AERZTE Steiermark | Oktober 2022

Arzt im besonderen dienst ursula scholz „Es ist eigentlich ein Wahnsinn, dass meine Eltern das zugelassen haben.“ Wen Jan Jagiello an seine Anfänge im Segelflug denkt, wundert er sich heute darüber, dass er dafür die elterliche Erlaubnis erhalten hat. „Ich bin ab 14 allein mit Zug und Rad von Unzmarkt zum Flugplatz in Zeltweg gefahren und habe dort in der Flugsportgruppe Steirisches Oberland mit der Vorbereitung für den Flugschein begonnen.“ Die Eltern, ein Maschinenbauingenieur und eine Psychotherapeutin, hatten keinerlei Affinität zum Flugsport, setzten aber großes Vertrauen in ihren Sohn. Dieser hatte schon als Kind begeistert Modellf lugzeuge gesteuert. Selbst zu f liegen war für ihn sozusagen nur ein Schritt nach vorne, die logische Konsequenz des jugendlichen Entdeckerdrangs. Retrospektiv ist sich Jagiello aber auch sicher, dass er mit 15 Jahren bereits ausreichend verantwortungsbewusst für seinen ersten Alleinflug war. Noch heute könne er nicht nur das Fluggerät, sondern auch das Risiko gut steuern, betont er. „Ich habe das Gefühl, meinen Ehrgeiz gut im Zaum halten zu können.“ Beherzt entscheiden Als Arzt wie als Segelflieger sei er es gewohnt, viele Entscheidungen unter Druck fällen zu müssen. Denn das Segelflugzeug sinkt nun einmal stetig und kann nur durch die Thermik an Hängen oder unter Wolken wieder an Höhe gewinnen. Gelingt das nicht in ausreichendem Maß, muss Plan B, die Außenlandung, hochkonzentriert vorbereitet und durchgeführt werden. Die Frage, ob Jagiello diese beherzte Entscheidungsf indung schon als Teil seines Charakters mitgebracht oder erst durch das Segelfliegen erlernt habe, kann er selbst nicht beantworten. „Entweder, man gewinnt diese Fähigkeit durch den Sport – oder es bleiben nur diejenigen beim Fliegen, die von Anfang an über diese Entscheidungsgabe verfügen“, räsoniert er. „Viele, die mit dem Segelfliegen beginnen, hören ja auch relativ rasch wieder damit auf.“ Basierend auf fundiertem Wissen, aber in der Akutsituation intuitiv entscheidet JaGleiten bis zur nächsten Wolke Der obersteirische Neurologe Jan Jagiello beruhigt – und kitzelt – die eigenen Nerven beim Segelfliegen. Weil er als Arzt keinen Zeitpuffer mehr für weit entfernte Außenlandungen hat, verfügt sein aktuelles Flugzeug aber auch über einen Motor. giello auch in der Notfallmedizin. Akribisch detektivisch sieht hingegen die Anamnese in seinem Fach, der Neurologie, aus. Dabei schätzt er es, die Patienten angreifen zu müssen und ihnen auch im Gespräch so nahe zu kommen, dass er sie einschätzen kann. Reine Labormedizin wäre folglich nichts für ihn gewesen. Entscheidung des Zufalls Inspiriert durch einen fabelhaften Biologieunterricht am Bundesgymnasium in Judenburg, begann sich der heute 39-jährige Jagiello für Medizin zu interessieren und ging zum Studium nach Graz. Von Neurologie war damals aber noch keine Rede. „Lange Zeit wollte ich dann Unfallchirurg werden“, erzählt er. „Im Laufe der Studienzeit ist mir zunehmend klar geworden, wie sehr dieser Job mit körperlicher Schwerarbeit verbunden ist – und dass er wohl nur geeignet ist, solange man jung und gesund ist.“ Gegen Studienende kristallisierten sich schließlich die Kinderheilkunde und die Neurologie als erstrebenswerte Fachrichtungen heraus; die endgültige Entscheidung fällte der Zufall. „Meine Frau und ich haben unser Studium zugleich beendet und sind, um der Wartezeit auf einen Turnusplatz in Österreich zu entgehen, nach Deutschland gezogen. Sie wollte unbedingt Gynäkologin werden und in Ravensburg, wo sie eine Stelle bekommen hat, konnte ich zeitgleich auf der Neurologie mit meiner Ausbildung beginnen.“ Als fertige Fachärzte – und mittlerweile vierköpfige Familie – kehrten sie im Jahr 2017 in die Steiermark zurück, 14 Ærzte Steiermark || 10|2022

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