AERZTE Steiermark | Februar 2022

26 Ærzte Steiermark || 02|2022 Fortbildung sungsgerichtshof bemüht. Sterbefügungsgesetz seit 1. Jänner 2022 in Kraft Mit Erkenntnis des Verfas- sungsgerichtshofes (VfGH) vom 11. Dezember 2020 wur- de die Verfassungswidrigkeit des strafrechtlichen Verbots jeglicher Hi lfe eines Drit- ten bei der Mitwirkung am Selbstmord aufgrund Verlet- zung des verfassungsgesetz- lich gewährleisteten Rechts des Einzelnen auf freie Selbst- bestimmung festgestellt; das Recht auf freie Selbstbestim- mung umfasst nach Ansicht des VfGH sowohl das Recht auf die Gestaltung des Le- bens als auch das Recht auf ein menschenwürdiges Ster- ben. Es wurde daher im § 78 StGB die Wortfolge „oder ihm dazu Hilfe leistet,“ mit Ablauf des 31.12.2021 aufge- hoben. Gleichzeitig erging an den Gesetzgeber die Auf- forderung, dafür Sorge zu tragen, dass die Entscheidung zur Selbsttötung rein frei- willig und nicht unter dem Einfluss von dritten Personen erfolgt bzw. gefasst wird. Dem Rechnung tragend, wurde nicht nur § 78 StGB neu ge- fasst, sondern insbesondere auch das mit 1. Jänner 2022 in Kraft getretene Sterbever- fügungsgesetz erlassen. Das Sterbeverfügungsgesetz re- gelt nunmehr die Möglichkeit der Errichtung einer entspre- chenden Verfügung. Nur nach ärztlicher Aufklärung Eine Sterbeverfügung kann nur wirksam errichtet werden, setz sieht gewisse Mindestin- halte der Aufklärung vor, dies unter dem Aspekt, dass bei der sterbewilligen Person nur dann von einer ausreichenden Ent s che idungsg r und l age ausgegangen werden kann, wenn ihr al le erheblichen Gesichtspunkte, Handlungs- alternativen und ihre Folgen bekannt sind. Aufzuklären ist zumindest über die im konkreten Fall möglichen Be- handlungs- oder Handlungs- alternativen, insbesondere Hospizversorgung und pallia- tivmedizinische Maßnahmen. Die Aufklärung hat auch ei- nen Hinweis auf konkrete Angebote für psychothera- peutische Gespräche und sui- zidpräventive Beratung sowie einen Hinweis auf weitere zielführende Beratungsange- bote zu enthalten. Schließlich ist über die Dosierung und Einnahme des zur Anwen- dung gelangenden Präparats, mögliche Komplikationen bei der Einnahme des Präparats etc. aufzuklären. Wie bereits ausgeführt, hat diese Auf- klärung durch 2 ärztliche Personen zu erfolgen, wobei nicht jede ärztliche Person über sämtliche Inhalte auch aufklären muss. Zu beachten ist, dass die ärztliche Person, die über Behandlungsalterna- tiven aufklärt, das Vorliegen wenn die sterbewillige Person Österreichische Staatsange- hörige ist oder zumindest ih- ren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat. Eine Sterbe- verfügung kann nur höchst- persönlich errichtet werden, die sterbewillige Person muss vol ljährig und deren Ent- scheidungsfähigkeit zweifels- frei gegeben sein. Eine solche Verfügung kann nur von Per- sonen errichtet werden, die an einer unheilbaren, zum Tod führenden Krankheit oder an einer schweren, dauerhaften Krankheit mit anhaltenden Symptomen leiden, deren Fol- gen die betroffene Person in ihrer gesamten Lebensfüh- rung dauerhaft beeinträchti- gen. Darüber hinaus muss die Krankheit einen nicht anders abwendbaren Leidenszustand mit sich bringen. Eine der aufklärenden ärztlichen Per- sonen – dazu gleich – hat zu bestätigen, dass ein solcher Leidenszustand vorliegt. Der Errichtung der Sterbeverfü- gung hat eine Auf klärung durch 2 ärztliche Personen voranzugehen, von denen eine eine pal l iat ivmedizi- nische Qualifikation aufzu- weisen hat. Als „ärztliche Per- son“ im Sinne dieses Gesetzes gelten alle zur selbstständigen Berufsausübung berechtigten Ärztinnen und Ärzte. Das Ge- einer entsprechenden Krank- heit im Sinne des Gesetzes und einer glaubwürdigen Erklärung der betroffenen Person über einen für sie nicht anders abwendbaren Leidenszustand zu bestätigen hat. Jedenfalls haben beide ärztliche Personen unabhän- gig voneinander zu bestätigen, dass die sterbewillige Person entscheidungsfähig ist und einen entsprechenden, freien und selbstbestimmten Ent- schluss geäußert hat. Erst nach ärztlicher Aufklä- rung und Einhaltung der ge- setzlich vorgesehenen Fristen kann die Sterbeverfügung errichtet werden. Diese ist von einer sogenannten do- kumentierenden Person zu errichten. „Dokumentieren- de Personen“ können Nota- rInnen bzw. rechtskundige MitarbeiterInnen der Patien- tenvertretungen sein. Werben mit Hilfeleistung verboten Das zur Anwendung gelan- gende Präparat darf nur von einer öffentlichen Apotheke in der in der Sterbeverfügung angegebenen Dosierung an die sterbewillige oder eine in der Sterbeverfügung nament- lich genannte hi lfeleisten- de Person nach Vorlage der wirksamen Sterbeverfügung abgegeben werden. Eine hilfe- leistende Person im Sinne des Gesetzes kann jede volljäh- rige und entscheidungsfähige Person sein, die bereit ist, die sterbewillige Person bei der Durchführung der lebens- beendenden Maßnahmen zu unterstützen. Als Hi lfelei- „Andererseits darf niemand, also auch keine ärztliche Person, für ihre Mitwirken aber auch für die Verweigerung des Mitwirkens, in welcher Art auch immer, benachteiligt werden.“

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