AERZTE Steiermark | Februar 2022
34 Ærzte Steiermark || 02|2022 Foto: Praxis s: KAGes/Sieber, Adobe Stock Ärztemangel war vorhersehbar Hätte das Thema Ärzteman- gel bereits früher breite Be- achtung gefunden, wäre es vermutlich einfacher gewesen, mit ihm umzugehen. Gerhard Stark, damals noch Ärztlicher Direktor der Elisabethinen Graz, und Siegfried Vöss- ner haben schon vor 2010 mit Hilfe eines von ihnen entwickelten Prognose-In- struments den spezifischen Ärztemangel, der jetzt allge- genwärtig ist, vorhergesehen. „Weil am Anfang nur wenige ein Phänomen erkennen, be- nötigt es eben Zeit, bis ein entsprechend großes Kollek- tiv das Thema als brisant wahrnimmt“, sieht er heute das damalige geringe Interes- se pragmatisch. Er kritisiert rückblickend dennoch, dass die Gesund- heitspolitik des letzten Jahr- zehnts an sich berechtigte Maßnahmen, wie das neue Krankenansta lten-Arbeits- zeitgesetz oder die Neustruk- turierung der Ausbildungs- ordnung, gesetzt hat „ohne Ressourcencheck, der Aus- kunft darüber gibt, ob denn überhaupt mittel- bis lang fristig die Umsetzungsmög- lichkeit gegeben ist“. Vorhersehbar Der Ärztemangel wäre jeden- falls bereits 2005 „vorherseh- bar“ gewesen. Erste Ursache: fehlende „Ausbildungsstellen bewirtschaftung“. Hinzuge- kommen seien dann das KA- AZG und ein wachsender Frauenanteil in der Ärzte- schaft. Dieser sei „an sich nur zu begrüßen“ und tue der Me- dizin gut. Karenzzeiten und ein zunehmender Wunsch nach Teilzeitbeschäftigung, der in der Gesellschaft gene- rell beobachtbar sei, führe aber zu einer Reduktion der durchschnittlichen Arbeits- zeit pro Kopf. Nicht zu vergessen ist eine geänderte Ausbi ldungsord- nung, die die Spezialisierung im Sinne der Differenzierung einzelner Sonderfächer weiter vorangetrieben hat (ein Um- stand, der wiederum Klein- strukturen mit all den Proble- men der Nachwuchsbildung fördert). Zusammenräumen Dennoch ist Stark der festen Überzeugung, dass auch heu- te noch Handlungsmöglich- Bereits vor mehr als zehn Jahren hat der nunmehrige KAGes-Vorstandsvorsitzende Gerhard Stark gemeinsam mit dem Betriebsinformatiker Siegfried Vössner von der TU Graz ein Prognose-Tool zum Ärztemangel entwickelt. Das hat damals nur die wenigsten interessiert. Der Handlungsspielraum ist enger geworden. keiten bestehen. „Zusammen- räumen“ ist für ihn der Weg. Aber was heißt das? „Wir müssen wieder mehr über In- halte nachdenken und Struk- turen auf die Inhalte hin per- manent prüfen und anpassen“, ist sein Credo. Ein banales Beharren auf Strukturen sei „zurzeit das größte Hemmnis, um dieser Problemstellung zu begegnen“. Konkurrenz Die Herausforderungen sind vielfältig. Natürlich wäre es sinnvoll, gezielte Nachwuchs- arbeit im Bereich Medizin zu tätigen, um junge Men- schen für Gesundheitsberufe zu gewinnen. Es sei jedoch zu bedenken, dass die „Be- geisterungsarbeit“ angesichts der demograf ischen Ent- wicklung von einer Vielzahl von Berufsvertretern und potenziel len Arbeitgebern außerhalb des Gesundheits- bereiches ebenfalls getätigt werde. Man befinde sich also in einem „bedeutsamen Kon- kurrenzumfeld“. Weiters gelte es zu berücksichtigen, dass jede Maßnahme zur Förde- rung in den Gesundheitsbe- rufen „erst in den nächsten Jahren wirksam wird“, also aufgrund der Ausbildungszeit keine Sofortwirkung hat. Es führe also kein Weg daran vorbei, „darüber nachzuden- ken, wie wir unser Handeln im Gesundheitswesen an die ge- gebenen Ressourcen – und hier handelt es sich in erster Linie um Know-how-Träger – best- möglich anpassen können“. Der Ärzte- (und Pflege-) mangel war bereits vor mehr als einem Jahrzehnt vor- hersehbar. Der nunmehrige KAGes-Vor- standsvorsit- zende Gerhard Stark hat ihn vorhergesehen. Doch auch jetzt kann man etwas tun, ist Stark über- zeugt.
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