AERZTE Steiermark | Oktober 2022

28 Ærzte Steiermark || 10|2022 Fortbildung Foto: Med Uni Graz Von einer „Revolution in der Onkologie“, die in den vergangenen zehn Jahren stattgefunden habe, spricht Philipp Jost, Professor für Onkologie an der Med Uni Graz und Leiter der Abteilung für Klinische Onkologie am Grazer Universitätsklinikum. Von ebendieser „Revolution“ berichtete er am Steirischen Krebstag 2022. Gemeint ist die molekulare Onkologie, die genetische Analyse von Tumorgewebe, um auf Basis der Ergebnisse ungeeignete Therapien ausschließen zu können und die bestmögliche zu finden. Diese präzisionsonkologischen Therapien versuchen die Mechanismen in Tumorzellen zu unterbrechen, die das Wachstum des Tumors anregen oder dessen Überleben sichern. Zudem wird versucht das Immunsystem scharfzuschalten, sodass es sich im besten Fall gegen die Krebszellen richtet. Ein Drittel der Patient*innen Immer häufiger werden den herkömmlichen organspezifischen Tumorboards Molekulare Tumorboards (MTB) nachgeschaltet, wenn mit den Standardtherapien der gewünschte Erfolg nicht zu erzielen war – oder bei sehr ungewöhnlichen Verläufen und Tumorentitäten, gegen die es noch keine Standardtherapie gibt. „In internationalen Zentren sind bereits bis zu 20 Prozent der Patientinnen und Patienten in das Molekulare Tumorboard eingeschlossen“, berichtet Jost. InGrazprofitierenderzeit rund zehn Tumorpatient*innen pro Woche davon. „Zuvor wird immer geprüft, ob der Allgemeinzustand und die Therapiesituation eine molekulare Analyse sinnvoll erscheinen lassen.“ Molekulare Tumorboards sind – wie die „klassischen“ – stets interdisziplinär besetzt, mit Expertinnen und Experten aus den Bereichen Pathologie, Humangenetik, Bioinformatik, Molekularbiologie und entsprechend spezialisierten Onkolog*innen. Tablette gegen den Krebs Durchschlagende Therapieerfolge konnten bereits bei Patient*innen mit fortgeschr it tenem, metastasierendem Lungenkarzinom und Vorhandsein spezifischer genetischer Biomarker erzielt werden, aber auch bei Krebserkrankungen mit Mikrosatelliteninstabilität, bei denen Mutationen im DNAReparatursystem vorliegen. Ebenso bei den seltenen Tumoren mit NTRK-Genfusionen (Neurotrophe KyrosinRezeptor Kinase). In all diesen Fällen kann mitunter allein durch die Gabe von zielgerichteten oder immunologisch wirksamen Medikamenten eine Remission, manchmal sogar langfristig, erwirkt werden. Die eingesetzten Medikamente werden zunächst meist von der pharmazeutischen Industrie gestellt, bevor sie im Fall des Erfolges für die onkologische Indikation zugelassen und als Standardtherapie implementiert werden. Noch offene Fragen An ihre Grenzen stößt die molekulare Onkologie derzeit noch bei der Priorisierung mehrerer para l lel auf tretender molekularer Veränderungen in ein- und derselben Tumorzelle, aber auch in der Zusammenstellung von Kombinationstherapien. „Aus der antiviralen Therapie, etwa gegen HIV, wissen wir, dass oft nur Doppel- und Dreifachtherapien wirksam sind. Hierdurch sollen Resistenzentwicklungen in Tumorzellen reduziert werden. Zur Vermeidung von NebenMolekulare Diagnostik spart Therapiekosten Am Steirischen Krebstag gab der Onkologie-Professor der Med Uni Graz Einblick in den Ansatz der Molekularen Tumordiagnostik und die daraus resultierenden Therapieoptionen. Im Gespräch mit AERZTE Steiermark benennt er aber auch noch offene Fragen. „Kann durch molekulare Diagnostik eine Krebserkrankung früher gefunden oder gar geheilt werden, können Zehntausende Euro an Therapiekosten gespart werden.“ Philipp Jost

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