AERZTE Steiermark 05 2025

18 ÆRZTE Steiermark || 05|2025 TRANS-GENDER Um Himmels willen, ein Trans in meiner Praxis! Foto: Alfred Wachter Unter diesem provokanten Titel widmete sich die Grazer Ärztin MarieChristine Bertholin y Galvez in einem Vortrag der Frage, was man als Gesundheitsdienstleister:in über Trans-Gender wissen muss. Schon seit einigen Jahren hört und liest man immer mehr über das Thema Trans-Gender. Es erhält mehr Medienpräsenz, Serien und Filme behandeln die Thematik. „Es ist die logische Fortsetzung von Frauenbewegung und Homosexuellenbewegung“, meint MarieChristine Bertholin y Galvez. Die Ärztin leitet seit 2015 die sogenannte Trans-MannAmbulanz am LKH Univ.- Klinikum Graz und hat im Rahmen der Fachtagung „Sexuelle Gesundheit“ Ende April vor ihren Berufskolleg:innen einen Vortrag dazu gehalten. Das Wissen fehlt Information und Sensibilisierung sind Bertholin y Galvez sehr wichtig. „Verhältnismäßig geht es nämlich um eine sehr geringe Anzahl von Patient:innen und das hat zur Folge, dass nicht jeder Arzt bzw. nicht jede Ärztin schon mit einer Trans-Gender-Person in Kontakt gekommen ist. Es ist ein Thema, das lange nicht im Lehrplan behandelt wurde, und viele aktive Ärzt:innen hatten bisher noch keine Berührungspunkte.“ Deshalb dürfe man es ihnen auch nicht übelnehmen, dass teilweise das Wissen fehlen würde, jedoch sei eines wesentlich, betont die Expertin: „Eine Trans-Gender-Person wirft vielleicht meine persönlichen Vorstellungen von Anatomie über den Haufen. Ich darf überrascht sein und bekennen, dass ich das noch nicht gesehen habe, aber ich darf nie wertend sein, zentral muss immer die Wertschätzung und der Respekt gegenüber der Person sein – und gegenüber dem Weg, den diese Person gegangen ist.“ Fragen, wie eine Person angesprochen werden will Wenn man sich nicht sicher sei, in welchem Geschlecht eine Person ist, dann dürfe man auch einfach respektvoll fragen, wie sie angesprochen werden will. Auch bei non-binären Personen sei das zentral. „Wir Mediziner:innen glauben immer, dass wir alles wissen. Es ist aber keine Schande, etwas nicht zu wissen und nachzufragen“, sagt MarieChristine Bertholin y Galvez. Manches könne man als Außenstehende:r überhaupt nicht wissen, aber man könne immer wertschätzend gegenüber dem Menschen sein. Auf der Grazer Frauenklinik wurden schon seit vielen Jahren unter der Leitung von Prof. Tamussino Trans-Personen behandelt. In der von Bertholin y Galvez 2015 gegründeten Trans-Mann-Ambulanz werden aktuell rund 760 TransMänner betreut. Daher beträgt die Wartezeit auf einen Termin hier auch 3 bis 5 Monate. „Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die RoutineGesundheitsversorgung von Trans-Gender-Personen über die Hausärzt:innen läuft“, betont sie. „Wenn eine Hormontherapie im Raum steht, dann wird das von mir geplant und genau aufgeschrieben. Einzuleiten ist die Therapie dann aber von den Hausärzt:innen.“ Für diese ist die Expertin jederzeit gerne Ansprechpartnerin: „Klinik und Niedergelassenen sollten da immer ein Team sein. Ich stehe auch für Psycholog:innen und Psychiater:innen bei Bedarf telefonisch zur Verfügung. Die Abstimmung der Hormone läuft über meine Ambulanz oder, sollte ein Patient nicht im Warteraum der Frauenklinik warten wollen, auch gemeinsam mit den Endokrinolog:innen über die Med. Endokrinologie. Die Allgemeinmediziner:innen brauchen sich um die hormonelle Einstellung und Feinjustierung nicht zu kümmern.“ Berührungsängste überwinden In den meisten Fällen funktioniere diese Zusammenarbeit sehr gut. Bertholin y Galvez informiert die Kolleg:innen zum Beispiel über die Nebenwirkungen, die sich durch die Hormontherapie ergeben und die für die Hausärzt:innen zu beachten sind. Einmal pro Jahr kontrolliert sie die wichtigsten Parameter der Patient:innen auch in der Ambulanz, sagt sie zum Ablauf. Vermitteln möchte die Ärztin vor allem, dass „Hausärzt:innen ihre Scheu und ihre Berührungsängste überwinden müssen. Es kann eben sein, dass eine muskulöse Person mit Vollbart das Behandlungszimmer betritt, sich auszieht und eine Vulva hat. Identität ist kein Penis oder eine Vagina, Identität ist der Mensch als Ganzes. Doch wenn es um Bluthochdruck oder einen gebrochenen Zehen geht, dann müssen wir den Menschen nicht als Trans-Gender-Person, sondern als Menschen ansehen“. Davon unabhängige medizinische Probleme dürften nicht untergehen. „Das ist ein Skandal“ Negative Beispiele kennt sie aus der Praxis schließlich leider auch: „Ich habe einen Patienten mit Verdacht auf Leistenbruch an einen Chirurgen überwiesen. Er hat diesen mit der Diagnose ‚keine Nabelhernie‘ wieder weggeschickt, weil er den Patienten unter Nabelniveau nicht untersucht hat. Das ist ein Skandal und darf nicht passieren! Nur weil der Patient keinen Penis hat, kann es nicht sein, dass etwas anderes nicht korrekt untersucht wird. Es ist egal, welches Geschlecht darunter ist, im

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