BEREICH ÆRZTE Steiermark || 06|2025 7 Gesundheitsbildung beginnt nicht im Wartezimmer, sondern im Kindergarten. Wenn wir wollen, dass Menschen mündige, kompetente Patient:innen werden, müssen wir früh ansetzen. Prävention ist mehr als ein Schlagwort – sie ist eine Investition in die Zukunft. Und diese beginnt im Kindesalter. Kinder sind neugierig, offen und lernbereit. Das sollten wir nutzen. Denn wer früh versteht, was gesunde Ernährung bedeutet, wie wichtig Bewegung ist und wie der eigene Körper funktioniert, entwickelt ein selbstverständliches Gesundheitsbewusstsein. Die Grundlagen für einen reflektierten Umgang mit dem eigenen Wohlbefinden werden in den ersten Lebensjahren gelegt. Und wir Ärztinnen und Ärzte sollten dabei eine aktivere Rolle spielen. Ein Vorzeigeprojekt ist die Kuscheltierklinik. Hier erleben Kinder auf spielerische Weise den Ablauf einer medizinischen Behandlung – vom Warten im „Wartezimmer“ bis zur „Diagnose“ für das eigene Stofftier. Dabei werden Ängste abgebaut und gleichzeitig wichtige Inhalte vermittelt. Medizinstudierende leisten dabei nicht nur Aufklärungsarbeit, sondern trainieren auch ihre eigene kommunikative Kompetenz. So entsteht ein Mehrwert für alle Beteiligten. Hausmittel – oft belächelt – sollten in der Gesundheitsbildung ebenfalls Platz finden. Sie sind Teil unserer Tradition, fördern Eigenverantwortung und sind in vielen Fällen sinnvoll. Wenn Kinder früh lernen, wann eine Wärmeflasche genügt und wann ärztliche Hilfe nötig ist, wird die Patientenlenkung zur Selbstverständlichkeit. Dieses Bewusstsein kann das System langfristig entlasten und die Qualität der Versorgung sichern. Gesundheitsbildung im Kindesalter darf kein freiwilliges Zusatzangebot bleiben. Es braucht klare politische Rahmenbedingungen, damit Prävention, Bewegung, Ernährung und medizinisches Grundverständnis frühzeitig und nachhaltig in Kindergärten und Schulen verankert werden – und wir Ärztinnen und Ärzte sind bereit, Verantwortung zu übernehmen und unsere Expertise gezielt dort einzubringen, wo sie den größten Unterschied macht: bei der Gesundheitsbildung unserer Kinder. Dr. Michael Sacherer ist Präsident der Ärztekammer Steiermark Eines steht außer Frage: In unserem Gesundheitssystem muss sich einiges ändern. Doch nicht alles, was neu gedacht wird, ist auch wirklich durchdacht. Die aktuelle Ausschreibung zur Vergabe von „Dienstleistungen zur Bereitstellung eines österreichweit telemedizinischen ärztlichen Angebots“ der ÖGK fällt in diese Kategorie. Ein solches Modell schafft Parallelstrukturen, schwächt die Steuerungsfunktion der Hausärzt:innen und zieht Ressourcen vom dringend notwendigen Ausbau der wohnortnahen Versorgung ab. Hausärzt:innen sind die zentrale Drehscheibe in unserem Gesundheitssystem. Wer sie aus der Steuerung herausnimmt, riskiert eine ineffiziente Versorgung. Die Telemedizin kann und soll eine sinnvolle Ergänzung sein. Jedoch nur, wenn sie die niedergelassenen Strukturen berücksichtigt und die digitalen Lösungen in die bestehenden Strukturen integriert. Ein Blick nach Deutschland zeigt: Hier wird das Primärarztsystem und damit der niedergelassene Bereich gestärkt. Die wesentliche und vor allem effiziente Lenkungsfunktion der Hausärzt:innen als erste Anlaufstelle wurde nicht nur erkannt, sondern es wird darauf reagiert – und der Telemedizin kommt die Unterstützungsfunktion zu. Was braucht es dafür in der Steiermark? Zwar haben das Land Steiermark und die ÖGK angekündigt, zusätzliche Kassenstellen schaffen zu wollen – 16 neue Stellen stehen aktuell im Raum, doch ohne Personal wird das nichts. Und was fehlt dafür? Adäquate Rahmenbedingungen und faire Honorierung. Lippenbekenntnisse werden für eine sinnvolle Stärkung des niedergelassenen Bereichs nicht ausreichen. Wenn die Honorierung nicht passt, dann werden auch zusätzliche Stellen nicht besetzt werden können. Hier ist also noch viel zu tun, sonst bleibt jedes Konzept nur ein theoretisches Konstrukt. Aus diesem Grund mein ärztlicher Rat: Lippenbekenntnisse reichen nicht. Bitte immer zuerst zu Ende denken. Vizepräsident Prof. Dr. Dietmar Bayer ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte EXTRA Dietmar Bayer Nur Lippenbekenntnisse reichen nicht STANDORTBESTIMMUNG Michael Sacherer Gesundheit lernt man von klein auf DEBATTE Fotos: SPÖ Landtagsklub Drechsler, Furgler, Schiffer
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