AERZTE Steiermark | Februar 2022
Ærzte Steiermark || 02|2022 29 Foto: Fortbildung Opfern. In der Arbeit mit Op- fern sexueller Gewalt koope- riert die klinisch-forensische Untersuchungsstelle eng mit der Universitätsklinik für Frauenheilkunde. Sensibel kommunizieren Klasinc betont, wie wichtig es sei, gerade bei einem Ver- dacht auf Gewalt gegen Kin- der, jegliche Beschuldigung der Eltern oder anderer Be- gleitpersonen zu vermeiden: „Ich würde eher formulieren, dass ein Kind, um jeglichen Verdacht auf Misshandlung zu entkräften, zur Abklärung ins Krankenhaus geschickt werden soll.“ Sämtliche Verletzungsanzei- gen, die bei Kindern und bei schwerer Körperverlet- zung von Erwachsenen ja ver- pflichtend sind, sollten gegen unbekannt erstattet werden. In jeder Hinsicht beruhigt können Ärztinnen und Ärzte sein, die eine Verletzung ihrer Schweigepf licht befürchten, wenn sie mutmaßliche Ge- walt anzeigen. „Die Unver- sehrtheit einer Person ist ein höheres Gut als die ärztliche Schweigepf licht“, präzisiert die Gerichtsmedizinerin. Auch im direkten Gespräch mit einem erwachsenen mut- maßlichen Gewaltopfer ste- hen Ärztinnen und Ärzte vor einem kommunikativen Draht sei lakt . „Viel leicht möchten Sie nicht darüber reden, aber mir fällt auf, dass …“, wäre, so Klasinc, ein vor- sichtiger Gesprächseinstieg. Wichtig ist, den Opfern die Möglichkeit aufzuzeigen, sich untersuchen zu lassen und die Spuren der Gewalt doku- mentieren zu lassen. Selbst wenn sie in diesem Moment noch keine Anzeige erstatten wollen. „Es steht uns nicht zu, jemandem eine derartige Entscheidung aufzuzwingen. Wir dokumentieren die Ver- – Zuhören – Handeln letzungen und asservieren zu- sätzlich zu den schriftlichen Aufzeichnungen und Fotos auch biologische Spuren. Aber wir drängen niemanden zu einer Entscheidung, sonst kämen die Opfer nicht mehr zu uns.“ Gewaltspirale unterbrechen Prävent iv können die be- handelnden Ärztinnen und Ärzte nichts gegen Gewalt unternehmen. Aber sie kön- nen durch ihre Diagnostik und die Weitervermittlung an Fachleute (die klinisch- forensische Untersuchungs- stelle, aber auch an Gewalt- schutzzentren, Frauenhäuser etc.) Gewaltspiralen durch- brechen. „Wird nichts unter- nommen, ist es bei häuslicher Gewalt üblich, dass die Ab- stände zwischen den Über- griffen immer kürzer und die Intensität der Gewalt immer stärker werden“, be- tont die Gerichtsmedizi- nerin. Allein kommt ein Opfer, oft aus emotionaler und/oder wirtschaftlicher Abhängigkeit, nur selten aus dem Teufelskreis he- raus. „Für uns zählt es als Erfolg, wenn jemand über Jahre hin- weg immer wieder zu uns gekommen ist – und eines Tages erhalten wir von den Justizbehörden oder vom Op- fer selbst die Anfrage, unsere Dokumentation zu übergeben. Dann wissen wir, es ist zu einer Anzeige gekommen und jede Verletzung, die wir festgestellt haben und jede Spur, die wir gesichert haben, wird die Aus- sage des Opfers stützen und er- höht die Chance, dass der Tä- ter zur Rechenschaft gezogen wird.“ Die klinisch-forensische Untersuchungsstelle der Med Uni Graz (Universitätsplatz 4) ist von Dienstag bis Donners- tag von 8.00 bis 16.00 und von Freitag, 8.00 Uhr bis Montag, 16.00 Uhr durchgehend unter der Telefonnummer 0664 84 38 241 zu erreichen, ebenso feiertags ganztägig. Mehr zum Thema und Dis- kussionsmöglichkeit bei den Seminaren im März: „Tools für die Diagnostik von Gewalt in der ärztlichen Pra- xis“, am Mittwoch, 30. März 2022, von 16.00 bis 19.00 Uhr, 4 DFP-Punkte, Anmeldung: www.seminareimmaerz.at s: Shutterstock
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