AERZTE Steiermark | Juni 2022

Fortbildung Hauben, Masken, Schutzbrillen, Schürzen, Überschuhe, bei den Schutzanzügen am besten die Manschetten gut verklebt – in einer Ausbruchssituation werden die Hygienemaßnahmen hochgefahren, um das Bestmögliche zu tun. Aber was ist das Beste? Kennt man den Erreger und seine Übertragungswege, sei die Zeit gekommen, ebendiese Maßnahmen auf ihre Sinnhaftigkeit hin zu überprüfen, erklärt die Direktorin des Innsbrucker Med-Uni-Instituts für Hygiene und Mikrobiologie, Cornelia Lass-Flörl. Denn wozu dienen zwei Paar Handschuhe übereinander bei einem Erreger, der via Tröpfchen und Aerosol übertragen wird? „Ich mache persönlich oft die Erfahrung, dass Schutzmaßnahmen entweder gar nicht oder überzogen durchgeführt werden“, so Lass-Flörl. Das Gros entsteht endogen Entgegen der öffent lichen Wahrnehmung seien es im Krankenhausa l ltag nicht die multiresistenten Erreger, die das Gros der nosokomialen Infektionen ausmachen. Rund eine halbe Million jährliche Infektionen mit „normalen“ Erregern stehen in Österreich etwa 30.000 mit multiresistenten und 1.500 mit solchen, die gegen fast alle Antibiotikaklassen resistent sind, gegenüber. Acht von zehn nosokomialen Infektionen haben endogene Ursachen; lediglich 20 Prozent sind exogen verursacht. Lass-Flörl plädiert für persona l isier te Hygienemaßnahmen, unter Einbezug der Immunkompetenz der/des Patient*in, der Eigenschaften der Mikrobe, des Vorhandenseins von Co-Infektionen, der Dauer der Exposition und des Übertragungsweges. Gerade den Letztgenannten zu identifizieren ist bei einem neu auftretenden Erreger allerdings eine große Herausforderung. Drei Wege Die Wahl der richtigen Schutzkleidung und Hygienemaßnahmen solle, so Lass-Flörl, unter Berücksichtigung des Übertragungsweges erfolgen, wovon es prinzipiell drei verschiedene gebe: die (in)direkte Kontaktübertragung (Schmierinfektion) sowie die Übertragung mittels Tröpfchen oder Aerosolen. Dementsprechend sei zusätzlich zur normalen Basishygiene eine Kontaktisolation, Tröpfchenisolation oder Aerosolisolation angebracht. „Mehr personalisierte Hygiene!“ Die Innsbrucker Fachärztin für Hygiene und Mikrobiologie und Direktorin des Institutes für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie der Med Uni Innsbruck, Cornelia Lass-Flörl, hat in einem Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreihe Giftige Dienstage zusammengefasst, wann welche Schutzkleidung sinnvoll ist. Schmierinfektionen lassen sich durch konsequente Händehygiene und Desinfizieren von Handschuhen und Instrumenten hintanhalten. Tröpfchen werden beim Husten, Niesen, aber auch Sprechen ausgestoßen; über das normale Maß hinausgehend bei medizinischen Maßnahmen wie Bronchoskopie, Sputuminduktion oder Absaugen. Sie fallen rasch zu Boden, eine Infektion findet statt, wenn sie direkt auf die Schleimhaut treffen, also bei kurzem Abstand im Face-to-Face-Kontakt. Hier verhindert der MundNasen-Schutz sehr effizient die Übertragung, allerdings wird er schnell durchgefeuchtet und muss entsprechend oft gewechselt werden. Am herausforderndsten ist die Verhinderung der aerogenen Übertragung, wo der Erreger ohne Face-to-Face-Kontakt weitergegeben werden kann. Hier braucht es schwebstofffilternde Masken und eine spezielle Raumlufttechnik. Personalressourcen schonen Die Bedeutung der einzelnen Schutzmaßnahmen im Krankenhaus beginnt bei der Händehygiene, gefolgt von Desinfektion (Haut, Fläche, Instrumente) und einem durchdachten Antibiotikamanagement und – je nach Erreger – dem Mundschutz. „Dann kommt lange, lange nichts … und dann erst Kittel, Haube und Einmalschürze“, so Lass-Flörl. Die Aufgabe des Schutzkittels bestünde darin, die Arbeitskleidung vor einer Durchfeuchtung mit Blut, Urin, Stuhl oder Waschwasser zu schützen. Die Haube wiederum sei zu tragen, um bei invasiven Eingriffen weder Hautschuppen noch Haare in das Operationsgebiet zu bringen. Eine Schutzbrille schütze die Konjunktive, wenn mit dem Verspritzen von potentiell infektiösem Material zu rechnen sei, bei Operationen oder dem Absaugen von Sekreten. Überschuhe halten zwar die Station sauber, spielen aber „keine Rolle in der Prävention von Infektionen“. Auch die Desinfektion von Essenswagen der COVID-Station binde Personalressourcen, verhindere aber wohl keine Infektion. Ein Fokus auf nicht relevante Schutzmaßnahmen kann sogar fälschlicherweise ein Gefühl des sauberen Arbeitens suggerieren und zu Unachtsamkeit in wesentlichen Bereichen führen. Illu: Adobe Stock Ærzte Steiermark || 06|2022 19

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