AERZTE Steiermark | Jänner 2022

Fortbildung 20 Ærzte Steiermark || 01|2022 Hotel iers wol lten impfen, Apotheker sollen impfen – kann man das Handwerk des Impfens so einfach erler- nen wie das Servieren eines Cocktails? Wer Ursula Hol- lensteins Beitrag Fallstricke rund ums Impfen am ersten österreichischen E-Impfkon- gress am 4. Dezember 2021 aufmerksam mitverfolgt hat, kann mit einem klaren Nein darauf antworten. Zunächst ging es um die Wahl des richtigen Impfortes für intramuskuläre un d sub- kutane Impfungen (am besten im dreieckigen Areal in der Mitte des musculus delto- ideus, bei Kleinkindern im mittleren Drittel des Ober- schenkels) sowie der richtigen Nadelstärke und -länge. Hol- lenstein erklärte auch, warum Impfungen in den Glutaeus kontraindiziert sind – und in welchen Ländern eine Imp- fung an diesem Ort gar nicht als verabreicht gilt. Mehrere zugleich Grundsätzlich, so Hollenstein, dürfen mehrere Impfungen gleichzeitig vorgenommen werden: Totimpfstoffe sowie- so, ein Tot- und ein Lebend­ impfstoff auch, sogar mehrere Lebendimpfstof fe dür fen beim selben Arztbesuch ge- geben werden. Danach sind allerdings unbedingt die 28 Tage Pause bis zur Gabe eines weiteren Lebendimpfstoffs einzuhalten. Aber was im- munologisch in Ordnung ist, Wie tief? Wird versehentlich subkutan statt intramuskulär geimpft, besteht eine erhöhte Chan- ce auf loka le Nebenwir- kungen, die meist durch die Adjuvanzien im subkutanen Fettgewebe entstehen. Die Gabe muss nicht wiederholt werden, außer bei Tollwut- und Hepatitis-B-Impfungen. Nicht erlaubt ist eine subku- tane Gabe bei der Kinder- 6-fach-Impfung, Meningo- kokken-, HPV-, der neuen Herpes-Zoster-Impfung und bei manchen inaktivierten Influenzaimpfstoffen. Wurde versehentlich doch zu wenig tief gestochen, kann es zu subkutanen Knötchen, Zysten und Granulomen kommen, die über Wochen und Monate zu starkem Juckreiz führen können und manchmal sogar chirurgisch entfernt werden müssen. Wird umgekehrt versehent- lich intramuskulär statt sub- kutan geimpft, stellt dies kein Problem bezüglich der Wirk- samkeit dar. Die Wahrschein- lichkeit einer Schulterverlet- zung durch eine Impfung (SIRVA – shoulder injury related to vaccine admini- stration) sei, so Hollenstein, bei richtiger Lokalisation der Impfung gar nicht möglich. Und was passiert, wenn der Arzt oder die Ärztin verse- hentlich so tief sticht, dass er oder sie den Knochen er- wischt? „Der Arzt erschrickt meist mehr als der Patient. kann immer noch an der Anatomie scheitern: Die Grö- ße des Impfareals limitiert die Anzahl der gleichzeitig möglichen Impfungen, denn zwischen den Depots müssen mindestens zwei Zentimeter liegen. Besonders reaktogene Impfstoffe (DTP, Pneumo- kokken) sollen überhaupt in verschiedene Arme geimpft werden. Weniger komplex gestaltet sich die Berücksichtigung gleichzeitiger Medikamen- tengaben: Bei Einnahme von Antibiotika ist zur Typhus­ impfung ein zeitlicher Ab- stand einzuhalten und bei Gabe von Virostatika gegen Herpesviren braucht es logi- scherweise ein Intervall zur Varizellen- und zur Zoster- Lebendimpfung. Einige Fehler (nach Lehr- buch) seien in der Praxis irrelevant, andere sol lten unbedingt vermieden wer- den, differenziert Hollenstein. „Die Haut wird so gut wie immer falsch desinfiziert“, erklärt sie. Korrekt wäre es, 30 Sekunden mit dem ge- tränkten Pad zu reinigen und danach weitere 30 Sekunden zu warten. „Das macht keiner, es macht aber auch nichts.“ Klar rät Hollenstein von der Aspiration vor einer Injektion ab, sie verursache einen un- nötigen Schmerzreiz und in der richtigen Impfregion sei kein intravasales Applizieren möglich. Dann soll er sein Pokerface aufsetzen, die Nadel etwas zu- rückziehen und ganz normal weitermachen.“ Tröpfchen trocknen Dass beim Impfen mittels Luf- tembolie Menschen versehent- lich getötet werden könnten, hält Hollenstein für unmög- lich – aufgrund der minimalen Luftmenge und der Lokalisati- on. Aber auf ein eventuell aus- getretenes Tröpfchen mögen die Impfärzt*innen achten: „Ist die Nadel benetzt, sollte sie abgewischt werden. Sonst kommt auch beim intramus- kulären Impfen Impfstoff ins subkutane Fett und könnte dort zu einer Impfreaktion führen.“ Tatsächl iche Fehler beim Impfen seien die Gabe eines Lebendimpfstoffs im Abstand von weniger als 28 Tagen zu einer vorangegangenen Le- bendimpfung oder die Unter- schreitung des vorgesehenen Mindestabstands in einer Impfserie. „Diese Impfung muss wiederholt werden – und zwar unter Einhaltung des Mindestabstands nach der fehlgegebenen Impfung.“ Vollkommen unnötig sei je- doch der Neubeginn einer Impfserie, weil der empfoh- lene Abstand überschritten wurde. Von einer manchmal von Eltern gewünschten Verschie- bung einer Kinderimpfung auf später, wenn das Immun- Auf dem ersten österreichischen E-Impfkongress wurde (unter anderem) ganz grundsätzliches Impfwissen aufgefrischt: Was passiert, wenn ich bis zum Knochen steche? Und: Wer haftet beim Off-Label-Use? Impfen bis zum Knochen? Pokerface aufsetzen! Fotos: Oliver Wolf, Adobe Stock

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