Ærzte Steiermark || 10|2022 13 cover gefühle zu wiederkehrenden Albträumen, Schlafstörungen, Angst- und Panikattacken, Suchtverhalten, Zynismus oder zu massiven Selbstzweifeln führen. In Folge traumatisierender Erlebnisse kommt es auch zum Burnout oder zur Aufgabe des Arztberufs. Mitstreiter*innen gesucht Sämtliche Mitarbeiter*innen des Vereins stellen ihre Expertise ehrenamtlich zur Verfügung, die Telefonhotline und andere anfallende Kosten werden über Spendengelder und den Hauptsponsor, die Wiener Städtische Versicherung, finanziert. „Wir suchen gerne weitere Mitstreiter*innen“, betont Potura. Einen prominenten Unterstützer hat der Verein im ehemaligen Gesundheitsminister Rudolf Anschober gefunden, der kürzlich eine Benefizlesung seines Werkes „Pandemia. Einblicke und Aussichten“ im Wiener Tunnel zugunsten von Second Victim durchgeführt hat. Das Angebot des Vereins sieht sich nicht als Ersatz für, sondern als Ergänzung des Hilfsangebots der Arbeitgeber. Eva Potura selbst spricht mit großer Wertschätzung über die Unterstützung, die Krankenanstalten für ihre Mitarbeitenden zur Verfügung stellen. Das explizite Bedürfnis nach externer Hilfe entsteht wohl auch aus dem Wunsch, in hundertprozentiger Ano- nymität vollkommen offen sprechen zu können. „Fragt man Mitarbeiter*innen, welche Art von Hilfe sie sich wünschen, wollen 63 Prozent außerhalb der Organisation Hilfe suchen und weniger als die Hälfte innerhalb der Organisation“, berichtet Potura. Auch innerhalb des Krankenhausteams lassen sich die Folgen dramatischer Erlebnisse teilweise abfangen, indem sofort nach einem Ereignis ein Critical Incident Stress Debriefing stattfindet. In Poturas Arbeitsumfeld wird es bereits praktiziert, stößt aber auch auf ärztlichen Widerstand: „Wir hören auch oft ,keine Zeit`, weil wir den innerlichen Stress haben, die Patient*innen jetzt zu versorgen, die wegen des Zwischenfalls eh schon lange warten. Doch auch diese Patient*innen haben eine sichere und adäquate Behandlung in Ruhe verdient“, betont die Intensivmedizinerin. „Debriefings sind aber wichtig für UNS. Niemand hat etwas davon, wenn wir alle irgendwann wegbrechen.“ Der Brand, der vor der Pandemie schon schwelte, als Arbeitsverdichtung und Überlastung schon Thema waren, loderte durch COVID-19 so richtig auf: Laut einer belgischen Studie sind Stress, Schlafstörungen und Depressionen beim Gesundheitspersonal um das Siebenfache angestiegen. Über den Verein soll im kommenden Jahr eine Peer-Ausbildung in psychologischer Erster Hilfe angeboten werden, damit in Akutsituationen Menschen vor Ort zeitnah helfen können. Menschen, die mit derartigen Situationen vertraut sind. Und Poturas eigenes Rezept, eine kritische Berufssituation zu verarbeiten? „Ich denke, ein Patentrezept gibt es nicht, das ist sehr individuell. Für mich ist es, laute Musik zu hören und Sport zu machen, reden, reden, reden – auch mit professionellen Therapeuten.“ Wie erreiche ich Second Victim? Die Hotline unter 0720 70 43 44 ist montags von 9.00 bis 11.00 Uhr und donnerstags von 17.00 bis 19.00 Uhr erreichbar. Es fallen die normalen Telefonkosten an. Außerhalb dieser Zeit beraten Expert*innen unter beratung@secondvictim.at. Das Fortbildungsangebot – am 1.12.2022 steht ein Modul für Zeitmanagement auf dem Programm und im Jänner eines für Konfliktmanagement – ist unter www.secondvictim.at/ fortbildungen/ einzusehen. Viele Weiterbildungen finden auch online statt. Im CIRSmedical-Podcast erklären Eva Potura und Artur Wechselberger, Referent für Qualitätssicherheit und Qualitätsmanagement in der ÖÄK, alles Wissenswerte zu Second Victim; nachzuhören unter: www.secondvictim.at Fehler – auch folgenlose – können die Verursacher*innen schwer traumatisieren und zu „Second Victims“ machen. Diesen Betroffenen will der Verein Second Victim helfen. Foto: Adobe Stock
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