22 ÆRZTE Steiermark || 11|2025 DIABETES-TAG „In Österreich gehen wir davon aus, dass 6,5 % der erwachsenen Bevölkerung einen bekannten Diabetes haben“, sagt Harald Sourij, stellvertretender Leiter der Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie der Uniklinik Graz. „Dazu kommen rund 3 %, die noch nichts von ihrer Erkrankung wissen.“ Das zeigen Daten aus den Vorsorgeuntersuchungen, bei denen immer wieder auffällige Blutzuckerwerte bei Personen gemessen werden, die keine Diabetes-Erkrankung angeben. Damit bleibt Diabetes eine der größten chronischen Volkskrankheiten – auch in Österreich. 600.000 bis 700.000 Betroffene Insgesamt bedeutet das rund 600.000 bis 700.000 Menschen mit Diabetes in Österreich, der überwiegende Teil davon Typ-2-Patient:innen. „Auf die Steiermark heruntergebrochen betrifft Diabetes etwa 100.000 Personen“, so Sourij. Und die Tendenz zeigt weiterhin nach oben: Die hohe Lebenserwartung und die Zunahme an übergewichtigen Personen lassen auf keine Entspannung hoffen. Die demografische Entwicklung wird die Versorgung zusätzlich fordern. „Wir rechnen in den nächsten 10 Jahren mit keiner Abnahme der Erkrankungszahlen – im Gegenteil“, sagt Harald Sourij. Therapie-Fortschritte In der Forschung bewegt sich derzeit viel. Besonders im Fokus stehen neue medikamentöse Ansätze, die über die reine Blutzuckersenkung hinausgehen. „Wir sehen derzeit mehrere Therapien, die eine deutliche Gewichtsabnahme bewirken – in Studien konnten bis zu 25 % Körpergewichtsreduktion erreicht werden“, berichtet Sourij. Auch die Entwicklung langwirksamer Insulintherapien, die nur einmal pro Woche verabreicht werden müssen, sei ein Meilenstein. Ein weiterer bedeutender Fortschritt ist die Implantation insulinproduzierender Zellen bei Typ-1-Diabetes: „Das ist für viele Betroffene ein großer Schritt nach vorne. Wenn keine tägliche Insulininjektion mehr nötig ist, verbessert das nicht nur die Lebensqualität, sondern könnte auch das Risiko für Folgekomplikationen reduzieren.“ Parallel dazu arbeiten Forscher:innen an immer präziseren Pumpen- und Sensorsystemen, die den Blutzuckerspiegel im Minuten-Takt messen. „Das ist besonders für Kinder und Jugendliche ein enormer Schritt. Eltern können endlich wieder ruhiger schlafen und die Blutzuckerkontrolle über die Nacht verläuft sehr gut“, betont der Facharzt. Zuckerfalle Alltag Ein Blick auf aktuelle Daten zeigt deutlich: Die Ernährungssituation verschlechtert sich. „Die Ergebnisse der Stellungstests belegen diese Entwicklung eindrucksvoll“, so Sourij. „Wir müssten dringend weg vom hochverarbeiteten Essen – aber die Verlockungen sind groß und langfristige Verhaltensänderungen gelingen kaum.“ Und er verweist auf internationale Ansätze wie steuerliche Maßnahmen auf zuckerhaltige Getränke, um den Konsum ungesunder Produkte einzudämmen. „So weit sind Diabetes im Wandel: Neue Therapien, alte Herausforderungen Trotz beeindruckender Fortschritte in der Forschung steigen die Patientenzahlen bei Diabetes mellitus weiter an. Harald Sourij, Diabetologe an der Med Uni Graz, spricht über strukturelle Defizite und die Chancen moderner Therapien. „Wir rechnen in den nächsten 10 Jahren mit keiner Abnahme der Erkrankungszahlen – im Gegenteil.“ Harald Sourij Diabetologe an der Med Uni Graz
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