AERZTE Steiermark 05 2025

6 ÆRZTE Steiermark || 05|2025 BEREICH INTRA KONT A DEBATTE Bettina Schoeller Ein kränkelndes System – und die Leidtragenden sind wir alle Ein neuer Hausarzt? Eine dringende Operation? Da braucht man viel Geduld. Ein Kinderarzt am Wochenende? Kaum verfügbar. Diese Erfahrungen mache nicht nur ich als Mutter, Politikerin und Psychologin. Unser Gesundheitssystem stößt an seine Grenzen – das spüren die Steirer:innen. Es ist kein Wunder, dass 70 Prozent der Österreicher:innen meinen, mit unserem Gesundheitssystem geht es bergab. Der Mangel an Ärzt:innen und Pflegekräften ist ebenso ein Problem wie die älter werdende Bevölkerung oder die überbordende Bürokratie, die mehr Akten als Lösungen produziert. Nötige Reformen wurden von einer Regierung an die nächste weitergereicht – passiert ist kaum etwas. Früher standen Ärzt:innen für Kassenstellen Schlange. Heute bleiben viele dieser Stellen unbesetzt – weil die Rahmenbedingungen nicht mehr attraktiv sind. Es fehlt die Zeit für patientenorientierte Medizin, die Abrechnungsmodalitäten müssen dringend überarbeitet und die Arbeitszeiten flexibler werden – damit sich wieder mehr Mediziner:innen für eine Kassenstelle entscheiden. Wir müssen neue Wege gehen! Was passiert in den Regionen, in denen keine Kassenstellen mehr vorhanden sind? Um einen gerechten Zugang zur Gesundheitsversorgung zu schaffen, sollte das Land die Mehrkosten bei Privaten übernehmen, wenn es keine Kassenpraxen gibt. Wenn Menschen keine primäre Versorgung vorfinden, weichen sie auf Spitäler aus - dorthin, wo die Behandlung mit Abstand am teuersten ist. Aber die Probleme in unserem Gesundheitssystem enden nicht bei körperlichen Leiden: Als klinische Psychologin erlebe ich jene Herausforderungen, vor denen Menschen mit psychischen Erkrankungen stehen. Obwohl wir wissen, dass frühzeitige Diagnostik der Schlüssel zu erfolgreicher Behandlung ist, kommt es dazu oft erst, wenn die Lage bereits eskaliert. Wer Hilfe sucht, findet ein Labyrinth aus Anlaufstellen, überfüllten Praxen und monatelangen Wartezeiten. Kassenstellen sind rar, teure Privathonorare können sich viele nicht leisten. Die Herausforderungen sind drängend – deshalb ist jetzt der richtige Zeitpunkt für mutige Reformen. Damit unser Gesundheitssystem wieder für alle da ist und wir auch in Zukunft auf eine Versorgung vertrauen können, die niemanden zurücklässt. Bettina Schoeller Gesundheitssprecherin der NEOS Steiermark Gerhard Posch 1450: Die Idee stimmt, aber nicht die Umsetzung Die Idee hinter 1450 ist bestechend einfach – und im Grundsatz richtig: Patient:innen sollen rasch und unkompliziert dorthin gelenkt werden, wo sie die für ihr Anliegen beste Versorgung erhalten. In Zeiten, in denen unsere Spitalsambulanzen an ihre Belastungsgrenzen stoßen, ist eine effiziente Steuerung der Patientenströme wichtiger denn je. Doch die Realität zeigt: 1450 kann das aktuell nicht leisten. Die Nutzung und Wirksamkeit von 1450 ist in den Bundesländern unterschiedlich, die Steiermark liegt im Mittelfeld. Was wir brauchen, ist ein System, das es tatsächlich schafft, Patient:innen mit Bagatellerkrankungen oder nicht akuten Beschwerden konsequent in den extramuralen Bereich zu dirigieren – insbesondere außerhalb der Regelarbeitszeiten. Nur wer wirklich eine spitalsmedizinische Versorgung benötigt, sollte ins Spital kommen. Das ent- lastet nicht nur die Ambulanzen, sondern verbessert die Versorgung für jene, die sie am dringendsten brauchen. 1450 kann ein wichtiger Baustein für eine moderne Patientenlenkung sein – aber nur, wenn das System seinem Anspruch gerecht wird. Es genügt nicht, ein Tool bereitzustellen. Es braucht klare medizinische Kriterien, eine enge Abstimmung mit den Ärzt:innen und Ärzten und realistische Erwartungen an das, was leistbar ist: Die Steuerung der Patientenströme muss von Menschen entwickelt und begleitet werden, die die Versorgungsrealität kennen – und das sind in erster Linie wir Ärztinnen und Ärzte. Wir stehen zu einer echten Patientenlenkung. Aber wir fordern, dass 1450 auch das leistet, was das System dringend benötigt: eine verbindliche, medizinisch fundierte Zuweisung an die richtige Versorgungsstruktur. Die Idee stimmt, aber nicht das Tool. Denn am Ende zählt nur das Ergebnis: der richtige Patient am richtigen Ort, zur richtigen Zeit, beim richtigen Arzt. Vizepräsident Dr. Gerhard Posch ist Obmann der Kurie Angestellte Ärzte

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