AERZTE-Steiermark-11-2025

Das Magazin der Ärztekammer Steiermark November 2025 Fokus. Aktuelles zu Antibiotikaresistenzen von Jürgen Prattes. Fantastisch. Großer Erfolg für „Drück mich!“ zum Tag der Wiederbelebung. Frauen. Die Wechseljahre in der öffentlichen Wahrnehmung. Österreichische Post AG MZ 02Z033098 M Ärztekammer für Steiermark, Kaiserfeldgasse 29, 8010 Graz, Retouren an PF555, 1008 Wien RSG Neues Konzept Männer-Medizin im Movember Mangelnde Motivation und neue Medikamente Erste Infos zum Regionalen Strukturplan Gesundheit (RSG) Foto: envato/leungchopan

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BEREICH THEMEN Produziert gemäß Richtlinie UZ24 des Österreichischen Umweltzeichens, Medienfabrik Graz, UW-Nr. 812 Logo für Druck, 4c, dt.: Unten finden Sie das Österreichische Umweltzeichen Druckprodukt. Dabei müssen unbedingt folgende Ric – Platzieren Sie dieses PDF in Ihrem Layout mit 100 % dass nur die von Ihnen gewünschte Logo-Variante im Blume einen Durchmesser von 17 mm und die Schri – Das Umweltzeichen muss genügend Abstand zu and das Logo als eigenständiges grafisches Objekt wiede Hintergrund abgebildet werden. Fotos, detaillierte G – Man kann den Text rechts von der Blume auch ins Im (mit 17 mm Durchmesser!). VERWENDUNG D UMWELTZEICHE MEDIENFABRIK GRAZ, Dreihackengasse 20, 8020 Graz ,T +43 (0)316/8 ÆRZTE Steiermark || 11|2025 3 BUCHTIPP Immun und gesund Starke Abwehrkräfte – auch im Alter Peter Weiler, Wolfgang Bauer 1. Auflage, 160 Seiten ISBN: 978-3-99052-305-6 Mit zunehmendem Alter verliert das Immunsystem an Stärke – Infektionen treten häufiger auf, Krankheiten verlaufen schwerer. Doch das muss nicht so bleiben! Dieses Buch zeigt, wie man mit einfachen Maßnahmen sein Immunsystem aktiv unterstützen kann – unabhängig vom Alter. Die Autoren erklären anschaulich, wie unsere Abwehrkräfte funktionieren, was sie schwächt und wie sie gestärkt werden können. Ergänzt durch spannende Interviews mit Expert:innen aus Medizin, Ernährung, Psychologie, Kneippmedizin und Musik bietet der Ratgeber praktische Tipps für mehr Gesundheit, Lebensfreude und Widerstandskraft – von der Lebensmitte bis ins hohe Alter. DATUM 14.11.2025 Am 14. November erinnert uns der Weltdiabetestag daran, dass rund 100.000 Steirer:innen an Diabetes erkrankt sind – Tendenz steigend. Der Aktionstag soll das Bewusstsein für Vorsorge, Früherkennung und moderne Behandlungsmöglichkeiten stärken und zur aktiven Prävention motivieren. LINK: www.ab-jetzt-anders.de Der Podcast „Ab jetzt ist alles anders? Leben nach und mit einer schwerwiegenden Diagnose“ widmet sich auch in seiner gerade erschienenen 2. Staffel Gesundheitskompetenz und informierten Entscheidungen. Betroffene und Angehörige erhalten verlässliche Informationen und Anregungen, um mit einer chronischen oder unheilbaren Krankheit selbstbestimmt umgehen und aktiv die eigene Behandlung mitgestalten zu können. ZAHL 18 Prozent Seit 2015 ist die Zahl der Ärzt:innen in Österreich um 18 % auf 52.000 gestiegen – das entspricht 565 Ärzt:innen pro 100.000 Einwohner:innen. Der Zuwachs betrifft vor allem Fachärzt:innen (von 23.400 auf 29.400), während die Zahl der Allgemeinmediziner:innen auf 13.000 sank. Auch Spitäler (−21) und Betten (−5.000) wurden weniger. Laut krankenversichern.at haben nur noch 41 % der 20.000 Ordinationen einen Kassenvertrag – ein Grund für die langen Wartezeiten. Foto: Verlagshaus der Ärzte FORTBILDUNGSTIPP Der 7. ÖÄK-Diplomlehrgang Ernährungsmedizin startet am 17. April 2026 im Steiermarkhof Graz. Der Lehrgang umfasst 6 Module (jeweils Freitag/Samstag) und läuft bis 21. November 2026. Interessierte können sich bereits jetzt voranmelden. Weitere Informationen und Möglichkeit zur Voranmeldung unter: www.med.or.at/ernaehrung26 UPDATE IM NOVEMBER SCHLAGZEILE „Schluss mit politischem Blabla: Ihr müsst jetzt handeln!“ Menschen sterben und die Politik flüchtet sich von einem „Gipfel“ in den nächsten. Zu lange wurde gestritten und zugesehen. Der Dschungel an Kompetenzen in der Gesundheitspolitik muss endlich gerodet werden. Kronen Zeitung, 29. Oktober 2025 IMPRESSUM: Medieninhaber (Verleger): Ärztekammer für Steiermark, Körperschaft öffentlichen Rechts | Redak- tionsadresse: 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 29, Tel. 0316 / 8044-0, Fax: 0316 / 81 56 71, E-Mail: presse@aekstmk.or.at | Chefredaktion: Mag.a Beate Mosing | Redaktion: Mag.a Edith Preiß, Thomas Zenz | Produktion: CONCLUSIO PR Beratungs GmbH, Schmiedgasse 38, 8010 Graz | Anzeigen: Gernot Zerza, Tel.+43 664 2472673, E-Mail: zerzagernot@gmail.com; Mit „Promotion“ gekennzeichnete Texte sind entgeltliche Veröffentlichungen im Sinne § 26, Mediengesetz. | Druck: Stmk. Landesdruckerei GmbH, 8020 Graz | Abonnements: Eva Gutmann, Ärztekammer Steiermark, Tel. 0316 / 8044-40, Fax: 0316 / 81 56 71. Jahresabonnement (11 Ausgaben) EUR 25,–.

BEREICH THEMEN 4 ÆRZTE Steiermark || 11|2025 Fotos: Schiffer, Foto Regina Wien THEMEN Akut. Sonderthema RSG 8 Cover. Der November trägt wieder Moustache 10 Bits & Bytes bestimmen das Krankenhaus der Zukunft 13 „Grazer Fortbildungstage“ feierten den 35. Geburtstag 14 Fallbericht: Ein unerwartetes „Zebra“ in der Gynäkologie 16 Antibiotika-Resistenzen sind die Feuerlöscher im Einsatz 18 Diabetes im Wandel: Neue Therapien, alte Herausforderungen 22 Balu: Smarter Medikamentenspender für mehr Adhärenz 25 Strahlentherapie – zwischen Präzision und Patientennähe 26 Gerne Arzt. Sportlicher Ehrgeiz für eine medizinische Karriere 28 Dem „Gewitter im Kopf“ den Kampf ansagen 30 „Planetary Health Diet“ verknüpft Prävention & Nachhaltigkeit 32 Erlesen. Bücher über Frauen – stark, mutig, inspirierend 36 Recht. Ärztliche Aufklärung 38 Die Wechseljahre treten aus dem Schatten ins Rampenlicht 40 Teilpension und Wohlfahrtsfonds 42 Cirs. Fall des Monats 44 Med Uni Graz. Maschinelles Lernen hilft bei COPD 45 Nachbericht Social-Media-Vortrag 46 ANGESTELLTE ÄRZTINNEN UND ÄRZTE Akut. Sonderthema RSG 48 Worauf legen beste Abteilungen bei der Ausbildung wert? 50 Up to date mit EBM-Guidelines 52 Flexibel in den Ruhestand: Die Teilpension 54 Termine 57 NIEDERGELASSENE ÄRZTINNEN UND ÄRZTE Konzept für sanitätsbehördlich-polizeiärztliche Versorgung 58 Telemedizin weiterentwickeln – gemeinsam mit Ärzt:innen 60 Service für Wahlärzt:innen: Praxisgründung 63 Kassencheck. Impf-Leistungen im Überblick 64 Praktisch täglich. Die Verpflichtung zur Selbstoptimierung 67 Debatte 6 News 47 Kleinanzeigen 69 Personalia 74 Cartoon 77 Ad Personam 78 DRÜCK MICH! Zum Tag der Lebensrettung konnten Passant:innen in der Grazer Innenstadt einfache Schritte der Wiederbelebung lernen – die Ärztekammer unterstützte die Initiative. Seite 20 ARZT IM BESONDEREN DIENST Von der Praxis aufs Parkett. Allgemeinmediziner Wolfgang Hödl aus Niklasdorf tanzt mit seiner Frau Silvia von Bewerb zu Bewerb. Seite 34

BEREICH ÆRZTE Steiermark || 11|2025 5 THEMEN Wir haben die steirische Ärzteschaft gefragt, was sie vom Vorschlag der Politik, einen „Solidarbeitrag“ für Medizinstudierende einzuführen, halten. Kann eine verpflichtende Tätigkeit von Absolvent:innen im öffentlichen Gesundheitssystem Österreichs für eine bestimmte Zeit nach Studienabschluss das passende Mittel sein, um dem Ärztemangel entgegenzuwirken? Fast genau die Hälfte der Umfrage-Teilnehmer:innen, 48,6 %, sind gegen solche Zwangsverpflichtungen. Trotz Lehrermangel gebe es auch für Absolvent:innen entsprechender Studienfächer keine Verpflichtung, so eine Anmerkung in den freien Antworten. 21,5 % der Befragten sehen die Forderung für Jungärzt:innen ambivalent: Sie sei nachvollziehbar, aber nur unter fairen Rahmenbedingungen. Nur ein Viertel, nämlich 25,7 %, hält die Idee für sinnvoll. EPIKRISE Kurze Nachrichten aus der Redaktion Soziale Medien: X/Twitter: www.twitter.com/ AERZTE_NEWS Facebook: www.facebook. com/aerztekammer.stmk/ und Facebook-Gruppe für steirische Ärztinnen und Ärzte Youtube: AERZTE_NEWS Instagram: www.instagram. com/aerztekammerstmk Foto: Conny Leitgeb Was denken Sie über den „Solidarbeitrag“? AERZTE Frage des Monats: Was halten Sie vom Vorschlag der Politik? Ich halte das für sinnvoll. Ich bin gegen Zwangsverplichtungen. Ich bin dagegen. Nachvollziehbar aber nur mit fairen Rahmenbedingungen. Teilnehmer:innen: 284 DAS BILD DES MONATS. Die neue Auflage des Eltern-Leitfadens der Ärztekammer für Steiermark, der Eltern Orientierung und Tipps bei Kinderkrankheiten liefert, wurde nun von Bildungsdirektorin Elisabeth Meixner, Landesrat Stefan Hermann und Ärztekammer-Präsident Michael Sacherer präsentiert. Verschickt wird der Leitfaden demnächst digital an die Eltern steirischer Schulkinder. 25,7 % 48,6 % 21,5 %

6 ÆRZTE Steiermark || 11|2025 BEREICH INTRA KONT A DEBATTE Johanna Brehmer Langfristige Bindung durch Perspektiven Der aktuell diskutierte Vorschlag eines verpflichtenden „Solidarbeitrags“ für Medizinabsolvent:innen, der eine verpflichtende Tätigkeit im öffentlichen Gesundheitssystem für einen gewissen Zeitraum vorsieht, adressiert zwar ein reales Problem – den Mangel an Ärztinnen und Ärzten in bestimmten Versorgungsbereichen –, greift in seiner Logik jedoch zu kurz. Durch eine Arbeitsverpflichtung lässt sich weder die Attraktivität von Kassenstellen steigern noch die Unterversorgung in strukturschwachen Regionen beziehungsweise in Mangelfächern nachhaltig lösen. Entscheidend sind vielmehr die Rahmenbedingungen ärztlicher Tätigkeit: gute Arbeits- und Ausbildungsbedingungen, verlässliche Strukturen und ein Arbeitsumfeld, das Qualität ermöglicht und Wertschätzung vermittelt. Nur wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, kann die öffentliche Gesundheitsversorgung langfristig gestärkt werden. Darüber hinaus wäre eine solche gesetzliche Verpflichtung ein erheblicher Eingriff in das Grundrecht auf freie Berufswahl – ein zentrales Element einer freien und offenen Gesellschaft. Bereits 2024 wurde ein entsprechender Ansatz als unions- und verfassungsrechtswidrig eingestuft, was die rechtliche wie auch ethische Problematik solcher Maßnahmen verdeutlicht. Viele Absolvent:innen sehen sich nach dem Studium mit unzureichenden Ausbildungskapazitäten, hohen Belastungen und mangelnder Planungssicherheit konfrontiert. Inzwischen bestehen sogar in der Steiermark Wartelisten für Basisausbildungsstellen – ein Umstand, der den bestehenden Engpass in der ärztlichen Weiterbildung deutlich macht. Diese Situation erfordert nachhaltige Investitionen in Ausbildung, Personal und Infrastruktur, nicht zusätzliche Verpflichtungen. Langfristige Bindung an das öffentliche Gesundheitssystem entsteht durch Perspektiven, nicht durch Zwang. Wer jungen Ärzt:innen Vertrauen entgegenbringt und ihnen faire, planbare Arbeitsbedingungen bietet, wird sie auch nachhaltig im öffentlichen Gesundheitssystem halten können. Johanna Brehmer Vorsitzende der HochschülerInnenschaft an der Medizinischen Universität Graz Gerhard Posch Wir machen uns für jede:n Einzelne:n stark! Die Präsentation des „Regionalen Strukturplan Gesundheit 2030“ hat in der Ärzteschaft für Aufsehen gesorgt. Der Entwurf des RSG sorgt für tiefgreifende Veränderungen in der steirischen Spitalslandschaft. Und Veränderungen bringen automatisch Verunsicherung mit sich. Was gestern noch eindeutig war, ist heute anders und fraglich. Genau hier steht die Kurie Angestellte Ärzte ganz klar an der Seite der Kolleg:innen. In bewegten Zeiten braucht es vor allem eines: Verlässlichkeit. Wer Veränderung gestalten will, muss die Perspektive jener ernst nehmen, die davon unmittelbar betroffen sind. Ärzt:innen sind nicht bloß Teil eines Systems – sie sind sein Fundament. Es sind jetzt die Dienstgeber gefordert, rasch für klare Antworten und tragfähige Lösungen zu sorgen. Es braucht klare und moderne Strukturen in der steirischen Spitalslandschaft, aber wir dürfen die Menschen im System nicht aus den Augen verlieren. Die Kurie fordert daher die frühzeitige Einbindung und Information der betroffenen Kolleg:innen, damit sozial verträgliche und zumutbare Lösungen gemeinsam gefunden werden können. Denn ohne die angestellten Ärzt:innen vor Ort ist letztendlich die Patientenversorgung gefährdet. Im Hintergrund wird auf Hochtouren gearbeitet, um die vielen auftretenden rechtlichen Fragen unserer Kolleg:innen zeitnah beantworten zu können. Die Kurie Angestellte Ärzte sorgt damit für die aktuell benötigte Unterstützung. Dr. Gerhard Posch ist Kurienobmann der Kurie Angestellte Ärzte

BEREICH ÆRZTE Steiermark || 11|2025 7 Der steirische Gesundheitssystem befindet sich seit Jahren im Wandel – ein Wandel, der nicht überrascht, sondern längst bekannte Entwicklungen aufgreift: Die Demographie, der medizinische Fortschritt und der steigende Bedarf an qualifiziertem Personal fordern neue Antworten von unserem Gesundheitssystem. Diese Herausforderungen sind zugleich eine Chance, überholte Strukturen zu modernisieren. Moderne Medizin braucht Spezialisierung und dort, wo es sinnvoll ist, auch Zentralisierung. Im Zentrum jeder Entscheidung muss aber stets der Mensch stehen – nicht parteipolitisches Kalkül, sondern die bestmögliche Versorgung. Reformen in diesem Ausmaß können und sollen ein Zeichen der Vernunft und Weitsicht sein – getragen von allen, die das System am Laufen halten. Mit dem „Regionalen Strukturplan Gesundheit 2030“ liegt ein Konzept vor, das viele wichtige Aspekte der Gesundheitsversorgung in der Steiermark adressiert. Die Ärztekammer bringt sich aktiv im Sinne der steirischen Ärzteschaft ein, denn hinter den Planungen stehen noch viele offene Fragen. Diese werden wir schnellstmöglich klären. Gerade für die betroffenen Ärzt:innen – sei es an neuen, zusammengelegten oder verlegten Standorten – ist jetzt Transparenz entscheidend. Dienst- und arbeitsrechtliche Aspekte, individuelle Ausbildung sowie die Auswirkungen auf den niedergelassenen Bereich müssen frühzeitig geklärt und sozial verträglich gestaltet werden. Und dafür sind wir als Ärztekammer jetzt auch auf allen Ebenen aktiv. Bereits bei der Präsentation des RSG haben wir unsere Position klar formuliert. Als Vertretung der Ärzteschaft werden wir dafür sorgen, dass die Perspektiven und Anliegen der Ärzt:innen in jeder Phase ernst genommen werden. Denn so wichtig Strukturreformen auch sind: Sie müssen mit den Menschen umgesetzt werden, nicht über die Köpfe der Ärzt:innen hinweg, die dieses System aufrecht erhalten. Es ist ausdrücklich zu begrüßen, dass der RSG medizinisch sinnvolle Schwerpunktsetzungen im Spitalsbereich aufgreift. Doch ein Plan entfaltet seinen Wert erst dann, wenn seine Umsetzung gelingt – und das geht nur im offenen, ehrlichen Dialog mit denjenigen, die für die Gesundheit der Menschen in der Steiermark sorgen. Dr. Michael Sacherer ist Präsident der Ärztekammer Steiermark Während Patient:innen wochen- oder monatelang auf einen Termin bei einem Kassenfacharzt warten, beschäftigt sich die ÖGK mit einer Obergrenze für Wahlarzthonorare. Diese Diskussion ist nicht nur realitätsfremd – sie ist eine gefährliche Ablenkung von den echten Problemen im System. Nicht die Höhe von Wahlarzthonoraren treibt Patient:innen zur Verzweiflung, sondern das Kassensystem, besonders im fachärztlichen Bereich. Wer heute einen Kassenarzt braucht, braucht vor allem eines: Geduld. Oder ist gezwungen, privat vorzusorgen. Uns sind keine nennenswerten Beschwerden über Wahlarzthonorare bekannt. Wovon wir aber täglich hören: untragbare Wartezeiten und Ärzt:innen, die das System mit letzter Kraft am Laufen halten. Gerade wurde der Regionale Strukturplan Gesundheit präsentiert und die Kurie wird ihn gründlich analysieren: Wenn sich im intramuralen Bereich so viel ändert, muss auch extramural darauf reagiert werden. Auf den ersten Blick kann man eines gleich diagnostizieren: Es ist ein tollkühnes Stück, 30 zusätzliche Planstellen zu planen, wenn wir 62 offene Kassenstellen haben. Und hier kommen wir zum eigentlichen Problem: Die ÖGK ist gefordert! Sie muss bei den Rahmenbedingungen ansetzen und sie umfassend verbessern. Wer Versorgungssicherheit ernst meint, muss auch umsetzen. Die ÖGK muss endlich handeln und die Tarifstrukturen an die Realität anpassen. Die Wahlärzt:innen sind nicht das Problem. Sie sind derzeit oft die einzige Lösung. Sie sichern Versorgung dort ab, wo das Kassensystem längst nicht mehr nachkommt. Was wir brauchen, sind die richtigen Rahmenbedingungen. Alles andere ist politischer Populismus – und den kann sich das System nicht mehr leisten. Wir müssen über die richtigen Dinge reden. Jetzt. Sehr geehrter Obmann, Huss, hiermit lade ich Sie zu diesem ehrlichen Dialog in die schöne Steiermark ein. Vizepräsident Prof. Dr. Dietmar Bayer ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte EXTRA Dietmar Bayer Wahlarzthonorare? Falsche Baustelle! STANDORTBESTIMMUNG Michael Sacherer RSG-Reform mit Fragezeichen DEBATTE Fotos: Opernfoto Graz, Furgler, Schiffer (2)

8 ÆRZTE Steiermark || 11|2025 Karte: Gesundheitsfonds Steiermark SONDERTHEMA RSG Lange angekündigt, beherrscht er nun thematisch die gesamte Steiermark: Der „Regionale Strukturplan Gesundheit 2030“ (RSG) wurde als neue Planungsgrundlage für die steirische Gesundheitsversorgung präsentiert. Er umfasst sowohl den niedergelassenen Bereich als auch den Spitalsbereich und muss – rein rechtlich gesehen – bis Ende 2030 umgesetzt werden. Die Ärztekammer für Steiermark bezieht vehement Stellung für die steirischen Ärztinnen und Ärzten und fordert rasche Antworten – angefangen beim zeitlichen Horizont der geplanten Umstrukturierungen. Konsequenzen und offene Fragen Aktuell ergeben sich für die steirischen Ärztinnen und Ärzte natürlich zahlreiche inhaltliche und praktische Fragen aus dieser Planungsgrundlage, die der RSG darstellt – einerseits für die angestellten Ärzt:innen an jenen Standorten, an denen konkrete Änderungen vorgesehen sind, und andererseits für den niedergelassenen Bereich mit den diesen betreffenden AuswirDetailanalysen zum RSG 2030 gestartet Nach der Präsentation des „Regionale Strukturplan Gesundheit 2030“ (RSG) arbeitet die Ärztekammer für Steiermark intensiv an der genauen Analyse und der Stellungnahme im Sinne der Ärzteschaft. Die Frist dafür läuft bis zum 12. Dezember 2025. AKUT

ÆRZTE Steiermark || 11|2025 9 Foto: Land Steiermark Binder SONDERTHEMA RSG kungen. In einigen Bereichen sind diese Fragen auch nicht ad hoc zu beantworten, sondern betreffen unübersichtliche rechtliche Themen, die in ihrer Komplexität so wohl im RSG nicht bedacht wurden. Mit all diesen Bereichen sind die Expertinnen und Experten der Ärztekammer aktuell intensiv befasst, um möglichst rasch Antworten liefern bzw. entsprechende Klärungen von den Verantwortlichen einfordern zu können, betont Michael Sacherer, Präsident der Ärztekammer für Steiermark. Angestellte Ärzt:innen Mit den zahlreichen Fragestellungen rund um dienst- und arbeitsrechtliche Auswirkungen beschäftigt sich die Kurie der angestellten Ärzt:innen bereits intensiv – weiterführende Informationen dazu auf den Seiten 48 und 49. Ebenso arbeitet die Kurie an Abklärungen, welche Konsequenzen der RSG für die in Ausbildung befindlichen Ärzt:innen an betroffenen Standorten in der Steiermark haben könnte. Zusätzlich wird – nachdem es vielfach um individuelle Lösungen gehen muss – eine Hotline der Ärztekammer für Steiermark für die betroffenen Ärzt:innen eingerichtet. Niedergelassene Ärzt:innen Die Kurie der niedergelassenen Ärzt:innen ist ebenso umgehend in die detaillierte Analyse des sehr umfassenden Plans gestartet und wird sich bei einem Arbeitsworkshop Ende November intensiv damit befassen und den Input für eine Stellungnahme vorbereiten. Rechtlich läuft die Frist für eine Stellungnahme zum RSG bis zum 12. Dezember 2025, danach erfolgt die Sitzung der Zielsteuerungskommission und die Beschlussfassung. „Im RSG ist recht klar ersichtlich, wer seiner Verantwortung nachkommt. Im Spitalsbereich baut die moderne Medizin auf spezialisierte Zentren und sorgt gleichzeitig in einem Flächenbundesland wie der Steiermark für eine flächendeckende Akut-Versorgung. Der neue RSG ist eine Abbildung der Ist-Situation der steirischen Spitalslandschaft in der Steiermark, geprägt durch medizinisch sinnvolle Schwerpunktsetzungen“, betonte Michael Sacherer in der Pressekonferenz zur Präsentation des RSG. Kritik am RSG Klar formulierte er auch die Kritik der Ärztekammer, ohne die alle Pläne nicht funktionieren können: „Im niedergelassenen Bereich müssen meiner Meinung nach dringend die Rahmenbedingungen verbessert und Kassenstellen attraktiver gemacht werden, besonders in der Gynäkologie, der Kinderheilkunde, der Dermatologie und der Allgemeinmedizin.“ Außerdem kritisiert er, dass einigen Bereichen im RSG eindeutig noch zu wenig Aufmerksamkeit zukommt: „In den Fächern Urologie und Innere Medizin brauchen wir auch zusätzlich neue Kassenstellen, die so noch nicht in diesem RSG abgebildet sind. Es zeigt sich auch hier, dass der niedergelassene Bereich seitens der ÖGK über Jahre hinweg nicht adäquat gefördert wurde – das sieht man auch im Landesrechnungshofbericht.“ Alle Details zum präsentierten RSG 2030 auf der Website des Gesundheitsfonds: AKUT

Auch in der Klinik für Urologie an der Uniklinik in Graz lassen sich viele Mitarbeiter einen Moustache wachsen, sagt Klinikvorstand Sascha Ahyai. Der Universitätsprofessor ist von der zunehmenden Wirkung der Movember-Initiative überzeugt: „Das ist eine gute Institution, weil wir damit eine breitere Wahrnehmung in der Bevölkerung schaffen, mehr Menschen und vor allem auch jüngere Männer über die Social-Media-Aktivitäten erreichen und sensibilisieren können.“ Notwendig ist das auf jeden Fall, weiß der Facharzt: „Generell haben Männer hinsichtlich der Früherkennung und Vorsorge nicht das Bewusstsein der Frauen. Die sind da kulturell weiter, die gynäkologische Vorsorge wird viel früher vermittelt und in Anspruch genommen.“ Mit der Urologischen Gesellschaft versucht man aber alles, um hier „gleich zu ziehen“. Ein organisiertes Prostata-Screening sollte im Gesundheitssystem fix verankert werden. „Alle Männer ab 45 Jahren sollten ihren Brief, also eine Aufforderung zur Frühuntersuchung, bekommen und damit zur urologischen Früherkennung motiviert werden.“ Eine leichte Besserung hinsichtlich der männlichen „Vorsorgemoral“ ortet Ahyai schon; das Thema Prostatakarzinom sei angekommen, doch müsse man noch weiter Vorbehalte und Ängste bezüglich der Untersuchungen abbauen. „Meist zeigen die Untersuchungen ja auch, dass alles in Ordnung ist, aber im anderen Fall ist es wesentlich, schon möglichst früh eine Diagnose zu stellen.“ Abhängig vom PSA-Wert Weichensteller ist der PSAWert: Liegt er unter 1,5 braucht „Mann“ erst in 5 Jahren wieder zur Kontrolle zu kommen, liegt er zwischen 1,5 und 3, dann ist die nächste Untersuchung in 2 Jahren angebracht. „Bei einem PSA-Wert über 3 sind weitere Untersuchungen wie ein Prostata-MRT nötig“, so Ahyai. Dieses dient wiederum als Indikationsstellung, ob eine Prostata-Biopsie notwendig ist. „Früher wurde in zu vielen Fällen biopsiert, heute können wir durch das MRT schon einiges abklären, wodurch die Hälfte der Untersuchten keine Biopsie mehr benötigt.“ Das heißt, die Diagnostik wird insgesamt immer genauer, sodass es weniger invasiver Maßnahmen bedarf und wir weniger Überdiagnostik haben. Positiv, weil dies eine Hemmschwelle abbaue, sieht der Experte, dass die digitale rektale Untersuchung als Teil der gesetzlichen Früherkennung wegfällt: „Viele Männer gehen aus Sorge vor der digitalCOVER Der November trägt wieder Moustache … und das aus gutem Grund, denn im November ist bekanntlich auch Movember. Die Wortkreation aus dem Monatsnamen und dem Moustache („Schnurrbart“) sowie die Aktivitäten in diesem Rahmen sollen das Bewusstsein für die Vorsorge rund um die Männergesundheit erhöhen. Foto: envato/Image-Source

rektalen Untersuchung nicht zum Arzt. Jetzt reicht aber die Blutuntersuchung mit der Feststellung des PSA-Werts für die erste Risikoabschätzung aus.“ Medizinische Fortschritte Da Tumore heute tendenziell deutlich früher entdeckt werden, sind sie gut therapier- und heilbar. Sie können gezielter behandelt werden und auch die Gefahr von Inkontinenz oder Impotenz ist weiter deutlich gesunken. Ein weiterer Grund dafür: Im operativen Bereich wird immer minimalinvasiver gearbeitet, roboterassistiert und hochpräzise mit zehnfacher Vergrößerung. Sascha Ahyai: „Onkologisch wie funktionell erzielen wir damit sehr gute Ergebnisse – und das ist entscheidend: für die betroffene Person selbst, aber auch für ihre Beziehung.“ Auch wenn die Risiken noch immer im Raum stehen, sind sie heute überschaubar geworden, betont der Urologe. Man erreiche heute eine bessere Heilung und einen besseren Erhalt bzw. idealerweise eine unveränderte Lebensqualität. Im jüngeren Alter Was man aber beobachtet ist, dass die Krebserkrankungen zunehmend im jüngeren Alter auftreten – auch an Niere und Blase. Die Früherkennungsuntersuchung werde daher immer wichtiger. „Wir setzen neben Blut- und Urinanalysen auf Ultraschalluntersuchungen – das tut alles nicht weh, ist aber für die Früherkennung wichtig. Tumore sind dann gut behandelbar bzw. operierbar und z. B. ein Nierentumor kann unter Erhalt der Niere sicher entfernt werden“, erklärt der Arzt. Wichtige Fortschritte gebe es auch bei der medikamentösen Behandlung der urologischen Tumore, bei der das Immun- system motiviert werde, die Tumorzellen zu bekämpfen. „Die langfristigen Heilungschancen bei fortgeschrittenem Blasenkrebs können z. B. aus einer Kombination von medikamentöser (perioperativer) Therapie und Chirurgie (Entfernung und Ersatz der Harnblase) signifikant verbessert werden. Circa 30 % der Patienten zeigen nach einer Immun-Chemotherapie in der entfernten Harnblase sogar keinen Resttumor mehr. Dadurch inspiriert arbeiten wir an Konzepten, sodass wir in Zukunft in selektionierten Patienten die Harnblase hoffentlich erhalten können. Dass wir Krebs irgendwann gänzlich besiegen, wird also zunehmend vorstellbar.“ ÆRZTE Steiermark || 11|2025 11 COVER „Alle Männer ab 45 Jahren sollten ihren Brief, also eine Aufforderung zur Frühuntersuchung, bekommen und damit zur urologischen Früherkennung motiviert werden.“ Sascha Ahyai Vorstand der Universitätsklinik für Urologie Fotos: KK, envato/wayhomestudioo, envato/Wavebreakmedia

COVER Hochpotente Medikamente Selbst bei einem gestreuten Tumor-Setting verändern innovative Medikamente viel. Hier kommen heute u. a. Antikörper zum Einsatz, deren Ziel ein Oberflächenprotein der Tumorzellen ist: „So wird die Chemo-Therapie direkt in die Tumorzellen getragen und diese werden gekillt. Bei dieser Behandlung verzeichnen wir beeindruckende Ergebnisse mit einer Verdopplung der durchschnittlichen bisherigen Überlebenszeit der Betroffenen. Solche enormen Verbesserungen haben wir zuvor noch nicht gesehen!“ Die Urologie ist – demographisch bedingt – das Fach mit dem größten Patientenzuwachs, erklärt Ahyai: „In den nächsten 10 Jahren haben wir ein Plus von 20 % an Patienten zu erwarten.“ Eine große Herausforderung ist deshalb der Mangel an Fachärzt:innen, sowohl in den Spitälern als auch in der Niederlassung. Gerhard Posch, Urologe und Vizepräsident der Ärztekammer für Steiermark: „Aktuell gibt es in der Steiermark 81 Fachärzt:innen für Urologie und weitere 24 in Ausbildung, doch wir werden deutlich mehr brauchen, um z. B. die wichtigen Vorsorgeuntersuchungen abdecken zu können.“ Vor allem in der Peripherie mangelt es an Urolog:innen, beispielsweise ist in Murau eine Kassenarztstelle ausgeschrieben, die Besetzung allerdings mehr als schwierig … Dabei ist das Interesse am Fach sehr groß. „Die Urologie ist ein besonderes, weil sehr autarkes Fach. Wir machen sowohl die Diagnostik als auch die Therapie. Außerdem sind die urologischen Karzinome vergleichsweise häufig“, betont Sascha Ahyai. Das Prostatakarzinom ist der häufigste bösartige Tumor bei älteren und der Hodentumor bei jüngeren Männern. Blasen- und Nierenkarzinom, welche natürlich auch bei Frauen vorkommen, stehen in der Statistik ebenfalls weit vorne. Roboterchirurgie Die Urologie hat auch die Roboterchirurgie salonfähig gemacht. „Das zeigt, wie modern, technikaffin und abwechslungsreich das Fach ist“, so der Facharzt. „In unser Gebiet fallen kleine und große Operationen, von minimalinvasiv bis zu, wenn auch immer seltener, offenen Eingriffen – immer begleitet von technologischen Neuerungen, wie wenn zum Beispiel über die Harnröhre operiert wird.“ Prävention: Lebensstilfaktoren Eines ist Sascha Ahyai besonders wichtig: „Man ist als Patient nicht nur Opfer. Das Potenzial wird komplett unterschätzt: Die Menschen können selbst präventiv so viel zu ihrer Gesundheit beitragen – durch Bewegung, ausreichend Schlaf und gesunde Ernährung. Ein Beispiel: Auch eine erneute Erkrankung ist bei jenen, die ihre Ernährung umgestellt haben, unwahrscheinlicher – das zeigen die Studien deutlich.“ Gerade bei der älteren Generation gebe es oft das Missverständnis, dass der Arzt einem eine Krankheit „nachweisen“ wolle. Das Thema Prävention gehe völlig unter. Dazu sei so ein Movember übrigens auch gut, meint Ahyai: Dass man sich als Arzt bzw. Ärztin Zeit für so ein Gespräch nehme und diese Lebensstilaspekte, die oft viel zu kurz kommen, nicht unter den Tisch fallen lasse. Um zu kommunizieren, dass man es selbst in der Hand habe und zur Prävention ebenso wie zu einer Genesung viel beitragen könne. 12 ÆRZTE Steiermark || 11|2025 „Angesichts des zu erwartenden Patientenzuwachses sind mehr Ressourcen für die urologische Versorgung zwingend notwendig.“ Gerhard Posch Urologe und Vizepräsident der Ärztekammer Fotos: Furgler, envato/leungchopan

KONGRESS ÆRZTE Steiermark || 11|2025 13 Fotos: LKH-Univ Klinikum Graz Valerie Tarbauer Bits & Bytes bestimmen das Krankenhaus der Zukunft Beim Kongress „Bits & Bytes – Das Krankenhaus der Zukunft“ stand in der Medical Science City Graz die rasante Integration von KI in den Klinikalltag im Zentrum. Fazit: Die Entwicklung hat das Potenzial, die medizinische Praxis von Grund auf zu verändern. Die digitale Transformation des Gesundheitswesens ist längst gelebte Realität. Von der automatisierten Bildanalyse in der Radiologie über prädiktive Diagnostik bis hin zu personalisierten Therapieplänen – KI-gestützte Systeme versprechen mehr Präzision und Effizienz. Der Kongress „Bity & Bytes“, der heuer zum ersten Mal stattfand und über 350 Teilnehmer:innen begeisterte, war die Plattform, um dies kritisch zu hinterfragen. KI in der Medizin Die Potenziale der KI in der Medizin sind immens. Ein Vorteil liegt in der Fähigkeit von Algorithmen, riesige Datenmengen in kürzester Zeit zu analysieren. Was sonst Stunden oder Tage dauert, erledigt eine KI in Sekunden. Dies ermöglicht eine schnellere und oft genauere Diagnosestellung, insbesondere bei komplexen Erkrankungen wie Krebs. Algorithmen können Muster in Patientenakten, Labordaten und bildgebenden Verfahren erkennen, die den menschlichen Betrachter:innen eventuell entgehen. Dies hat das Potenzial zu einer frühzeitigeren Erkennung, aber auch zur Optimierung von Behandlungsstrategien. Personal entlasten Ein weiteres entscheidendes Potenzial ist die Entlastung des medizinischen Personals. Routineaufgaben wie die Dokumentation oder die Analyse grundlegender Laborwerte können von KI-Systemen übernommen werden. Dadurch gewinnen Ärzt:innen und Pflegekräfte wertvolle Zeit. Die Automatisierung von Prozessen erhöht zudem die Patientensicherheit, indem sie die Anfälligkeit für menschliche Fehler verringert. Eine weitere Vision: KIgestützte Chatbots könnten Kommunikation und Orientierung unterstützen, indem sie einfache Fragen beantworten und Patient:innen durch das Gesundheitssystem lotsen. Wer trägt die Verantwortung? Trotz aller Vorteile birgt die Integration von KI in die Medizin auch Risiken. Eine der größten Bedenken sind ethische Fragen. Wer trägt die Verantwortung, wenn ein KI-System eine falsche Diagnose stellt? Wie wird sichergestellt, dass die Trainingsdaten frei von Vorurteilen sind und Algorithmen nicht zu einer Benachteiligung bestimmter Patientengruppen führen? Die Sorge vor einem „Algorithmus-Bias“ ist real, denn wenn eine KI hauptsächlich mit Daten von männlichen Patienten trainiert wird, könnte sie bei der Diagnose von Patientinnen versagen. Die Transparenz der Entscheidungsprozesse von KI-Systemen, das sogenannte „Black-Box-Problem“, muss gelöst werden, um Vertrauen zu schaffen. Weitere Herausforderungen betreffen Datensicherheit und Datenschutz sowie die Frage, ob die empathische, persönliche Beziehung zwischen Ärzt:innen und Patient:innen durch einen Algorithmus ersetzt werden kann. Diese und weitere kritische Fragen wurden im Rahmen von „Bits & Bytes“ intensiv diskutiert. Organisiert wurde der Kongress von Gerald Sendlhofer: „Mit ‚Bits & Bytes‘ wollen wir eine Brücke zwischen der rasanten technologischen Entwicklung und der medizinischen Praxis schlagen. Es geht nicht darum, das medizinische Personal durch Maschinen zu ersetzen, sondern darum, es mit den besten Werkzeugen auszustatten. Wir müssen KI als das sehen, was sie ist: ein mächtiger Assistent. Der Mensch, seine Empathie und sein kritisches Urteilsvermögen bleiben selbstverständlich das Herzstück in der Medizin.“

14 ÆRZTE Steiermark || 11|2025 GRAZER FORTBILDUNGSTAGE Vernetzung, ärztliche Weiterbildung und Nachwuchsförderung stehen bei den „Grazer Fortbildungstagen“ der Ärztekammer für Steiermark immer im Fokus. Mit über 1.000 Teilnehmenden bot diese Veranstaltung auch bei ihrem 35-Jahr-Jubiläum im heurigen Oktober wieder einen eindrucksvollen Rahmen für interdisziplinären Austausch, fachspezifische und aktuelle Themen der Gesundheitsversorgung. Und auch die Zahlen dieser aufwendig organisierten Fortbildungsveranstaltung in der Landeshauptstadt können sich sehen lassen: An 6 Tagen standen für die über 1.000 Ärztinnen und Ärzte, die an den Fortbildungstagen in diesem Jahr teilnahmen, insgesamt 3 Morgenvorlesungen, 33 Plenarvorträge, 2 Symposien, 4 Meet-the-Expert-Formate, 54 Seminare und Kurse sowie ein eigenes KPJ-Symposium auf dem Programm. In diesen wurden spannende Inhalte wie die vernetzte Versorgung, das nachhaltige ärztliche Handeln und die Verbindung zwischen medizinischem Fortschritt und gesellschaftlicher Verantwortung in den Mittelpunkt gerückt. Dazu kamen zahlreiche fachspezifische Themen und Schwerpunkte. „Diese 6 Tage stehen für die besondere Vernetzung der Ärzteschaft: Im offenen Zusammenspiel unterschiedlicher Fachrichtungen und Generationen entstehen neue Impulse“, betonte Michael Sacherer, Präsident der Ärztekammer Steiermark anlässlich der Eröffnung der„Grazer Fortbildungstage“. Turnusärztepreis verliehen Ein besonderer Akzent der „Grazer Fortbildungstage“ liegt auf der Förderung des ärztlichen Nachwuchses: Traditionell wird in diesem Rahmen gemeinsam mit der Raiffeisen-Landesbank Steiermark der Turnusärztepreis verliehen und so das Engagement junger Ärzt:innen ins Zentrum gerückt. Auf den „Stockerlplätzen“ standen heuer Dr. Lena Alexandra Sternad (28), Dr. Luisa Schlagbauer (30) und Dr. Simon Strohmeier (28). Sie konnten die Jury mit ihren eingereichten spannenden Fallberichten überzeugen. Gewinnerin vom LKH Graz II Voitsberg Gewinnerin Lena Sternad hat ihre Ausbildung am 1.9.2024 begonnen und ist derzeit am LKH Graz II Standort Voitsberg, Abteilung für Innere Medizin, tätig. Die Auszeichnung erhielt sie für ihren Fallbericht mit dem Titel: „Wenn Gewohntes täuscht: Ein unerwartetes ,Zebra‘ in der Gynäkologie“. Nachzulesen ist der (gekürzte) Fallbericht auf der nächsten Seite. Fotos: Schiffer „Grazer Fortbildungstage“ feierten den 35. Geburtstag Landwirtschaftskammer-Präsident Andreas Steinegger mit Josef Lamprecht aus Tieschen, der den Geschenkkorb der Landwirtschaftskammer beim Vorsymposium zu den „Grazer Fortbildungstagen“ gewann, und Ärztekammer Präsident Michael Sacherer (v. l.)

GRAZER FORTBILDUNGSTAGE ÆRZTE Steiermark || 11|2025 15 Fotos: Schiffer Preisträgerin Luisa Schlagbauer, Prokurist Thomas Zehetleitner (Raiffeisen-Landesbank Steiermark), Turnusärztepreis-Gewinnerin Lena Sternad, Ärztekammer-Präsident Michael Sacherer und Preisträger Simon Strohmeier (v. l.)

16 ÆRZTE Steiermark || 11|2025 Wenn Gewohntes täuscht: Ein unerwartetes „Zebra“ in der Gynäkologie GFT-FALLBERICHT „Wenn du Hufschläge hörst, denk an Pferde, nicht an Zebras.“ Dieser Leitsatz erinnert daran, dass häufige Erkrankungen wahrscheinlicher sind als seltene. Für etwa 450.000 Menschen in Österreich ist genau das ein Problem: Sie gehören zu den Zebras, denn sie leiden an seltenen Erkrankungen. Trotz der vielen Herausforderungen, die solche Krankheitsbilder mit sich bringen, ermöglichen sie auch wertvolle Einblicke in die Mechanismen des menschlichen Körpers. Dieser Bericht beleuchtet, wie wichtig der Austausch über seltene Fälle unter Kolleg:innen ist und welche Erkenntnisse daraus gewonnen werden können. Abstract Niemals hätte ich gedacht, dass ich bereits in meinem ersten Monat als Turnusärztin einem Zebra begegnen würde. Die beschriebenen Symptome der Patientin deuteten zunächst auf eine häufige gynäkologische Erkrankung hin. Doch bereits während der klinischen Untersuchung ergaben sich erste Hinweise, dass sich hinter der scheinbar vertrauten Präsentation etwas Ungewöhnliches verbarg. Dieser Bericht schildert einen Fall, in dem der klinische Verlauf, die diagnostischen Schritte und eine überraschende Wendung eindrücklich zeigen, wie wichtig sorgfältige Differentialdiagnosen, kritisches Abwägen und strukturierte Diagnostik auch bei scheinbar eindeutigen Symptomen sind. Anamnese: Verdacht auf Mastitis Eine 70-jährige Patientin stellt sich mit einer Zuweisung ihres Hausarztes aufgrund des Verdachts auf eine linksseitige Mastitis in der gynäkologischen Ambulanz vor. Beschwerden: Seit 3 Wochen bestehende Schmerzen, Schwellung und Rötung der linken Brust. Fieber wird verneint. Letzte Mammographie über 10 Jahre her, Vorerkrankungen: Arterieller Hypertonus und Hypercholesterinämie, Dauermedikation: Tramadol bei chronischen Schmerzen, Amlodipin 10 mg, Amlodipin/Valsartan 5/160 mg sowie Rosuvastatin 20 mg. Voroperationen: Vaginale Hysterektomie bei Hypermenorrhoe, keine familiäre Belastung mit Brust- oder Eierstockkarzinomen. Klinische Untersuchung: Zwischen Routine und Alarmzeichen Inspektorisch zeigt sich die linke Brust diffus gerötet, mit einem flächigen Cutisödem, dessen Punctum maximum im Bereich des linken Mamillen-Areola-Komplexes liegt. Der zugehörige Lymphknoten ebenfalls gerötet und erhaben. Die rechte Brust präsentiert sich inspektorisch unauffällig. Palpatorisch erscheint die linke Brust insgesamt fest, mit einem derben Knoten von mindestens 3 cm im oberen äußeren Quadranten. Die rechte Brust ist palpatorisch unauffällig. Axillär links lassen sich mehrere derbe Resistenzen tasten, die am ehesten vergrößerten Lymphknoten entsprechen. Rechts findet sich kein pathologischer Tastbefund. Labor: Unspezifische Reaktionszeichen Im durchgeführten Routinelabor zeigten sich die Leukozyten mit 13,22 × 109/l leicht erhöht, bei einer marginalen Dominanz der Neutrophilen von 10,28 × 109/l, während die Lymphozyten mit 1,0 × 109/l leicht erniedrigt waren. Erythrozyten (3,36 × 1012/l) und Hämoglobin (11,4 g/dl) lagen geringfügig unter dem Normbereich, MCV (103,0 fL) und MCH (33,9 pg) waren leicht erhöht, was auf eine milde makrozytäre Anämie hinweist. Das CRP war mit 177,6 mg/l deutlich erhöht. Interpretation der Befunde In Zusammenschau der laborchemischen Ergebnisse spiegeln diese einen unspezifischen Reaktionsprozess wider. In der gynäkologischen Ambulanz ließ sich eine akute bakterielle Mastitis aufgrund des fehlenden Fiebers, der nur leicht erhöhten Leukozyten und des suspekten palpatorischen Befundes nicht Foto: Schiffer Mit dem vorliegenden (für die Veröffentlichung gekürzten) Fallbericht gewann Lena Sternad den Raiffeisen-Landesbank Steiermark Turnusärzt:innenpreis 2025.

Foto: Envato/diegograndi GFT-FALLBERICHT eindeutig bestätigen. Daher wurde zur weiteren Abklärung eine bildgebende Untersuchung veranlasst. Bildgebung: Verdacht auf Malignom Die Sonografie der linken Mamma zeigte eine deutliche Verdickung der Mamille und der Cutis. Die Brustdrüsenkörper nahezu in allen Segmenten infiltriert. Multiple, unscharf begrenzte, hypodense Herdbefunde von bis zu 1,6 cm Größe, mit dem Punctum maximum retromamillär und im oberen äußeren Quadranten. Axillär ein 3,3 cm großer pathologischer Lymphknoten. Aufgrund dieser Befunde wurde die Läsion als BI-RADS 5 klassifiziert, was eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine maligne Erkrankung nahelegt und eine histologische Abklärung erforderlich machte. Histopathologische Diagnose: Das unerwartete Zebra Nach Durchführung einer stanzbioptischen Untersuchung konnte das suspekte Gewebe zur histopathologischen Analyse eingesandt werden. Unerwarteterweise bestätigte sich damit jedoch nicht der naheliegende Verdacht eines Mammakarzinoms, sondern ein extrem seltenes Krankheitsbild: ein primär diffus großzelliges B-Zell-Lymphom (DLBCL) der Brust. Diese Diagnose stellt eine absolute Rarität dar und hat unmittelbare Konsequenzen für das weitere Vorgehen, da die Therapie sich fundamental von jener des Mammakarzinoms unterscheidet. Die Lehre aus dem Zebra Seltene Erkrankungen können sich hinter Symptomen verbergen, die zunächst auf häufige Diagnosen hinweisen. Für Ärzt:innen in Ausbildung ist dies besonders lehrreich: Vertraute Symptome schließen seltene Ursachen nicht aus. In diesem Fall ermöglichte eine konsequent strukturierte Vorgehensweise – Anamnese, Labor, gezielte Bildgebung und Biopsie – die Identifikation eines primären BrustDLBCL, einer extrem seltenen Diagnose. Bereits kleine untypische ÆRZTE Steiermark || 11|2025 17 Hinweise im klinischen Verlauf können als Warnsignale dienen: Eine 70-jährige Patientin mit vermeintlicher Mastitis oder eine innerhalb von nur wenigen Wochen palpabel gewordene Raumforderung, wie man sie bei einem Mammakarzinom eher nicht erwarten würde, rechtfertigen eine gezielte Abklärung. Auch wenn Häufiges häufig und Seltenes selten ist, sollten ungewöhnliche Verläufe ernst genommen werden. Klinische Aufmerksamkeit und systematisches Denken sind entscheidend, um selbst in alltäglichen Fällen relevante, seltene Diagnosen zu erkennen. „Als Fortbildungsreferent freue ich mich sehr, die hervorragenden Leistungen der jungen Kolleg:innen zu sehen und gratuliere den Preisträger:innen sehr herzlich.“ Gerhard Wirnsberger Fortbildungsreferent

18 ÆRZTE Steiermark || 11|2025 Jede 6. im Labor bestätigte bakterielle Infektion weltweit wurde durch antibiotikaresistente Erreger ausgelöst, heißt es im WHO-Bericht vom 13. Oktober 2025. Dabei gibt es große regionale Unterschiede: Besonders verbreitet sind die Resistenzen in Ländern mit niederschwelligem Zugang zu Antibiotika sowie in Ländern, in welchen Antibiotika großflächig in der Agrarwirtschaft eingesetzt werden. „Es ist immer ein Selektionsdruck, durch den Resistenzen gegenüber Antibiotika entstehen“, sagt Jürgen Prattes von der Klinischen Abteilung für Infektiologie am LKH Univ.-Klinikum Graz. „Der Erreger hat einen evolutionären Vorteil, er kann sich durchsetzen und das ist auf unterschiedliche Arten möglich: Manche Enzyme spalten die Antibiotika auf, anderen verändern ihre Zielstruktur oder pumpen das Antibiotikum wieder aus der Zelle hinaus, um einige Beispiele zu nennen.“ Resistenzen importiert Resistenzen treten allerdings nicht nur bei Bakterien auf, sondern auch bei Viren, Pilzen oder Parasiten. Und auch das ist sehr stark lokal geprägt. Durch die Globalisierung aber auch durch Ereignisse wie den Ukraine-Krieg importieren bzw. reimportieren wir gewisse Resistenzen. „Durch die Isolierung der mit multiresistenten Erregern kolonisierten bzw. infizierten Patient:innen versucht man bei uns die Ausbreitung einzudämmen. Ärzt:innen müssen sich daher regelmäßig mit dem Thema der Anitbiotikaresistenzen auseinandersetzten, um die lokale Epidemiologie und somit die Verschreibungsstrategien den aktuellen Gegebenheiten anzupassen, so Prattes. Übermäßiger Einsatz von Antibiotika Der übermäßige oder falsche Einsatz von Antibiotika spielt in diesem Zusammenhang eine große Rolle, weiß der Arzt: „Man übt einen Selektionsdruck auf die Erreger aus. Das sieht man zum Beispiel an jenen Ländern, die eine sehr liberale Verschreibungspolitik haben, in denen man Antibiotika ohne Rezepte kaufen kann. Es zeigt sich gerade bei den resistenten gramnegativen Erregern auch ein klares Nord-Süd-Gefälle in Europa.“ In Österreich sieht Prattes in der Primärversorgung gerade bei Atemwegsinfekten einen zu starken Antibiotika-Einsatz: „Das hängt auch damit zusammen, dass es in diesem Bereich vielfach zu wenig Ressourcen für Tests gibt, eine virale von einer bakteriellen Infektion somit nicht gut differenzierbar ist und in der Konsequenz teilweise sicherheitshalber Antibiotika verordnet werden.“ In chirurgischen Bereichen werden Antibiotika teils zur Prophylaxe eingesetzt – „oft allerdings zu lange, eigentlich sollten sie dafür nur sehr kurz zur Anwendung kommen – eben um Resistenzen zu verhindern“. Beispiel Harnwegsinfekt Veränderungen der Verschreibungspraxis haben enorme Auswirkungen – auch im positiven Sinn. „Beim E. coli-Harnwegsinfekt Weltweit steigt die Resistenz gegen Antibiotika deutlich an. Am 18. November rückt der Europäische Antibiotikatag dieses Thema in den Mittelpunkt. Jürgen Prattes von der Klinischen Abteilung für Infektiologie am LKH-Univ. Klinikum Graz über Auswirkungen, Strategien für Kliniken und neue Medikamente. „Antibiotika sind immer wie Feuerlöscher“ RESISTENZEN

ÆRZTE Steiermark || 11|2025 19 Fotos: Med Uni Graz, envato/Image-Source hatten wir 2008 fast 20 % Ciprofloxacin-Resistenzen. Dann wurde man mit der Verschreibung restriktiver und 2014 war der Wert nur mehr bei 10 %. Manche Trends lassen sich also auch umkehren“, nennt der Facharzt ein Beispiel. Aus diesem Grund sollte jede Klinik ihre lokale Epidemiologie kennen und sich die Resistenzverhalten ebenso wie jährlichen Resistenzberichte der einzelnen Hygieneinstitute anschauen und die Strategie anpassen. Tracking und Reports spielen eine große Rolle. Antimicrobal Stewardship Antimikrobielle Resistenzen zählen zu einer der 3 größten Gesundheitsgefahren in der EU und verursachen hier etwa 35.000 Todesfälle pro Jahr. „Die WHO hat eine ,Priority List‘ erstellt und aus der ist ersichtlich, dass gramnegative Erreger und vor allem die Gruppe der Enterobakterien besonders im Fokus stehen. Denn hier gehen uns die Antibiotika-Optionen aus“, so Prattes. Das Ziel daher: Man müsse das richtige Antibiotikum in richtiger Indikation zu den richtigen Patient:innen bringen. „Das Antimicrobal Stewardship ist extrem wichtig: Eigene Teams entwickeln Verschreibepraktiken, gehen auf Visite mit und schauen sich an, ob Dosis, Einnahme usw. passen. Ist das etabliert, bringt es durch die Verhinderung von Resistenzen sowohl Vorteile für das ganze Kollektiv als auch für den einzelnen Patienten.“ Neue Antibiotika Der Experte betont, dass auf verschiedenen Ebenen an Lösungen gearbeitet wird: „Für Firmen sind Antibiotika nicht das beste Businessmodell, aber um die 100 neue Kandidaten sind bereits in der vorklinischen bzw. frühen klinischen Testung. Wir haben für resistente gramnegative Erreger bereits neue Substanzen, die in die Zulassung gekommen sind, und das ist eine große Hilfe. Dabei muss man immer betonen: Ein besonders gezielter und überlegter Einsatz ist bei diesen Ersatz-Substanzen wesentlich. Antibiotika sind immer wie Feuerlöscher – nur wenn es sie wirklich braucht, dann sollte man sie einsetzen.“ Im gramnegativen Bereich entwickeln sich derzeit die meisten Resistenzen, aber auch die meisten neue Antibiotika. Herausforderungen Als wesentliche Herausforderung für die Zukunft nennt Prattes eine gute Kommunikation: „Der Klimawandel und die Globalisierung haben eine starke Auswirkung auf das Thema Resistenzentwicklung und -weitergabe. Global gesehen müssen wir zum Beispiel aufpassen, was in der Landwirtschaft alles zum Einsatz kommt. Durch die falsche oder unüberlegte Verwendung bestimmter Stoffe können wir uns viel kaputt machen. Es braucht hinsichtlich der neuen antimikrobiellen Substanzen eine gute Abstimmung.“ „Wir haben für resistente gramnegative Erreger bereits neue Substanzen und das ist eine große Hilfe. Ein besonders gezielter und überlegter Einsatz ist bei diesen ErsatzSubstanzen wesentlich.“ Jürgen Prattes FA an der Klinischen Abteilung für Infektiologie RESISTENZEN

20 ÆRZTE Steiermark || 11|2025 Ziel der Aktion war es, Hemmschwellen abzubauen und Wissen zu vermitteln. Mehr als 100 engagierte Studierende der Med Uni Graz waren im Einsatz und schulten rund 2.800 Personen in lebensrettenden Sofortmaßnahmen. Mit „Drück Mich!“ setzen die Ärztekammer und die Arbeitsgemeinschaft für Notfallmedizin ein starkes Zeichen: Reanimation ist kein Expertenwissen – sie ist eine Kompetenz, die jede:r mit etwas Übung beherrschen kann und die im Ernstfall über Leben und Tod entscheidet. Erstmals gab es heuer eine enge Kooperation mit der Ärztekammer für Steiermark – Neshat Quitt und Gerhard Postl vom Referat für ärztliche Sondereinsätze stehen ebenso hinter der Aktion wie Paul Zajic, Referent für Notfall- und Rettungsdienste und Katastrophenmedizin. „Notfallmedizin und Wiederbelebung nehmen in der Ausbildung an der Med Uni Graz einen zentralen Stellenwert ein. Umso mehr freut es uns, dass unsere Studierenden dieses wichtige Wissen so verständlich und wirksam an die Bevölkerung weitergeben. Ich bin überzeugt, dass dieser Aktionstag dazu beitragen wird, Menschenleben zu retten“, betonte Michael Eichinger, Mitorganisator des Wahlfaches „Tag der Wiederbelebung“ von der Klinischen Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin 1 der Med Uni Graz. Sehr positiv war das Feedback der Studierenden: „Der Tag hat gezeigt, wie viele Menschen bereit sind, Leben zu retten. Es war großartig zu sehen, mit wie viel Begeisterung die Passant:innen mitgemacht haben“, freute sich Medizinstudentin Alina Eckhardt und Martin Wagner fasste zusammen: „Der Tag der Wiederbelebung war eine gute Möglichkeit, als Medizinstudent einem breiten Publikum Wiederbelebungsmaßnahmen beizubringen und somit potenziell Leben zu retten.“ Der Hintergrund ist ernst: Jede 10. Person in Österreich erleidet im Laufe ihres Lebens einen plötzlichen Herzstillstand – oft unerwartet und unabhängig vom Alter. Die Überlebensrate liegt bei etwa 10 %. Würden mehr Menschen Erste Hilfe leis-ten, könnten jährlich bis zu 1.000 zusätzliche Leben gerettet werden. In Zukunft sind weitere Aktionen dieser Art in kleinerem Rahmen geplant, so Quitt. Am 18. Oktober verwandelte sich die Grazer Innenstadt in ein Zentrum für Lebensrettung. Passant:innen konnten im Rahmen der Initiative „Drück Mich!“ selbst aktiv werden und einfache, aber entscheidende Schritte der Wiederbelebung erlernen. Fotos: Schiffer Drück Mich: Tag der Wiederbelebung setzt starkes Zeichen „Der Tag der Wiederbelebung hat gezeigt, wie viele Menschen bereit sind, Leben zu retten. Es war großartig zu sehen, mit wie viel Begeisterung die Passant:innen mitgemacht haben.“ Alina Eckhardt INITIATIVE

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