellen. Das tut
man nicht. Was wir uns aber vorstellen können: einen Gesund-
heitsminister, der auf die Ärzteschaft schimpft, sie kritisiert und
kriminalisiert. Und die Entmachtung der Ärztekammer fordert er
auch, zumindest aber die Einschränkung ihrer Kompetenzen.
In vieler Hinsicht war
Alois Stöger in den letzten
Jahren so etwas wie die
Antithese zu einem Ge-
sundheitsminister. Er hat
eine Gesundheitsreform
durchgetragen, die in den
Grundzügen im Finanz-
ministerium konzipiert
wurde. Er hat für ELGA
die Lockerung des Datenschutzes von Patientendaten betrieben
(opt-out statt opt-in) und im Zuge der IMS-Datenweitergabe-
Diskussion reflexhaft Ärztinnen und Ärzte pauschal verdächtigt.
Nie haben wir von ihm eine Rede gehört, in der er das Vertrau-
ensverhältnis zwischen ÄrztInnen und PatientInnen in Schutz ge-
nommen hat, was für deutsche Gesundheitsminister ganz selbst-
verständlich ist. Nie hat er Patienteninteressen gegen die Kassen-
Selbstverwaltung verteidigt – zumindest nicht öffentlich.
Alois Stöger will Gesundheitsminister bleiben. Aber dann möge
der Minister bitte seinen Job auch mit denen machen, die tagtäg-
lich für das System ihren Kopf hinhalten, in den Spitälern und
in den Praxen. Es gibt gute Gründe dafür, für die Gesundheits-
agenden ein eigenes Ministerium zu haben. Vieles ist zu tun: In
den Spitälern herrschen Arbeitsbedingungen, die einem Gewerk-
schafter – das war Stöger 22 Jahre – die Zornesröte ins Gesicht
treiben müssten. Die Prävention steckt immer noch in den Kin-
derschuhen. Der Ausbau der Administration zu Lasten der Zeit
für die Behandlung ist ein ungebrochener Trend. Konstruktive
Bemühungen, dem Ärztemangel entgegenzutreten, haben kaum
begonnen.
Alois Stöger will Gesundheitsminister bleiben. In mancher Hin-
sicht müsste er es erst werden.
Dr. Herwig Lindner ist Präsident der
Ärztekammer Steiermark.
extra
Weiterer Kurienbericht ab Seite 50.
Jörg Garzarolli
Macht der Kassen –  
Ohnmacht der Politik?
debatte
Fotos: Ärztekammer Steiermark/Schiffer, beigestellt, Grafik: Mirko Maric´
Standortbestimmung
Herwig Lindner
Gesundheitsminister bleiben?
Gesundheitsminister werden.
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