Das Magazin der Ärztekammer Steiermark Mai 2025 Witzig. Kabarettistin Eva Maria Marold tritt bei der KulturSommerNacht auf. Wissen. Marie-Christine Bertholin y Galvez informiert über Trans-Gender. Werte. Ärztin Denise Kanfer-Steinhauer veröffentlicht Kinderbuch „Sturm über Bananien“. Österreichische Post AG MZ 02Z033098 M Ärztekammer für Steiermark, Kaiserfeldgasse 29, 8010 Graz, Retouren an PF555, 1008 Wien Patientenlenkung Stornogebühren Opt-out Wir nähern uns der EU-Arbeitszeitrichtlinie Foto: shutterstock/Andy.LIU
Niedergelassene Ärztinnen & Ärzte, Spitalsärztinnen & Spitalsärzte, Gesundheitspersonal sowie Patientinnen & Patienten unterstützen gemeinsam folgende Ziele: GESICHERTE VERSORGUNG für Patient:innen durch STÄRkUNG & AUSbAU des niedergelassenen bereichs bEdARfSORIENTIERTE abgestufte Spitalsstruktur mit Schwerpunktsetzungen Unterstützen Sie die Resolution und das Volksbegehren „Gesunde Steiermark/Gesundes Österreich“. Es geht um Ihre Gesundheit. Resolution Gesunde steiermark Gesundes Österreich GEMEINSAM GUT vErSorGEN Unterschriftenlisten bitte bis 30.06.25 an die Ärztekammer retournieren! Wir gehen in die nächste Phase: Weitere Unterschriften-Sammlung bis Ende Juni!
BEREICH THEMEN ÆRZTE Steiermark || 05|2025 3 BUCHTIPP Bluthochdruck Moderne Behandlungsmöglichkeiten Andreas Festa 1. Auflage, 120 Seiten ISBN: 978-3-99052-326-1 Bluthochdruck zählt zu den häufigsten Volkskrankheiten – und wird dennoch oft zu spät erkannt oder unzureichend behandelt. Dieser aktuelle Ratgeber liefert fundierte, wissenschaftlich gesicherte Informationen in leicht verständlicher Form. Er räumt mit gängigen Mythen auf und zeigt praxisnah, worauf es bei Diagnose und Therapie wirklich ankommt. Ein besonderer Fokus liegt auf der individuellen Behandlung: Denn Alter und Geschlecht spielen bei der medikamentösen Einstellung ebenso eine Rolle wie die Frage, ob eine sekundäre Hypertonie vorliegt. Auch die häufigsten Patient:innen-Fragen aus der ärztlichen Praxis finden im Buch klare und hilfreiche Antworten. Eine empfehlenswerte Neuerscheinung für alle, die Bluthochdruck besser verstehen und behandeln möchten – evidenzbasiert, differenziert und alltagstauglich. DATUM 27.6.2025 Am 27. Juni 2025 um 18 Uhr findet die diesjährige KulturSommerNacht der Medizin im Aiola im Schloss St. Veit statt. Nach Aperitif mit Fingerfood erwartet Sie ein exklusives Kabarettprogramm mit Eva Marold. Zum Ausklang des Abends gibt es Live-Musik und erlesene Kochkunst aus dem Aiola. Karten erhältlich unter presse@aekstmk.or.at und 0316/8044-40. LINK: https://www.medmedia.at/podcast/irgendwie-pathologisch/ Mit dem Ziel Jungmediziner:innen und Interessierte für das oft unterschätzte Fach Pathologie zu begeistern, startet die Österreichische Gesellschaft für Klinische Pathologie (ÖGPath) ihren neuen Podcast „Irgendwie pathologisch“. „Ohne Pathologie keine Diagnose, keine Therapieentscheidung“, betont ÖGPath-Präsidentin Eva Compérat. Trotz enormer Relevanz fehlen Fachärzt:innen – ein Drittel mehr würde dringend benötigt. Der Podcast liefert spannende Einblicke in moderne Diagnostik, Biomarker-Analyse, KI-Einsatz & Co. Jetzt reinhören – überall, wo es Podcasts gibt! ZAHL 1.400 Rund 1.400 Teilnehmer:innen zählte der allererste „Styrian Run Against Cancer“. Sie alle meisterten die 5 Kilometer lange Strecke durch die Grazer Innenstadt und den Stadtpark für den guten Zweck. Mit dem Reinerlös werden sowohl die Krebsforschung an der Med Uni Graz als auch Projekte, die Krebspatient:innen am Universitätsklinikum Graz zu Gute kommen, gefördert. Illu: Verlagshaus der Ärzte FORTBILDUNGSTIPP Zum zweiten Mal veranstaltet die Ärztekammer Steiermark den ÖÄK-Zertifikatslehrgang „Angiologische Basisdiagnostik“ in Graz. Grundkompetenzen der Gefäßmedizin wie die Bestimmung des Knöchelarmindex mittels Doppler-Ultraschall werden vermittelt. Am 11. Oktober 2025 (1. Teil) und am 21. März 2026 (2. Teil) findet der Lehrgang wieder im Steiermarkhof unter der Leitung von Prim. Dr. Andreas Spary statt. Details & Anmeldung unter www.med.or.at/angio Gedruckt nach der Richtlinie „Druckerzeugnisse“ des Österreichischen Umweltzeichens, Medienfabrik Graz, UW-Nr. 812 Klimakompensierte Produktion www.climate-austria.at Ident-Nr Klimakompensierte Prod www.climate-austria Kennzeichnu für vorbildlic Waldwirtscha HCA-COC-100 Förderung nachhaltiger Waldwirtschaft PEFC/06-39-22 PEFC zertifiziert Klimakompensierte Produktion www.climate-austria.at Ident-Nr. A Klimakompensierte Produk www.climate-austria.a Kennzeichnung für vorbildliche Waldwirtschaft HCA-COC-10029 Förderung nachhaltiger Waldwirtschaft PEFC zertifiziert UPDATE IM MAI SCHLAGZEILE Streit ums Geld: Ärztekammer-Vertreter Bayer im Studio Die Ärztekammer will bei der Gesundung der Sozialversicherung keinen Solidarbeitrag leisten. Vielmehr präsentierte man Sparvorschläge für die Gesundheitskasse. Die Bundesregierung fordert man auf, einen „professionellen Sanierer“ in die Kasse zu schicken. In der ZIB2 sprach dazu Dietmar Bayer, stellvertretender Obmann der niedergelassenen Ärzte in der Ärztekammer. ORF, 15.4.2025 IMPRESSUM: Medieninhaber (Verleger): Ärztekammer für Steiermark, Körperschaft öffentlichen Rechts | Redak- tionsadresse: 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 29, Tel. 0316 / 8044-0, Fax: 0316 / 81 56 71, E-Mail: presse@aekstmk.or.at | Chefredaktion: Martin Novak | Koordination: Dr.in Jasmin Novak | Redaktion: Mag.a Beate Mosing, Mag.a Edith Preiß, Thomas Zenz | Produktion: CONCLUSIO PR Beratungs Gesellschaft mbH, Schmiedgasse 38, 8010 Graz | Gestaltung: Konrad Lindner | Anzeigen: Gernot Zerza, Tel.+43 664 2472673, E-Mail: Zerzagernot@gmail.com; Mit „Promotion“ gekennzeichnete Texte sind entgeltliche Veröffentlichungen im Sinne § 26, Mediengesetz. | Druck: Stmk. Landesdruckerei GmbH, 8020 Graz | Abonnements: Eva Gutmann, Ärztekammer Steiermark, Tel. 0316 / 804440, Fax: 0316 / 81 56 71. Jahresabonnement (11 Ausgaben) EUR 25,–.
BEREICH THEMEN 4 ÆRZTE Steiermark || 05|2025 Foto: Florian Waltl, Alfred Wachter THEMEN Cover. Opt-out-Regelung: Arbeitszeitreduktion für angestellte Ärzt:innen ab Juli 2025 8 KulturSommerNacht 2025 mit Eva Marold 11 Nachruf: Thomas Petnehazy 14 Befragung: Fortbildung im Fokus 15 Humor trifft Herz: Ein Buch zur Orientierung für Patient:innen 16 Großer Erfolg: 1. Styrian Run Against Cancer 17 PräNUDGE: Digitale Gesundheitsmotivation 20 Die Psychokardiologie denkt Herzgesundheit und Psyche gemeinsam 22 Ärztin im besonderen Dienst: Zwischen Bad Radkersburg und Bananien 24 Gerne Ärztin/Arzt der Steiermark: Ganzheitlich, nahbar, eigenverantwortlich 26 Neue Leitlinie für Ärzteausbildung 27 Dos und Dot’s bei unliebsamen Rezensionen 28 Erlesen: Rein in die Geschichte der Stadt oder raus in die Natur 30 Krankenbeihilfe des Wohlfahrtsfonds 32 Wirtschaft & Erfolg. Immobilien als Investment 34 Forschung. Spermien als Mitspieler in der Embryo-Einnistung? 36 CIRS: Fehlerhafte Patientenüberwachung 39 Tipp. Meldung von Änderungen während Bezug der Altersversorgung 39 Meine eigene Praxis: Info und Empfang an Med Uni 40 ANGESTELLTE ÄRZTINNEN UND ÄRZTE Arbeitszeit der Spitalsärzt:innen: Wunsch und Wirklichkeit … 42 Dienstrecht aktuell. Ruhezeiten für Ärzt:innen: Was Sie wissen müssen 44 1450: Gute Idee der Patientenlenkung – Aber noch viel Luft nach oben 46 NIEDERGELASSENE ÄRZTINNEN UND ÄRZTE „No Shows“ – nicht abgesagte Arzttermine und ihre rechtlichen Folgen 50 Stornogebühr beim Arzttermin: Warum ein Ausfall kein Kavaliersdelikt ist 52 Kassencheck. Meldung aus dem e-Card-System 53 Neue Verordnung und neue Honorarempfehlungen 54 Debatte 6 News 41 Kleinanzeigen 58 Personalia 63 Cartoon 65 Ad Personam 66 KUSCHELTIERKLINIK Die beliebte Kuscheltierklinik in der Med Uni Graz öffnet auch 2025 ihre Türen – und natürlich ist die Ärztekammer Steiermark wieder mit an Bord, damit Kinder spielerisch ihre Ängste abbauen. Seite 12 TRANS-GENDER Die Grazer Ärztin Marie-Christine Bertholin y Galvez widmet sich der Frage, was man als Gesundheitsdienstleister:in über Trans-Gender wissen muss. Seite 18
BEREICH ÆRZTE Steiermark || 05|2025 5 THEMEN „Kennen Sie Ihre Google-Rezensionen?“ haben wir die Ärzteschaft im letzten Monat gefragt und eine Mehrheit von 40,5 % sagte: „Nein und es interessiert mich auch nicht.“ 9,5 % der Befragten kennen die Online-Bewertung zu ihrer Person bzw. Ordination ebenfalls nicht, sind aber der Meinung, dass sie sich mit diesem Thema auseinandersetzen sollten. Während also exakt die Hälfte der Teilnehmer:innen an der Umfrage des Monats sich noch nicht mit den Google-Rezensionen beschäftigt hat, kennt die andere Hälfte ihre Bewertung durch Patient:innen im Internet. 19 % halten diese Bewertungen dabei für ein sinnvolles Tool, während deutlich mehr Ärzt:innen, nämlich 31 %, denken, dass diese Rezensionen mehr Schaden als Nutzen anrichten. In den freien Antworten wurde darauf hingewiesen, dass sinnvolle Leistungsbeurteilungen auch eine Motivation sein können. Allerdings seien Fake-Rezensionen ein Problem. EPIKRISE Kurze Nachrichten aus der Redaktion Soziale Medien: X/Twitter: www.twitter.com/ AERZTE_NEWS Facebook: www.facebook. com/aerztekammer.stmk/ und Facebook-Gruppe für steirische Ärztinnen und Ärzte Youtube: AERZTE_NEWS Instagram: www.instagram. com/aerztekammerstmk Bild: Schiffer Google-Rezensionen: Mehr Schaden oder Nutzen? AERZTE Frage des Monats: Kennen Sie Ihre Google-Rezensionen? Ja und ich halte diese Bewertungen für ein sinnvolles Tool. Ja, aber ich denke, diese Rezensionen bringen mehr Schaden als Nutzen. Nein, aber ich sollte das wohl mal überprüfen. Nein und es interessiert mich auch nicht. Teilnehmer:innen: 116 DAS BILD DES MONATS. Das „Silberne Ehrenzeichen der Ärztekammer für Steiermark“ wurde im April an Primarius i.R. Dr. Engelbert Wallenböck und Universitätsprofessor Dr. Peter Schober für ihr seit mehr als zwei Jahrzehnten andauerndes großes Engagement im Sportärztereferat verliehen. Von links: Gerhard Postl, Engelbert Wallenböck, Präsident Michael Sacherer, Peter Schober und Herwig Lindner. 31% 19% 9,5% 40,5%
6 ÆRZTE Steiermark || 05|2025 BEREICH INTRA KONT A DEBATTE Bettina Schoeller Ein kränkelndes System – und die Leidtragenden sind wir alle Ein neuer Hausarzt? Eine dringende Operation? Da braucht man viel Geduld. Ein Kinderarzt am Wochenende? Kaum verfügbar. Diese Erfahrungen mache nicht nur ich als Mutter, Politikerin und Psychologin. Unser Gesundheitssystem stößt an seine Grenzen – das spüren die Steirer:innen. Es ist kein Wunder, dass 70 Prozent der Österreicher:innen meinen, mit unserem Gesundheitssystem geht es bergab. Der Mangel an Ärzt:innen und Pflegekräften ist ebenso ein Problem wie die älter werdende Bevölkerung oder die überbordende Bürokratie, die mehr Akten als Lösungen produziert. Nötige Reformen wurden von einer Regierung an die nächste weitergereicht – passiert ist kaum etwas. Früher standen Ärzt:innen für Kassenstellen Schlange. Heute bleiben viele dieser Stellen unbesetzt – weil die Rahmenbedingungen nicht mehr attraktiv sind. Es fehlt die Zeit für patientenorientierte Medizin, die Abrechnungsmodalitäten müssen dringend überarbeitet und die Arbeitszeiten flexibler werden – damit sich wieder mehr Mediziner:innen für eine Kassenstelle entscheiden. Wir müssen neue Wege gehen! Was passiert in den Regionen, in denen keine Kassenstellen mehr vorhanden sind? Um einen gerechten Zugang zur Gesundheitsversorgung zu schaffen, sollte das Land die Mehrkosten bei Privaten übernehmen, wenn es keine Kassenpraxen gibt. Wenn Menschen keine primäre Versorgung vorfinden, weichen sie auf Spitäler aus - dorthin, wo die Behandlung mit Abstand am teuersten ist. Aber die Probleme in unserem Gesundheitssystem enden nicht bei körperlichen Leiden: Als klinische Psychologin erlebe ich jene Herausforderungen, vor denen Menschen mit psychischen Erkrankungen stehen. Obwohl wir wissen, dass frühzeitige Diagnostik der Schlüssel zu erfolgreicher Behandlung ist, kommt es dazu oft erst, wenn die Lage bereits eskaliert. Wer Hilfe sucht, findet ein Labyrinth aus Anlaufstellen, überfüllten Praxen und monatelangen Wartezeiten. Kassenstellen sind rar, teure Privathonorare können sich viele nicht leisten. Die Herausforderungen sind drängend – deshalb ist jetzt der richtige Zeitpunkt für mutige Reformen. Damit unser Gesundheitssystem wieder für alle da ist und wir auch in Zukunft auf eine Versorgung vertrauen können, die niemanden zurücklässt. Bettina Schoeller Gesundheitssprecherin der NEOS Steiermark Gerhard Posch 1450: Die Idee stimmt, aber nicht die Umsetzung Die Idee hinter 1450 ist bestechend einfach – und im Grundsatz richtig: Patient:innen sollen rasch und unkompliziert dorthin gelenkt werden, wo sie die für ihr Anliegen beste Versorgung erhalten. In Zeiten, in denen unsere Spitalsambulanzen an ihre Belastungsgrenzen stoßen, ist eine effiziente Steuerung der Patientenströme wichtiger denn je. Doch die Realität zeigt: 1450 kann das aktuell nicht leisten. Die Nutzung und Wirksamkeit von 1450 ist in den Bundesländern unterschiedlich, die Steiermark liegt im Mittelfeld. Was wir brauchen, ist ein System, das es tatsächlich schafft, Patient:innen mit Bagatellerkrankungen oder nicht akuten Beschwerden konsequent in den extramuralen Bereich zu dirigieren – insbesondere außerhalb der Regelarbeitszeiten. Nur wer wirklich eine spitalsmedizinische Versorgung benötigt, sollte ins Spital kommen. Das ent- lastet nicht nur die Ambulanzen, sondern verbessert die Versorgung für jene, die sie am dringendsten brauchen. 1450 kann ein wichtiger Baustein für eine moderne Patientenlenkung sein – aber nur, wenn das System seinem Anspruch gerecht wird. Es genügt nicht, ein Tool bereitzustellen. Es braucht klare medizinische Kriterien, eine enge Abstimmung mit den Ärzt:innen und Ärzten und realistische Erwartungen an das, was leistbar ist: Die Steuerung der Patientenströme muss von Menschen entwickelt und begleitet werden, die die Versorgungsrealität kennen – und das sind in erster Linie wir Ärztinnen und Ärzte. Wir stehen zu einer echten Patientenlenkung. Aber wir fordern, dass 1450 auch das leistet, was das System dringend benötigt: eine verbindliche, medizinisch fundierte Zuweisung an die richtige Versorgungsstruktur. Die Idee stimmt, aber nicht das Tool. Denn am Ende zählt nur das Ergebnis: der richtige Patient am richtigen Ort, zur richtigen Zeit, beim richtigen Arzt. Vizepräsident Dr. Gerhard Posch ist Obmann der Kurie Angestellte Ärzte
BEREICH ÆRZTE Steiermark || 05|2025 7 Die bevorstehende Aktualisierung des Regionalen Strukturplans Gesundheit (RSG) ist eine bedeutende Chance, unser Gesundheitssystem nachhaltig zu stärken. Die Herausforderungen sind bekannt – der demografische Wandel, der steigende Versorgungsbedarf, der Mangel an Ärzt:innen. Jetzt ist die Zeit gekommen, nicht nur zu reagieren, sondern aktiv zu gestalten. Als Ärztekammer sehen wir es als unsere Pflicht, diesen Prozess zu begleiten – verantwortungsvoll, konstruktiv und im Sinne einer qualitativ hochwertigen, wohnortnahen Versorgung. Ein zentrales Anliegen ist der Ausbau des niedergelassenen Bereichs. Eine starke niedergelassene Versorgung ist das Fundament eines funktionierenden Gesundheitssystems. Was es dafür braucht, liegt eigentlich auf der Hand, aber wir werden es als Ärztevertreter nicht müde zu betonen, damit die Botschaft von den Verantwortlichen ernst genommen wird: Dafür braucht es ausreichend Kassenstellen, attraktive Arbeitsmodelle, interdisziplinäre Kooperationen und eine bessere Verteilung der Versorgungslasten. Besonders in strukturschwachen Regionen müssen gezielt Anreize gesetzt werden, um eine flächendeckende medizinische Betreuung sicherzustellen. Die Entlastung der Spitäler gelingt nur, wenn die erste Versorgungsebene gestärkt wird – und das dauerhaft. Im stationären Bereich unterstützen wir eine abgestufte Versorgungsstruktur mit klaren medizinischen Schwerpunkten. Nicht jede Einrichtung muss alles leisten – aber jede muss in ihrer Rolle gestärkt und verlässlich finanziert sein. Regionale Spezialisierung, sinnvolle Vernetzung und klare Versorgungsaufträge sind essenziell, um Effizienz und Qualität zu sichern. Als Ärztekammer fordern wir in diesem Zusammenhang nicht nur Mitsprache, wir bieten sie aktiv an. Die Expertise jener Menschen, die tagtäglich im System tätig sind, ist unverzichtbar für tragfähige Lösungen. Wir stehen bereit, den Strukturwandel in der Steiermark partnerschaftlich mitzugestalten – gemeinsam mit der Politik, mit den Träger:innen und allen weiteren Berufsgruppen in diesem Bereich. Denn, ich bin davon überzeugt, nur im Dialog entstehen auch jene Lösungen, die in der Praxis ihrem Anspruch gerecht werden können. Unser Ziel ist klar: Ein funktionierendes und zukunftsorientiertes Gesundheitssystem für unsere Ärztinnen und Ärzte – und vor allem auch für die Patient:innen im Land. Dr. Michael Sacherer ist Präsident der Ärztekammer Steiermark In Zeiten knapper Gesundheitsbudgets wird immer wieder gern in eine Richtung gezeigt – auf die Ärztinnen und Ärzte. Es sei an ihnen, einen „Solidarbeitrag“ zu leisten, um die finanziellen Lücken der ÖGK zu schließen. Diese Forderung verkennt nicht nur die Realität ärztlichen Alltags – sie ist symptomatisch für ein System, das strukturelle Reformen zu lange aufgeschoben hat. Wer heute ärztlich tätig ist, weiß: Der Solidarbeitrag wird längst täglich geleistet – mit unserem Einsatz unter mehr als herausfordernden Bedingungen! Und mit der enormen Verantwortung für unsere Patient:innen, die auf eine verlässliche medizinische Betreuung angewiesen sind. Statt die medizinische Versorgung weiter auszuhöhlen, wäre es an der Zeit, den Blick dorthin zu richten, wo die Reformpotenziale tatsächlich liegen: in der Verwaltung, im Management, in der längst überfälligen Nutzung von Synergieeffekten, die mit der Kassenfusion versprochen, aber nicht eingehalten worden sind. Eine Sanierung auf dem Rücken der Leistungsträger – die an vorderster Front tagtäglich Patient:innen versorgen – ist nicht nur ungerecht, sie ist gefährlich. Denn sie schwächt das System dort, wo es funktionieren muss und trifft in Wirklichkeit die Versicherten. Die ärztlichen Leistungen machen nur einen Bruchteil des ÖGK-Budgets aus – rund 15 %. Der große Rest liegt vielmehr im Einflussbereich jener Strukturen, die jetzt zur Verantwortung gezogen werden sollten. Und nicht die Patient:innen und Ärzt:innen sollen die Versäumnisse ausgleichen müssen! Es ist höchste Zeit, das Kerngeschäft der ÖGK wieder ins Zentrum zu rücken: die medizinische Versorgung. Und ebenso höchste Zeit, die versprochenen Synergien nach der Kassenfusion endlich umzusetzen. Ein nachhaltiges Gesundheitswesen braucht keine Schuldzuweisungen, sondern den Willen zur Reform. Wer sparen will, muss sich endlich den eigenen Strukturen stellen. Vizepräsident Prof. Dr. Dietmar Bayer ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte EXTRA Dietmar Bayer Auf dem Rücken von Ärzt:innen und Patient:innen STANDORTBESTIMMUNG Michael Sacherer Ein Regionaler Strukturplan Gesundheit mit Verantwortung und Weitblick DEBATTE Fotos: Marusa Puhek, Furgler, Schiffer
8 ÆRZTE Steiermark || 05|2025 Opt-out-Regelung: Arbeitszeitreduktion für angestellte Ärzt:innen ab Juli 2025 Mit 1. Juli 2025 tritt eine Änderung für die angestellten Ärzt:innen in Kraft: Die maximal mögliche Wochenarbeitszeit verringert sich – sofern man das „Opt out“ unterzeichnet hat – von derzeit 55 auf 52 Wochenarbeitsstunden im Durchrechnungszeitraum. „Das ist keine Kleinigkeit, sondern eine wichtige Veränderung hinsichtlich der maximal möglichen Arbeitszeit für unsere angestellten Ärzt:innen. Damit nähern wir uns mit einem großen Schritt den Zielvorgaben der EU, die in der Arbeitszeitrichtlinie eine maximale Arbeitszeit von 48 Wochenstunden vorsieht“, unterstreicht Gerhard Posch, Vizepräsident und Obmann der Kurie Angestellte Ärzte. Ein wichtiger Impuls Diese Reduktion ist ein wichtiges Signal auf dem Weg Richtung europäischer Standards, genauer gesagt zur vollständigen Umsetzung der EU-Arbeitszeitrichtlinie mit ihren maximal 48 Stunden pro Woche im Durchrechnungszeitraum. Österreich hat es bislang im Rahmen einer Übergangsregelung mittels eines so genannten „Opt outs“ ermöglicht, dass angestellte Ärzt:innen nach schriftlicher Vereinbarung bis zu 55 Wochenarbeitsstunden arbeiten konnten. Mit 1. Juli 2025 wird diese Grenze nun auf 52 Wochenarbeitsstunden abgesenkt. „Dies ist ein wichtiger Impuls, wir haben die richtige Richtung eingeschlagen“, wie Posch betont. Sehr hohe Arbeitsbelastung Man dürfe nicht vergessen, sagt der Kurienobmann, dass die Ärzt:innen mit einem Ausmaß von 48 Wochenstunden ohnehin wesentlich mehr arbeiten würden als die Durchschnitts- österreicher:innen – „und das bei einer sehr hohen Arbeitsbelastung“. Dabei gibt es für Ärzt:innen eigentlich nur eine Grundverpflichtung von 40 Wochenstunden. „Und wir liegen auch sehr deutlich über dieser“, verweist Gerhard Posch Foto: Schiffer, envato/gstockstudio COVER „Die Ärzt:innen sind eine der am stärksten belasteten Berufsgruppen. Die Schutzbestimmungen zur Wochenarbeitszeit sind ein wichtiger Faktor, der zur sicheren Versorgung beiträgt.“ Michael Sacherer Präsident Ärztekammer Steiermark
ÆRZTE Steiermark || 05|2025 9 auf die Zahlen der aktuellen IMAS-Umfrage der ÖÄK unter heimischen Spitalsärzt:innen. Ärztekammer-Präsident Michael Sacherer unterstreicht: „Die Ärzt:innen sind eine der am stärksten belasteten Berufsgruppen, das darf nicht vergessen werden. Aus diesem Grund ist diese Schutzbestimmung zur Reduktion der maximalen Wochenarbeitszeit für die Ärzt:innen ebenso wie für die Patient:innen ein wichtiger Faktor, der zur sicheren Versorgung beiträgt.“ Hintergrund Die Reduktion der Wochenarbeitszeit für angestellte Ärzt:innen in Österreich ist Teil eines langjährigen Prozesses, der bereits 2014 durch eine umfassende Reform der Arbeitszeitregelungen angestoßen wurde. Zuvor waren 48-Stunden-Schichten am Stück und ähnliches keine Seltenheit, wie Gerhard Posch erklärt: „Daher wurde 2014 schon ein wichtiger Meilenstein für unsere Ärzt:innen erreicht, weil die Zeiten auf ein erträglicheres Maß herabgesetzt worden sind. Der Weg in Richtung 48 Wochenstunden ist der richtige – im Sinne unserer Spitalsärzt:innen und unserer Patient:innen.“ Ursprünglich waren die gesetzlichen Übergangsbestimmungen nur bis zum Jahr 2021 befristet gewesen, die Opt-outRegelung wurde damals – zur Sicherung der Versorgung – aber ein weiteres Mal durch die Bundesregierung verlängert. Mit 1. Juli 2025 gibt es nun den Zwischenschritt und der finale Schritt in der Reduktion der Maximalarbeitszeit wird mit 1. Juli 2028 erfolgen. Zu diesem Zeitpunkt läuft die Übergangsregelung zur Gänze aus und dann ist für die angestellten Ärzt:innen eine europarechtskonforme maximale Wochenarbeitszeit von 48 Stunden im Durchrechnungszeitraum möglich. Unverändert bleibt die im Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz (KA-AZG) normierte Regelung, dass die Arbeitszeit in einzelnen Wochen des Durchrechnungszeitraums bis maximal 72 Wochenarbeitsstunden betragen darf. Weitere Faktoren für Zufriedenheit Die Verkürzung der Maximalarbeitszeit stellt allerdings nur einen Teil der Rahmenbedingungen dar, die die Tätigkeit im Spital attraktiv machen. Die Freude an ihrer Arbeit ist ein zentraler Aspekt für die Spitalsärzt:innen. 97 % haben das in der aktuellen IMASUmfrage der ÖÄK als wichtig oder sehr wichtig beurteilt. Im Hinblick auf die Zufriedenheit spielen jedoch noch weitere Faktoren eine entscheidende Rolle: „Die Personalknappheit und der hohe Aufwand für Patientendokumentationen, der zu Lasten der ärztlichen Arbeit geht, werden laut der aktuellen Erhebung des IMASFoto: Furgler COVER „Eines darf nicht vergessen werden: Die Ärzt:innen arbeiten mit einem Ausmaß von 48 Wochenstunden ohnehin wesentlich mehr als die Durchschnittsösterreicher:innen – und das bei einer gleichzeitig sehr hohen Arbeitsbelastung.“ Gerhard Posch Obmann der Kurie Angestellte Ärzte
COVER 10 ÆRZTE Steiermark || 05|2025 Fotos: envato/stockfilmstudio, Schiffer „Weniger Bürokratie bedeutet mehr Zeit für unsere Patient:innen. Indem wir Ärzt:innen von unnötiger Administration entlasten, stärken wir die Effizienz und Qualität unseres Gesundheitssystems nachhaltig.“ Gerhard Postl Obmann-Stellvertreter der Kurie Angestellte Ärzte Im Überblick Was bedeutet „Opt out“? Die Opt-out-Regelung ist eine gesetzlich vorgesehene Übergangsregelung. Sie ermöglicht es angestellten Ärzt:innen, freiwillig mehr Stunden zu arbeiten als grundsätzlich rechtlich vorgesehen. Die schriftliche Vereinbarung wird unabhängig vom Dienstvertrag unterzeichnet und kann auch von den Ärzt:innen widerrufen werden. Was ist die maximal mögliche Arbeitszeit bei Unterzeichnung der Opt-out-Vereinbarung? • bis 30.6.2025 maximal 55 Stunden pro Woche im Durchrechnungszeitraum • ab 1.7.2025 maximal 52 Stunden pro Woche im Durchrechnungszeitraum • ab 1.7.2028 maximal 48 Stunden pro Woche im Durchrechnungszeitraum Institutes im Auftrag der ÖÄK von den Spitalsärzt:innen als die beiden größten Probleme wahrgenommen“, erklärt Gerhard Postl, KurienobmannStellvertreter. Mehr Zeit für Patient:innen Deshalb bleibt der Bürokratieabbau auch eine weitere zentrale Forderung der Kurie. Postl betont: „Weniger Bürokratie bedeutet mehr Zeit für unsere Patient:innen. Indem wir Ärzt:innen von unnötiger Administration entlasten, stärken wir die Effizienz und Qualität unseres Gesundheitssystems nachhaltig.“ Die Kurienvertreter sehen darin einen wichtigen Schlüssel zur Attraktivierung des Arztberufs und zur Sicherung einer modernen, zukunftsfähigen Gesundheitsversorgung. Mit der Reduktion der Wochenarbeitszeit werde natürlich bereits ein klares Signal gesetzt: Ärztliche Arbeit verdiene Wertschätzung – und konkrete Maßnahmen zur Entlastung. Lebensqualität als Schlüssel Die Kurie setzt sich mit Nachdruck dafür ein, den Arztberuf nicht nur als Beruf, sondern als attraktives Lebensmodell zu gestalten. „Arbeits- und Lebensqualität müssen im Zentrum unserer Bemühungen stehen, denn sie sind der Schlüssel zur Zukunft des Arztberufs und wirken gegen Ärztemangel und Personalknappheit“, unterstreicht Kurienobmann Posch.
VERANSTALTUNG Es wird „Radikal Inkonsequent“, so viel sei schon mal verraten: Die Kabarettistin Eva Maria Marold ist der Star der diesjährigen KulturSommerNacht der Medizin am 27. Juni 2025 im Aiola im Schloss. Ein wunderbares Ambiente, erlesene Kochkunst vom Team des Aiola und ein exklusives Kabarettprogramm – das sind die Zutaten für einen wunderbaren Abend: die KulturSommerNacht im Aiola im Schloss St. Veit in Graz. Am 27. Juni ist es wieder soweit – Beginn ist um 18 Uhr. Nach einem Aperitif mit Fingerfood darf man sich auf „Radikal Inkonsequent“ freuen. In ihrem aktuelle Programm überrascht Eva Maria Marold wieder einmal mit ihrer Vielseitigkeit. Die gebürtige Burgenländerin, eine geborene Sängerin, entführt gebührend in die Welt, in der sie sich geborgen fühlt: die Welt der Musik. Es wird ein sehr persönlicher Abend mit ihren ureigensten Interpretationen bekannter Lieder von A wie ABBA bis Z wie ZAPPA. Es wird musiziert und lamentiert, es wird gelacht und nachgedacht. Es geht um Liebe und den Tod und bei zu wenig Sauerstoff um Atemnot. Es geht um Glück und um die Männer, um Schurken und um Unschuldslämmer. Eva singt laut, hoch und mit viel Herz, dazwischen macht sie den einen oder anderen Scherz. Der Titel ist Programm: inkonsequent, weil sie uns auf eine Reise quer durch alle Epochen und Genres der Musikwelt mitFotos: beigestellt KulturSommerNacht 2025 mit Eva Marold nimmt und radikal, weil sie sich dabei nix pfeift. Auf der Bühne begleiten sie diesmal zwei der weltbesten Musiker überhaupt: Andi Pilhar am Keyboard und Goran Mikulec an der Gitarre. Ein Ticket kostet 52 Euro. Maximal 4 Karten pro Ärztin/Arzt können bestellt werden. Ticketbestellungen und Reservierungen für die KulturSommerNacht der Ärztekammer Steiermark per E-Mail an: presse@aekstmk.or.at. Die KulturSommerNacht 2025 im Aiola im Schloss St. Veit mit Eva Maria Marold und erlesener Aiola-Kulinarik sollte man keinesfalls versäumen. Tickets zum Preis von 52 Euro können ab sofort bestellt werden. ÆRZTE Steiermark || 05|2025 11 Foto: Moritz Schell, Thomas Luef Mit freundlicher Unterstützung von
KUSCHELTIERKLINIK 12 ÆRZTE Steiermark || 05|2025 Die Kuscheltierklinik wartet wieder auf plüschige Patient:innen Die beliebte Kuscheltierklinik in der Med Uni Graz öffnet auch 2025 ihre Türen – und natürlich ist die Ärztekammer Steiermark wieder mit an Bord. Schließlich geht es um ein wichtiges Thema: Kinder sollen spielerisch ihre Angst vor Ärzt:innen, Krankenhausbesuchen und Untersuchungen abbauen. Vom 2. bis 6. Juni 2025 können Kinder in die Welt der Medizin eintauchen und in der Kuscheltierklinik an der Med Uni Graz (Neue Stiftingtalstraße 6, 8010 Graz) erleben, wie ein Arztbesuch für ihr Kuscheltier abläuft. Vom 3. bis 5. Juni von 1416:30 Uhr ist der Besuch auch unangemeldet möglich. Wenn Teddys behandelt werden Die Idee der Kuscheltierklinik ist so einfach wie wirkungsvoll: Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren bringen ihr eigenes Kuscheltier mit, denken sich eine kleine „Krankengeschichte“ aus und begleiten ihr plüschiges Lieblingstier durch die verschiedenen Stationen der Klinik. Dabei übernehmen Studierende der Med Uni Graz die Rolle der behandelnden Ärzt:innen – und die Kinder erleben hautnah und angstfrei, wie Untersuchungen, Impfungen oder kleinere Behandlungen ablaufen. Die Kuscheltierklinik nimmt Ängste und macht Medizin für die Kleinsten verständlich und greifbar. Zusammenarbeit mit der Ärztekammer Damit ein solches Projekt möglich wird, braucht es die gute Zusammenarbeit starker Partner:innen: Für die Ärztekammer Steiermark ist klar, dass man bei der Klinik für Teddy und Co. wieder als Unterstützerin mit an Bord ist. „Die Kuscheltierklinik stärkt frühzeitig das Vertrauen in unser Gesundheitssystem. Solche Projekte tragen enorm dazu bei, Hemmschwellen und Ängste abzubauen. Das Vertrauensverhältnis zwischen Ärzt:innen und Patient:innen ist für unsere Arbeit im niedergelassenen Bereich ebenso wie im Spitalsbereich schließlich zentral“, betont Ärztekammer-Präsident Michael Sacherer. Der Besuch – so funktioniert’s Ein Besuch in der Kuscheltierklinik dauert etwa ein bis eineinhalb Stunden und führt die kleinen Besucher:innen und ihre Stofftiere durch vier StatiFotos: Florian Waltl/Med Uni Graz Kuschelti erkl i ni k MED UNI GRAZ IN KOOPERATION MIT DER ÄRZTEKAMMER STEIERMARK
onen: Bei der Anamnese wird abgeklärt, was dem Kuscheltier fehlt. An der Verbandsstation gibt‘s Pflaster, Verbände und liebevolle Versorgung. An einer Labor-/Impfstation werden Blutabnahme, Tests und Impfungen spielerisch erklärt. Und auch die Zahngesundheit kommt bei der Station der Zahnärzt:innen nicht zu kurz. Krankengeschichte überlegen Wichtig: Jedes Kind sollte ein eigenes Kuscheltier mitbringen und sich vorab eine kleine Krankengeschichte überlegen. Eltern und Begleitpersonen werden gebeten, das Thema „Kranksein“ im Vorfeld gemeinsam mit den Kindern zu besprechen. Die Teilnahme ist kostenlos, allerdings wird bei Gruppenbesuchen (etwa durch Kindergärten) um rechtzeitige Anmeldung gebeten. KUSCHELTIERKLINIK ÆRZTE Steiermark || 05|2025 13 Infos & Anmeldung Bei Rebekka Meitz unter der E-Mail-Adresse: kuscheltierklinik@ medunigraz.at Fotos: Florian Waltl/Med Uni Graz Wann? 2.6. - 6.6.2025 Wo? Med Uni Graz
14 ÆRZTE Steiermark || 05|2025 NACHRUF Ein großer Verlust für die Kinderchirurgie Foto: beigestellt Nachruf auf Thomas Petnehazy (1970–2025) Mit großer Bestürzung und tiefer Trauer nimmt die Ärztekammer Steiermark Abschied von Thomas Petnehazy, der am 7. April 2025 völlig unerwartet verstorben ist. Mit ihm verlieren wir nicht nur einen hochgeschätzten Kinderchirurgen, sondern auch einen engagierten Standesvertreter und verlässlichen Kollegen, der sich über viele Jahre hinweg mit großem Einsatz für die Interessen seines Berufsstandes eingesetzt hat. Der renommierte Kinderchirurg des LKH Graz hinterlässt nicht nur eine fachliche, sondern auch eine menschliche Lücke, die kaum zu schließen ist. Seit 2007 war Petnehazy als Spitalsärztevertreter an der LKH Graz Universitätsklinik für Kinderchirurgie tätig, seit 2022 als Stellvertreter. Darüber hinaus prägte er die Standesvertretung in der Fachgruppe Kinder- und Jugendchirurgie, der er seit 2012 als Fachgruppenobmann bzw. Stellvertreter vorstand. Petnehazy war seit vielen Jahren eine tragende Säule der Grazer Kinderchirurgie. Noch im Jänner hatte die „Kleine Zeitung“ über seine Mitwirkung an einem besonders bewegenden Fall berichtet: Gemeinsam mit seinem Team gelang es ihm, einem schwer verletzten Buben nach einem Verkehrsunfall eine Heilung zu ermöglichen – ein medizinisches „Weihnachtswunder“, das überregional für Hoffnung sorgte. Innovative Behandlungsansätze – wie der Einsatz resorbierbarer Knochenschrauben – zeugen von seinem fortschrittlichen Denken und seinem Anspruch, die bestmögliche Versorgung für Kinder sicherzustellen. Sein plötzlicher Tod hat Kolleginnen und Kollegen tief getroffen. „Er hinterlässt eine große Lücke“, heißt es auch am LKH Graz, wo er für seinen Einsatz, seine fachliche Kompetenz und sein Mitgefühl gleichermaßen geschätzt wurde. „Dr. Thomas Petnehazy war nicht nur ein hervorragender Kinderchirurg, sondern vor allem ein Kollege mit großem Herz, unermüdlichem Einsatz und tiefem Verantwortungsbewusstsein für seine jungen Patientinnen und Patienten. Über viele Jahre hinweg prägte er die Arbeit in der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendchirurgie maßgeblich mit – sowohl fachlich als auch menschlich. Sein Wirken innerhalb unserer Gesellschaft war von besonderer Bedeutung. Als Sekretär unserer Gesellschaft trug er neben seiner Aktivität als Fachgruppenobmann der Fachgruppe Kinder- und Jugendchirurgie der Ärztekammer Steiermark wesentlich zur Weiterentwicklung und Vernetzung unseres Fachbereichs bei und setzte sich mit großem Engagement für die Anliegen der Kinderchirurgie in Österreich ein. Seine ruhige, gewissenhafte und verbindliche Art machte ihn zu einem geschätzten Ansprechpartner“, heißt es in einem Nachruf von Holger Till, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendchirurgie. Man verliere mit ihm nicht nur einen hochkompetenten Kinderchirurgen, sondern auch einen Kollegen, dessen Freundlichkeit, Bescheidenheit und Kollegialität uns stets in Erinnerung bleiben werden. Unsere aufrichtige Anteilnahme gilt seiner Familie, seinen Freunden sowie allen, die ihm beruflich und persönlich verbunden waren.
ÆRZTE Steiermark || 05|2025 15 Foto: envato/Rawpixel Befragung: Fortbildung im Fokus Eine aktuelle Befragung der Ärztekammer Steiermark gibt Einblicke in das Fortbildungsinteresse steirischer Ärzt:innen – und zeigt, was gut funktioniert und wo es Verbesserungsbedarf gibt. Die wichtigste Informationsquelle über Fortbildungsangebote ist für die große Mehrheit der Befragten die Ärztekammer selbst: Rund 72 % nannten die Aussendungen der Ärztekammer Steiermark als zentralen Kanal. Auch Fachgesellschaften (47 %) und das Fortbildungskonto über www.meindfp.at (46 %) spielen eine wesentliche Rolle. Empfehlungen von Kolleg:innen werden von 44 % der Ärzt:innen als hilfreich eingeschätzt. Was zählt bei der Wahl der Fortbildung? Entscheidend für die Auswahl eines Angebots ist vor allem der Inhalt, sagen die befragten Ärzt:innen: Thema und fachlicher Fokus stehen an erster Stelle. Aber auch praktische Faktoren wie Termin, Veranstaltungsort und die Qualität der Vortragenden beeinflussen die Entscheidung maßgeblich. Persönliche Erfahrungen mit früheren Veranstaltungen werden ebenfalls stark berücksichtigt. Fortbildungsbedarf: Psychiatrie im Vordergrund Ein deutliches Signal senden die Ärzt:innen mit ihren Themenwünschen. Besonders groß ist der Bedarf an Fortbildungen im Bereich Psychiatrie – gefolgt von Geriatrie, Chirurgie/Orthopädie und Pädiatrie. Aber auch die Allgemeinmedizin wird von vielen als Bereich mit zusätzlichem Fortbildungspotenzial genannt. Bei den spezifischen medizinischen Themen liegen bildgebende Verfahren, allgemeinmedizinische Inhalte und Notfallmedizin vorne. In Bezug auf nicht-medizinische Inhalte interessieren sich viele für rechtliche Themen – hier wurden unter anderem Medizinrecht, Arbeitsrecht und Telemedizin genannt. Online suchen, Präsenz bevorzugt Die Organisation der Fortbildungen erfolgt überwiegend digital: Etwa 70 % der Befragten suchen, buchen und bezahlen ihre Fortbildungen online. Das Absolvieren der Weiterbildung wird hingegen differenzierter gesehen, hier sind die Präferenzen sehr unterschiedlich: Ein Viertel der Befragten bevorzugt Präsenzveranstaltungen – der persönliche Austausch mit Kolleg:innen wird als besonders wertvoll angesehen. Etwa 20 % hingegen schätzen Online-Angebote, vor allem wegen ihrer Flexibilität sowie der Zeit- und Kostenersparnis. Fokus auf Praxisrelevanz Trotz des breiten Angebots sehen viele Befragte Verbesserungspotenzial – insbesondere bei der Praxisrelevanz mancher Fortbildungen. Der Wunsch nach konkretem Nutzen für den Berufsalltag ist deutlich spürbar und sollte künftig verstärkt berücksichtigt werden. Zur Umfrage Teilgenommen haben an der aktuellen Umfrage 300 Ärzt:innen. Unter ihnen waren rund 41 % Allgemeinmediziner:innen, 51 % Fachärzt:innen und 8 % befanden sich noch in Ausbildung. Fast die Hälfte der Teilnehmenden war zwischen 36 und 55 Jahre alt – eine Altersgruppe, die mitten im Berufsleben steht und sich besonders stark mit der laufenden fachlichen Weiterentwicklung auseinandersetzt. UMFRAGE
16 ÆRZTE Steiermark || 05|2025 BUCHPRÄSENTATION Humor trifft Herz: Ein Buch zur Orientierung für Patient:innen Mit einem kleinen Buch möchte man künftig für ein bisschen mehr Leichtigkeit im Spitalsalltag sorgen. Dass Infos über Abläufe im Krankenhausalltag auch auf humorvolle Weise vermittelt werden können, wird darin vom Arzt und Kabarettisten Ronny Tekal bewiesen. „Neu hier oder Stammgast?“ Das fragt die Publikation, die künftig in den Häusern der KAGes aufliegen wird. Krankenhausaufenthalte sind schließlich oft mit Unsicherheit und Anspannung verbunden. Um dem entgegenzuwirken, hat man gemeinsam mit dem Kneipp Verlag ein innovatives Patient:innenhandbuch herausgebracht. Wie der Titel „Neu hier oder Stammgast? – Alles, was Sie über Ihren Aufenthalt wissen sollten (und ein bisschen mehr)“ schon verrät, steht hier nicht die trockene Vermittlung von Fakten im Zentrum. Infos liefert das Buch für Patient:innen zwar schon jede Menge, doch bei der Umsetzung stehen Menschen und Emotionen im Vordergrund. Verfasst vom Arzt und Kabarettisten Ronny Tekal, vermittelt das Buch medizinisches Wissen mit einer Prise Humor und menschlicher Wärme. Es erklärt Abläufe im Krankenhausalltag auf verständliche Weise und nimmt den Patient:innen die Angst vor dem Unbekannten. Kürzlich wurde das Buch im LKH-Univ. Klinikum Graz vorgestellt, wobei auch heitere Anekdoten aus dem Klinikalltag auf dem Programm standen, die die Bedeutung verständlicher und empathischer Kommunikation unterstrichen. „Ein Krankenhaus ist ein Ort, an dem sich Menschen oft verletzlich fühlen. Umso wichtiger ist es, dass wir als KAGes nicht nur medizinische Versorgung auf höchstem Niveau bieten, sondern auch Orientierung, Sicherheit und ein Gefühl von Zugewandtheit. Dieses Buch vermittelt all das – mit Sachverstand, Wärme und einer Prise Humor“, betonten KAGes-Vorstandsvorsitzender Gerhard Stark und KAGes-Vorstand für Finanzen und Technik Ulf Drabek. „Neu hier oder Stammgast?“ wird in allen KAGes-Häusern im stationären Bereich aufgelegt und dient dort als praktische Orientierungshilfe für Patient:innen. Foto: Thomas Raggam/The Schubidu Quartet Arzt und Autor Ronny Tekal hat seine langjährige Erfahrung im Gesundheitswesen mit Augenzwinkern und zugleich sehr respektvoll einfließen lassen.
CHARITY-EVENT Großer Erfolg: 1. Styrian Run Against Cancer Der allererste Styrian Run Against Cancer ist „gelaufen“: Über 1.400 Läufer:innen haben die 5 Kilometer lange Strecke durch die Grazer Innenstadt und den Stadtpark für den guten Zweck gemeistert. Foto: Schiffer Ein beeindruckendes Zeichen haben die Läufer:innen und Nordic-Walker:innen gesetzt, die sich am 26. April auf dem Grazer Karmeliterplatz im Startbereich drängelten, bevor der Startschuss für diese Premiere fiel. Sie alle haben als Teilnehmer:innen dieses Charity-Events im Kampf gegen Krebs gleich doppelt geholfen: Der Lauf hat nicht nur ein starkes Zeichen der Unterstützung und der Solidarität gesetzt. Zudem werden mit seinem Reinerlös sowohl die Krebsforschung an der Med Uni Graz als auch Projekte, die Krebspatient:innen am Universitätsklinikum Graz zu Gute kommen, gefördert. Besonders aufgefallen ist eine Gruppe von Freund:innen, die die Strecke mit Kinderwägen bestritten haben. Die Gruppe hat aus Solidarität mit Hannah teilgenommen, der Tochter einer Freundin, die im Alter von 2 Jahren mit mehreren Neuroblastomen diagnostiziert wurde. Die Eltern und die Kinder waren mit den Luftballonen an den Kinderwägen definitiv ein Blickfang auf der Strecke. Hannah und ihre Mutter konnten leider selbst nicht teilnehmen, da das Mädchen zu diesem Zeitpunkt eine Chemotherapie durchgestanden hat und sich in einem Isolierzimmer befand. Organisiert wurde der Lauf vom Universitären Krebszentrum Graz (Univ. CCC Graz), einer gemeinsamen Einrichtung von Med Uni Graz und LKHUniv. Klinikum Graz. Fotos: Foto Fischer
18 ÆRZTE Steiermark || 05|2025 TRANS-GENDER Um Himmels willen, ein Trans in meiner Praxis! Foto: Alfred Wachter Unter diesem provokanten Titel widmete sich die Grazer Ärztin MarieChristine Bertholin y Galvez in einem Vortrag der Frage, was man als Gesundheitsdienstleister:in über Trans-Gender wissen muss. Schon seit einigen Jahren hört und liest man immer mehr über das Thema Trans-Gender. Es erhält mehr Medienpräsenz, Serien und Filme behandeln die Thematik. „Es ist die logische Fortsetzung von Frauenbewegung und Homosexuellenbewegung“, meint MarieChristine Bertholin y Galvez. Die Ärztin leitet seit 2015 die sogenannte Trans-MannAmbulanz am LKH Univ.- Klinikum Graz und hat im Rahmen der Fachtagung „Sexuelle Gesundheit“ Ende April vor ihren Berufskolleg:innen einen Vortrag dazu gehalten. Das Wissen fehlt Information und Sensibilisierung sind Bertholin y Galvez sehr wichtig. „Verhältnismäßig geht es nämlich um eine sehr geringe Anzahl von Patient:innen und das hat zur Folge, dass nicht jeder Arzt bzw. nicht jede Ärztin schon mit einer Trans-Gender-Person in Kontakt gekommen ist. Es ist ein Thema, das lange nicht im Lehrplan behandelt wurde, und viele aktive Ärzt:innen hatten bisher noch keine Berührungspunkte.“ Deshalb dürfe man es ihnen auch nicht übelnehmen, dass teilweise das Wissen fehlen würde, jedoch sei eines wesentlich, betont die Expertin: „Eine Trans-Gender-Person wirft vielleicht meine persönlichen Vorstellungen von Anatomie über den Haufen. Ich darf überrascht sein und bekennen, dass ich das noch nicht gesehen habe, aber ich darf nie wertend sein, zentral muss immer die Wertschätzung und der Respekt gegenüber der Person sein – und gegenüber dem Weg, den diese Person gegangen ist.“ Fragen, wie eine Person angesprochen werden will Wenn man sich nicht sicher sei, in welchem Geschlecht eine Person ist, dann dürfe man auch einfach respektvoll fragen, wie sie angesprochen werden will. Auch bei non-binären Personen sei das zentral. „Wir Mediziner:innen glauben immer, dass wir alles wissen. Es ist aber keine Schande, etwas nicht zu wissen und nachzufragen“, sagt MarieChristine Bertholin y Galvez. Manches könne man als Außenstehende:r überhaupt nicht wissen, aber man könne immer wertschätzend gegenüber dem Menschen sein. Auf der Grazer Frauenklinik wurden schon seit vielen Jahren unter der Leitung von Prof. Tamussino Trans-Personen behandelt. In der von Bertholin y Galvez 2015 gegründeten Trans-Mann-Ambulanz werden aktuell rund 760 TransMänner betreut. Daher beträgt die Wartezeit auf einen Termin hier auch 3 bis 5 Monate. „Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die RoutineGesundheitsversorgung von Trans-Gender-Personen über die Hausärzt:innen läuft“, betont sie. „Wenn eine Hormontherapie im Raum steht, dann wird das von mir geplant und genau aufgeschrieben. Einzuleiten ist die Therapie dann aber von den Hausärzt:innen.“ Für diese ist die Expertin jederzeit gerne Ansprechpartnerin: „Klinik und Niedergelassenen sollten da immer ein Team sein. Ich stehe auch für Psycholog:innen und Psychiater:innen bei Bedarf telefonisch zur Verfügung. Die Abstimmung der Hormone läuft über meine Ambulanz oder, sollte ein Patient nicht im Warteraum der Frauenklinik warten wollen, auch gemeinsam mit den Endokrinolog:innen über die Med. Endokrinologie. Die Allgemeinmediziner:innen brauchen sich um die hormonelle Einstellung und Feinjustierung nicht zu kümmern.“ Berührungsängste überwinden In den meisten Fällen funktioniere diese Zusammenarbeit sehr gut. Bertholin y Galvez informiert die Kolleg:innen zum Beispiel über die Nebenwirkungen, die sich durch die Hormontherapie ergeben und die für die Hausärzt:innen zu beachten sind. Einmal pro Jahr kontrolliert sie die wichtigsten Parameter der Patient:innen auch in der Ambulanz, sagt sie zum Ablauf. Vermitteln möchte die Ärztin vor allem, dass „Hausärzt:innen ihre Scheu und ihre Berührungsängste überwinden müssen. Es kann eben sein, dass eine muskulöse Person mit Vollbart das Behandlungszimmer betritt, sich auszieht und eine Vulva hat. Identität ist kein Penis oder eine Vagina, Identität ist der Mensch als Ganzes. Doch wenn es um Bluthochdruck oder einen gebrochenen Zehen geht, dann müssen wir den Menschen nicht als Trans-Gender-Person, sondern als Menschen ansehen“. Davon unabhängige medizinische Probleme dürften nicht untergehen. „Das ist ein Skandal“ Negative Beispiele kennt sie aus der Praxis schließlich leider auch: „Ich habe einen Patienten mit Verdacht auf Leistenbruch an einen Chirurgen überwiesen. Er hat diesen mit der Diagnose ‚keine Nabelhernie‘ wieder weggeschickt, weil er den Patienten unter Nabelniveau nicht untersucht hat. Das ist ein Skandal und darf nicht passieren! Nur weil der Patient keinen Penis hat, kann es nicht sein, dass etwas anderes nicht korrekt untersucht wird. Es ist egal, welches Geschlecht darunter ist, im
Fall eines medizinischen Problems geht es um die Pathologie und nicht um die eigenen eingeschränkten Geschlechtsvorstellungen. Schließlich reduziere ich einen biologischen Mann auch nicht auf seinen Penis.“ Solche Berührungsängste müssten Ärzt:innen dringend unter Kontrolle bekommen, appelliert sie an ihre Berufskolleg:innen. Verstehen ist nicht gefragt Eines ist Marie-Christine Bertholin y Galvez abschließend besonders wichtig zu betonen: „Eine Frage, die ich seit zehn Jahren, die ich in diesem Bereich tätig bin, immer wieder gestellt bekomme, lautet: ‚Warum machen die das?‘ Darauf kann ich nur sagen: Das ist der völlig falsche Ansatz. Es ist nicht die Frage, ob ich persönlich verstehen kann, warum jemand sein Geschlecht ändert, und vielleicht werden Menschen, die nicht betroffen sind, das auch nie verstehen oder nachvollziehen können. Ich muss mir nur darüber klar werden, dass man, wenn man in seinem eigenen Körper zuhause ist, privilegiert ist. Wenn mir bewusst ist, dass mein Körper nicht mein Feind, sondern mein Rückzugsort ist, kann ich mir auch bewusst machen, wie es wäre, wenn das nicht der Fall ist.“ Gender und sexuelle Identität Gender (von engl. gender, „soziales Geschlecht“) bezeichnet das soziale Geschlecht, also Geschlechtseigenschaften, die eine Person in Gesellschaft und Kultur beschreiben, im Gegensatz zum rein biologischen Geschlecht (engl. sex, „biologisches Geschlecht“). Im Bereich der sexuellen Identität werden CIS-Gender, Trans-Gender, Nonbinär und Queer (Sammelbegriff für alle Personen, die nicht der heterosexuellen Geschlechternorm entsprechen) unterschieden. TRANS-GENDER Die Ärztin Marie-Christine Bertholin y Galvez leitet die TransMann-Ambulanz am LKH Univ.- Klinikum Graz. ÆRZTE Steiermark || 05|2025 19
20 ÆRZTE Steiermark || 05|2025 FORSCHUNGSPROJEKT PräNUDGE: Digitale Gesundheitsmotivation Das kürzlich gestartete FFG-Projekt PräNUDGE wurde mit dem Ziel ins Leben gerufen, die Anzahl gesunder Lebensjahre der Bevölkerung Österreichs zu erhöhen. Für Ärzt:innen ergeben sich konkrete Vorteile: Sie sollen verfügbare Daten für die Präventionsarbeit nutzen können. Digitalisierung in der Medizin ist ein heißes Thema. Fitness- und Gesundheitsapps begleiten viele durch ihren Alltag. Gerade wenn es viele Daten gibt und diese verknüpft werden, kann das helfen, Gesundheitsförderung und Prävention effizienter zu gestalten. Im Projekt PräNUDGE liegt genau darauf der Fokus. Durch die Kombination von evidenzbasierter Gesundheitsförderung mit Nudging-Strategien – damit ist das gezielte Anstoßen von Verhaltensänderungen gemeint – sollen Menschen zu gesünderem Verhalten motiviert werden. Nicht profitorientierte Plattform „Wir entwickeln im Rahmen des Projekts PräNUDGE eine Plattform zur Integration standardisierter Lebensstildaten aus Apps. So sollen Gesundheitsdienstleister und öffentliche Institutionen verfügbare Daten besser für die Präventionsarbeit nutzen können“, erklärt Projektleiter Franz Feichtner vom Institut Joanneum Research HEALTH in Graz. Im Gegensatz zu kommerziellen Fitness- und GesundheitsApps wie Garmin oder Apple Health liegt der Mehrwert von PräNUDGE in der Integration von Gesundheitsdaten auf einer nicht profitorientierten Plattform. Der Wert von Daten hängt unter anderem von ihrer Qualität und Interoperabilität ab. Deswegen wird bei PräNUDGE ein Qualifizierungsprozess für Gesundheits-Apps entwickelt, der nicht nur die Nutzbarmachung der Daten sicherstellt, sondern auch die Vertrauenswürdigkeit der Apps in der Bevölkerung erhöhen soll. Die Plattform bündelt die Gesundheitsdaten aus unterschiedlichen Quellen. Qualifizierte Apps bilden die Schnittstelle zwischen Bevölkerung und der Plattform. Vier österreichische Unternehmen werden die Grundlagen dafür aufbauen: Medicus AI, dccx, telbiomed und Kurvenkratzer. Mehrwert für Ärzt:innen PräNUDGE soll in Zukunft einen entscheidenden Vorteil für Ärztinnen und Ärzte bieten. Während derzeit präventionsrelevante Daten wie Bewegungs-, Ernährungs-, Schlaf- oder psychische Gesundheitsinformationen oft nicht vorliegen, könnte eine systematische Erfassung und Bereitstellung dieser Daten im Rahmen des PräNUDGE-Systems medizinische Entscheidungen unterstützen. So wären etwa der Alkoholkonsum oder Belastungsfaktoren am Arbeitsplatz nicht nur isoliert, sondern im Kontext anderer Gesundheitsparameter sichtbar, erklärt Experte Franz Feichtner, wie der Mehrwert für die Ärzt:innen in Zukunft aussehen kann, wenn die Plattform eingerichtet ist. Das Projekt fokussiert zu Beginn auf die Erhebung von Gesundheitsdeterminaten, die die Entwicklung der Krankheiten Diabetes, Darmkrebs, Depression und COPD beeinflussen, könnte aber auf andere Bereiche ausgedehnt werden. Gesundheits-Apps und ihre Daten sind Teil unseres Alltags - ein neues Projekt will sie bündeln und einen Mehrwert für Ärzt:innen generieren. Foto: envato/leungchopan
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