AERZTE Steiermark | Juli August 2022

ÆRZTE Steiermark || 07_08|2022 9 COVER Abteilung für Umweltmedizin im Zentrum für Public Health der MedUni Wien, anlässlich der Präsentation des Buches „Medizin im Klimawandel. Ein Leitfaden für die Praxis“ im Juni 2022 (siehe dazu auch das Interview mit Hans-Peter Hutter auf Seite 10/11). „Medizinischer Notfall“ Noch drastischer ist der Text eines gemeinsamen Kommuniqués der deutschsprachigen Ärzteorganisationen aus Deutschland, Südtirol, der Schweiz, Liechtenstein, Luxemburg und Österreich, der im Juli 2022 bei der Konsultativtagung in Meran unterzeichnet wurde. Darin wird der Klimawandel als „medizinischer Notfall“ bezeichnet. „Die Teilnehmer der 67. Konsultativtagung der deutschsprachigen Ärzteorganisationen sprechen sich dafür aus, den Klimaschutz auch in das alltägliche Handeln der ärztlichen Organisationen zu integrieren“, heißt es darin weiter. Der Gesundheitssektor selbst sei ressourcen- und emissionsintensiv. Er habe daher ein beträchtliches Potenzial, selbst einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, indem er das Gesundheitssystem und damit auch die Rahmenbedingungen leren Räumen und an schattigen Orten (z. B. Bäume als Schattenspender), das Tragen luftiger Kleidung aus Naturfasern, unterstützt durch ausreichenden Sonnenschutz mit hohem Schutzfaktor sowie Tragen einer Kopfbedeckung und Sonnenbri l le, ausreichender Insektenschutz in der direkten Hautexposition unterstützt durch Maßnahmen der Insektenabwehr von Gebäuden (z. B. Insektengitter); für Allergiker*innen: Beachtung besonderer Pollenflugzeiten; bei Inkontinenzhilfen Verzicht auf synthetische Materialien unter Vermeidung von Plastik- und Kunststoffanteilen. Spezifisch sind die Empfehlungen für den Umgang mit Medikamenten: „Arzneimittel sind in der Regel nicht licht- und wärmebeständig – daher Achtung bei der Lagerung. Auch muss eventuell die Medikation angepasst werden: Bei hohen Temperaturen wird bei einer Reihe von Medikamenten der Umsatz durch die erhöhte Herz-Krei s lauf-Belas tung schneller erfolgen als unter normalen Bedingungen. Und gerade bei Hitzewellen kommen Patient*innen oft aus ihrem zeitlichen Einnahmefür die ärztliche Tätigkeit klimafreundlich gestaltet, so das Papier passend zu den Einschätzungen des Grazer Wegener Centers. Aber was kann der Gesundheitsbereich praktisch tun? Mögliche Antworten finden sich im Buch „Medizin im Klimawandel“. „In der Al lgemeinmedizin wird der Mensch stets in seiner Gesamtheit wahrgenommen. Deshalb müssen wir auch die möglichen gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels in einem sehr breiten Spektrum betrachten. Je nach vorherrschender Klimaveränderung werden sich auch im Vordergrund stehende Symptome und Krankheitsbilder präsentieren“, schreibt die oberösterreichische Al lgemeinmedizinerin Angelika Reitböck darin. Konkrete Vorschläge für die Patientinnen und Patienten sind ausreichende Flüssigkeitszufuhr unter Vermeidung übermäßiger Kalorienzufuhr, Reduktion von sehr eiweißreichen, salz- und zuckerhältigen Nahrungsmitteln zu Gunsten von erhöht wasserha lt igen Nahrungsmitteln (z. B. Früchte und Gemüse), Vermeidung exzessiver Hitzeeinwirkungen durch Aufenthalt in kührhythmus heraus, weil sie beispielsweise nachts nicht gut schlafen. Das Medikament wird unter Umständen schneller metabolisiert. Um diese therapeutische Lücke zu schließen, kann im Einzelfall eine andere Dosierung oder die Ergänzung mit einem Arzneistoff zur Herz-Kreislauf-Stabilisierung notwendig sein. Ein weiterer Schwerpunkt ist wenig überraschend die Allergologie, ist doch eine prognostizierte Auswirkung der Klimaerwärmung eine früher einsetzende und länger dauernde Blüte (auch) für Pol lenal lergiker*innen relevanter Pf lanzen. Wobei nicht immer der Klimawandel „schuld“ ist: Die natürlich gar nicht vorkommende, aber im städtischen Umfeld bel iebte Purpurerle blüht im Dezember und macht Pol lenal lergiker*innen das Leben schwer, Wochen bevor die heimischen Grau- und Schwarzerlen in der Regel zu blühen beginnen. Aber, so der Wiener HNOArzt Markus Berger vom Pollenwarndienst der Medizinischen Universität Wien, „der Klimawandel begünstigt die Ausbreitung neuer Pflan- „Je nach vorherrschender Klimaveränderung werden sich auch im Vordergrund stehende Symptome und Krankheitsbilder präsentieren …“ Angelika Reitböck, Allgemeinmedizinerin

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