AERZTE Steiermark | Februar 2022

22 Ærzte Steiermark || 02|2022 Forschung Eine der Tücken des SARS- CoV-2-Virus besteht darin, dass die COVID-Erkrankung nach ein paar Tagen harm- losen Verlaufs schlagartig in einen lebensbedrohlichen Zu- stand übergehen kann. Längst treffen schwere Verläufe nicht nur ältere Menschen und solche mit gravierenden Vor- erkrankungen (die auch gerne weiterleben wollen), sondern auch Junge, bisher Gesunde und jene, die sich für un- verwundbar gehalten haben. Kurz gesagt: Jeder und jede kann schwer oder sogar töd- lich an COVID-19 erkran- ken. Noch ist unklar, welche Faktoren einen dramatischen Ablauf begünstigen. „Stünde in den ersten Krank- heitstagen, in denen es den Patientinnen und Patienten dem eigenen Empf inden nach noch gut geht, ein Blut- wert zur Verfügung, der den weiteren Krankheitsverlauf prognostiziert, könnte die Behandlung gegebenenfalls angepasst und noch effek- tiver gestaltet werden“, erklärt Harald Mangge. Mit seinem Team am Kli- nischen Institut für Medizi- nische und Chemische Labor- diagnostik (KIMCL) hat er sich daher auf die Suche nach entsprechenden Biomarkern gemacht. Dazu untersuchte er die nach der Erstanalyse übrig gebliebenen Reste von Blutproben von 148 in der ersten und zweiten Welle der Pandemie hospital isierten Patient*innen. Einer unter 20 Werten Von diesen 148 hospitalisier- ten Patient*innen starben 31 im Beobachtungszeitraum von 90 Tagen und 117 er- holten sich wieder. In ihren Blutproben wurden jeweils rund 20 entzündungs- und gerinnungsrelevante Werte analysiert, vom CRP über Interleukin-6 und den D- Dimer-Wert bis zum Ferritin. Anschließend wurden die La- borwerte der Genesenen de- nen von Verstorbenen gegen- übergestellt. Dabei zeigte sich, dass ein erhöhter Wert von Kynurenin, einem zentralen Abbauprodukt von Trypto- phan, das die Tätigkeit der T-Zellen beeinflusst, der beste Prädiktor im gesamten Sam- ple war. Seine Hazard Ratio (1,188 bei einem 95 % CI von 1,071 bis 1,319) übertraf in der COX-Regressionsanalyse sogar jene des Alters (1,041 bei einem 95 % CI von 1,011 bis 1,073). Geschlechterun- terschiede waren keine fest- stellbar. Differenzen zwischen Genesenen und Verstorbenen zeigten sich auch in ande- ren Werten (KYN/TRP-Ratio, Ferritin, Kreatinin, und NT- proBNP waren bei letalem Ausgang jeweils erhöht), wa- ren aber nicht so ausgeprägt wie beim Kynurenin. Frühe Warnung „Unsere Untersuchungen ha- ben gezeigt, dass die Kynu- renin-Blutwerte bei COVID- 19-Patientinnen und Pati- enten mit tödlichem Krank- heitsverlauf bereits relativ früh zu Krankheitsbeginn sehr stark erhöht waren“, be- richtet Mangge, der schon seit Jahren im Bereich des Immunsystems und der Ent- zündung forscht, wenn auch im Kontext des Fettstoffwech- sels. Kynurenin könnte also ein Biomarker sein, der be- reits zum Zeitpunkt des ers­ ten positiven Testergebnisses vor einem schweren Verlauf warnt und auf die Notwen- digkeit einer angepassten Me- dikation hinweist. „Hier wäre beispielsweise eine rechtzei- tige hochdosierte Kortisonga- be denkbar“, so Mangge. Der Nachweis, dass Kynure- nin in der Immunreaktion auf das SARS-CoV-2-Virus eine Rolle spielt, wurde durch das Grazer Forscherteam er- bracht; weitere Fragen müs- sen aber noch beantwortet werden. „Ob die Erhöhung des Kynurenins Folge oder Ursache von außergewöhn- l ichen Immunreakt ionen ist, die zu einem tödlichen Entzündungssturm führen können, bedarf weiterer For- schung“, betont Mangge. Kynurenin: Früher Hinweis auf schweren COVID-19-Verlauf Harald Mangge, Leiter der Forschungseinheit für Biomarker bei Entzündung und Lebensstilerkrankungen am KIMCL, hat mit erhöhtem Kynurenin einen Marker identifiziert, der schon frühzeitig auf schwere Verläufe von COVID-19-Erkrankungen hinweisen kann. „Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Kynurenin- Blutwerte bei COVID-19-Patientinnen und Patienten mit tödlichem Krankheitsverlauf bereits relativ früh zu Krankheitsbeginn sehr stark erhöht waren.“ Harald Mangge Differenzen zwischen Genesenen und Verstorbenen zeigten sich auch in anderen Werten (KYN/TRP- Ratio, Ferritin, Kreatinin, und NTproBNP waren bei letalem Ausgang jeweils erhöht). Foto: Med Uni Graz

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