AERZTE Steiermark | Mai 2022

Ærzte Steiermark || 05|2022 27 26 Ærzte Steiermark || 05|2022 Sexuelle Belästigung Sexuelle Belästigung 53. Internationaler Seminarkongress 28. August bis 02. September 2022 Vorläufiges Programm: • Notfallversorgung inkl. des pädiatrischen Notfalls (Anerkennung als D-Arzt-Fortbildung) • Aktuelles aus der Rheumatologie: Rückenschmerz, Muskelschmerz, Erschöpfung • Innere Medizin: Differentialdiagnose im fachspezifischen Austausch • Seltene Erkrankungen: Diagnostik unter Einbeziehung digitaler Anwendungen • Umweltmedizin, Reisemedizin im Zeitalter der Globalisierung und des Klimawandels • Ethische Beratung in der ambulanten und stationären Versorgung • Psychosomatische Grundversorgung (Theorie) • Gesundheitspolitik: Neuausrichtung der medizinischen Versorgung: national (Vorgaben der neuen Bundesregierung) und international im deutschsprachigen Raum • DMP: KHK, Diabetes mellitus I und II, COPD/ Asthma Save the Date Veranstalter: Foto: Fabio Parenzan in Grado/Italien Zero Tolerance Die Berliner Charité hat klare Vorgehensweisen im Falle sexueller Belästigung festgelegt und zieht nach einer Zeit der Anwendung nun Bilanz. Entscheidend sei, so die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte der Charité, Christine Kurmeyer, dass sich die gesamte Führungsebene explizit zu einer Zero-Tolerance-Strategie bekennt. Foto: Adobe Stock Das österreichische Gleichbehandlungsgesetz definiert sexuelle Belästigung als „ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt und für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist“. Die Belästigung kann vom Arbeitgeber, einem Kollegen oder einem Dritten (z. B. einem Patienten) ausgehen und es zählt zu den Pflichten des Arbeitgebers, eine angemessene Abhilfe zu schaffen. Die Definition lässt viele Interpretationen zu – und diese Unschärfe zeigt sich auch in der Praxis. „In unserer Watch-ProtectPrevent-Studie hat sich gezeigt, dass viele Betroffene das als unangenehm empfundene Verhalten zunächst nicht als sexuelle Belästigung erkannt haben“, erzählt die Sozialpsychologin Christine Kurmeyer, Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte der Berliner Charité im Podcast der deutschen vorhandenen Beziehungen zwischen Ärzt*innen, Pflege, Patient*innen und Angehörigenkommt inder universitären Medizin noch das Zusammentreffen von Lehrenden und Studierenden dazu. Da es bei sexueller Belästigung häufig um eine Form der Machtdemonstration geht, sind diese hierarchischen Verhältnisse besonders zu beachten. Betroffene suchen zunächst oft einfach das Gespräch mit den Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten, um unter dem Siegel der Verschwiegenheit einmal mit jemandem reden zu können, um die Situation einschätzen zu können. Da die meisten in der Charité gemeldeten Fälle Übergriffe von Zahlreiche „Graubereiche“ ortet Kurmeyer im Bereich der sexuellen Belästigung: „Es beginnt mit Anstarren und Hinterherpfeifen und geht weiter mit unerwünschten Annäherungen per Mail oder WhatsApp-Nachrichten.“ Vergewaltigung, hält sie fest, sei keine Belästigung mehr, sondern eine Straftat. Anzügliche oder despektierliche Bemerkungen würden von den einen noch toleriert, von anderen hingegen als übergriffig empfunden, kämen aber viel häufiger vor als etwa unsittliche Berührungen. Eine nicht zielführende Reaktion sei Abwiegeln, wenn jemand sich in einer Situation unwohl fühlt (Hab dich nicht so …). In der „Richtlinie zur Prävention und zum Umgang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz“ der Charité ist daher explizit festgehalten: „Betroffene werden ausdrücklich ermutigt, (…) sich zur Wehr zu setzen.“ Zugesichert wird: „Den Betroffenen und passive Haltung zu drängen, sondern als Akteur zu stärken. Wie bei jeder Art von Zeugenschaft empfiehlt Kurmeyer außerdem, alle Fakten schriftlich festzuhalten: Wann hat wer wo bei wem was beobachtet. Präventiv arbeitet die Charité mit Kurzinterventionen für Teams inklusive WorkshopTeil. Die zentrale Frage an die Teammitglieder lautet „Welche Aussage möchten Sie nie Ärztezeitung. Für die Praxis hat sie eine klare Prämisse gefunden: „Alles, was eine Person als zu nah empfindet, muss geklärt werden.“ Und ernst genommen. „Keine beruflichen Nachteile“ Das Krankenhaus mit seinem Nahebezug zur Leiblichkeit und dem Überschreiten sonst üblicher Grenzen (bei körpernaher Behandlung oder in Gesprächen, in denen Patient*innen Dinge erzählen, die sie sonst für sich behalten) sei, so Kurmeyer, ein besonders anfälliger Ort für Situationen, in denen jemandem – auch unabsichtlich – zu nahe getreten wird. „Unsere Erhebung hat ergeben, dass rund 70 Prozent der Ärzt*innen bereits Erfahrungen mit sexueller Belästigung gemacht haben.“ Mit Patient*innen, Kolleg*innen oder Vorgesetzten, wobei auch Männer belästigt werden, wenn auch deutlich seltener. Personen aus dem Arbeitsumfeld (also nicht Patient*innen) betreffen, ist es den Meldenden oft wichtig, sich zwar selbst zu schützen, aber nicht als Nestbeschmutzer diffamiert zu werden. Betroffene agieren selbst Zeugen von sexueller Belästigung oder geschlechterdiskriminierendem Verhalten rät Kurmeyer, zunächst den oder die Betroffene*n anzusprechen, ob sie das Verhalten als störend empfunden haben (War das für dich noch okay?). Jenen, die sich gestört fühlen, sollte Unterstützung zugesagt werden (Möchtest du, dass ich diesbezüglich etwas unternehme?). Wichtig ist, den oder die Betroffene*n nicht in eine deren Zeugen entstehen durch das Ansprechen und Aufzeigen von Fehlverhalten keine beruflichen Nachteile.“ Diese Zusicherung fußt auf dem klaren Bekenntnis des gesamten Charité-Vorstands, sexuelle Belästigung und Diskriminierung am Arbeitspatz zu missbilligen, Betroffene zu schützen und entsprechende Vorkommnisse zu ahnden. Zugang zu Information schaffen Um einen niederschwelligen Zugang zu ihrem Beratungsangebot zu schaffen, wurde auf der Intranet-Startseite der Charité ein Alert-Button für Betroffene installiert, bei dessen Anklicken sofort erscheint, an wen sich Betroffene wenden können. Eine „Kitteltaschenkarte“ mit entsprechenden Kontaktdaten wurde verteilt und eine Broschüre erstellt, die auch auf die besondere Situation in der universitären Medizin Bezug nimmt: Neben den in allen Krankenhäusern wieder hören?“ Hat sich also jemand bloß gedankenlos in der Wortwahl vergriffen, werden derartige Belästigungen auch schlagartig auf hören, wenn ihre Unerwünschtheit klar ausgesprochen wurde. Kurmeyer betont, es sei ihr bewusst, dass die enorme Arbeitsverdichtung im Klinikumfeld oft einen Austausch in Ruhe verhindere, betont aber dessen Bedeutung „um die Arbeitsfähigkeit zu erhalten“. Pandemiestress und chronischer Personalmangel lassen sich in einem wohlwollenden Arbeitsklima nun einmal besser abfedern als in einem feindseligen. Haltung der Vorgesetzten Die Schweizer Pflegefachkräfte haben unter dem ironischen Titel „Verstehen Sie keinen Spaß, Schwester …?“ eine Broschüre mit Tipps gegen sexuelle Belästigung von Patient*innen herausgebracht, in der sie auch auf die Rolle von Ärzt*innen als aktiv helfende Vorgesetzte eingehen: „Entscheidend ist, dass Sie als Vorgesetzte oder Vorgesetzter sich bewusst sind, dass sexuelle Belästigungen durch Patienten vorkommen. Sie haben im Alltag ein Auge und ein Ohr für Hinweise auf Grenzüberschreitungen. Sie sind darauf gefasst, dass genau dann, wenn Sie keine Zeit haben und es am wenigsten erwarten, eine Meldung kommt …“ Auch in dieser Broschüre wird auf die Bedeutung präventiver Gespräche hingewiesen. Wenn jede*r weiß, wohin er oder sie sich wenden kann, ist schon der erste Schritt zur konstruktiven Aufarbeitung getan. Für LKH (KAGes) ist die Interne Psychosoziale Servicestelle (IPS, ips@kages.at, 0316/340 5505) zuständig. Sie bietet im Fall einer erfolgten sexuellen Belästigung unbürokratische Erstberatung (anonym und vertraulich) an. Dienstrechtlich geprüft werden Vorwürfe sexueller Belästigung vom Personalmanagement (personalmanagement@kages.at, 0316 340 5109) Am Universitätsklinikum Graz steht Ärzt*innen der Sicherheitsdienst zur Verfügung, wenn sie von Patient*innen belästigt werden. Bei Belästigungen durch Mitarbeiter*innen oder Vorgesetzte können sich Betroffene an die Kontaktperson für Frauenförderung und Gleichbehandlung wenden (OAR Astrid Feiwikl, astrid.feiwikl@klinikum-graz.at, 0316 385 87797), die der Verschwiegenheitspflicht unterliegt. Den an der Med Uni Graz angestellten Ärzt*innen steht zudem der Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen (akgl-buero@ medunigraz.at, 0316 385 72048) zur Verfügung. Auch der Arbeitsmedizinische Dienst oder der Betriebsrat helfen weiter. Bei den BHB ist die Opferschutzgruppe die erste Anlaufstelle für Betroffene. Sie wird von DGKP Rosa Heinzl koordiniert. Betroffene Ärzt*innen im Krankenhaus der Elisabethinen können sich direkt an die Kollegiale Führung wenden. Ansprechpartner ist der Ärztliche Direktor, Dr. Gerald Geyer, MBA, (0316/7063-6112, gerald.geyer@elisabethinen.at) Unabhängig vom Arbeitgeber können Betroffene die regionale Gleichbehandlungsanwaltschaft kontaktieren (graz. gaw@bka.gv.at, 0316 720 590). Anlaufstellen für Ärzt*innen in der Steiermark Charité-Gleichstellungsbeauftragte und Sozialpsychologin Christine Kurmeyer: „In unserer Watch-Protect-Prevent-Studie hat sich gezeigt, dass viele Betroffene das als unangenehm empfundene Verhalten zunächst nicht als sexuelle Belästigung erkannt haben.“

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