AERZTE Steiermark | Jänner 2022
14 Ærzte Steiermark || 01|2022 Ursula Scholz Mihael Rudes´ Kindheit in Mostar, im Süden Bosnien- Herzegowinas, endete abrupt, als die Familie vor dem Krieg fliehen musste. Die erste Zwi- schenstation führte ihn mit noch nicht einmal elf Jahren nach Dalmatien, wo er vorü- bergehend eine Heimat und langfristig seinen Traumsport gefunden hat: das Schwim- men. „Ich hatte dort das Ge- fühl, ein riesiges Meer nur für mich zu haben“, erzählt der heute 40-Jährige. Wann immer es möglich war, ging er noch vor der Schule schwim- men und widmete sich da- nach geistig und körperlich umso wacher dem Lernen. Und Lernen hat in Rudes´ Leben eine mindestens so große Bedeutung wie die kör- perliche Ertüchtigung. Daher – und aufgrund seiner für Schwimmer (!) mangelnden Körpergröße von 1 Meter 81 – kam eine Karriere als Profi sportler selbst in seinen be- sten Schwimmerjahren nicht in Frage. Als Junior erreichte er in nationalen Bewerben mehr als einmal das Finale und erfüllte auch ein Jahr lang die Voraussetzungen für einen Antritt bei den Olym- pischen Spielen. Seine Lieb- lingsdisziplinen waren dabei der Delfin- und der Freistil. Letzterer charakterisiert Ru- des wohl nicht nur in seiner Sportler-Persönlichkeit. Zwar hält er Selbstdisziplin und Selbstreflexion für die beiden wicht igsten Eigenschaf ten überhaupt; typisch für ihn ist allerdings auch der Drang nach Freiheit, nach eigener Gestaltungsmöglichkeit und Grenzüberschreitung. Nicht von ungefähr hat er als Mot- to für seinen WhatsApp-Ac- count „breaking some rules …“ gewählt. Sanft aufbegehrt Eine sanfte Form des Aufbe- gehrens bestand schon in der Wahl der bevorzugten Sport- art. „Mein Vater wollte einen Tennisspieler aus mir machen, aber die einseitige körperliche Beanspruchung war nichts für mich.“ Rudes blieb beim Schwimmen („da arbeitet der ganze Körper“), auch noch, als die Familie nach drei Jah- ren in Dalmatien nach Zagreb übersiedelte. Dort schrieb er sich in einen Schwimmclub ein und trainierte mit gleich bleibendem Eifer weiter. Als Facharzt und schließlich als Primar der HNO-Abteilung in Leoben blieb und bleibt „Ein riesiges Meer nur für mich“ Mihael Rudes, Primar der HNO-Abteilung am LKH Hochsteiermark, entdeckte in der Weite des Meeres seine Leidenschaft für die Welt unter Wasser. Acht Jahre lang betrieb er das Schwimmen als Leistungssport – neben Schule und Studium. Heute schwimmt und taucht er, um sein Leben in Balance zu halten. Rudes keine Zeit für konse- quentes Training, vielmehr erfüllt das Schwimmen nun eine rekreative Funktion: „Es erfrischt mich und hält mich in Balance.“ Mehr Zeit für den sportlichen Ausgleich zu finden, war einer seiner Neujahrsvorsätze für das Jahr 2022. Aber da Rudes ambiti- onierte Pläne für sein neues beruf liches Aufgabengebiet schmiedet, wird er es sport- lich gesehen wohl eher be- scheiden geben müssen. Die Funktion des HNO-Pri- mars am LKH Hochsteier- mark hat Rudes erst mit Juni vorigen Jahres übernommen; seine bisherige internationale Karriere erklärt aber, wa- rum das Schwimmen in den letzten Jahren ein wenig in den Hintergrund gerückt ist. Dabei war er sich nach der Matura am wissenschaftlich- mathematischen Gymnasium Zagreb nicht einmal sicher, ob er Medizin oder Architektur studieren sollte. Kurzerhand inskribierte er beides. Als seine Noten dann nicht mehr seinen (extrem hohen) Eigen- ansprüchen genügten, fokus- sierte er sich auf die Medizin und schloss sein Studium als Jahrgangsbester ab. Lachen ermöglichen Jeden Bereich seines Lebens ge- staltet Rudes gerne eigenstän- dig und kreativ, am liebsten in 3D-Strukturen. Dazu passt seine Passion für Zeichnen und Architektur, der schwim- merische Erfolg im Freistil, aber auch die Wahl seiner medizinischen Fachrichtung. Da richtet er nicht nur Na- senscheidewände auf, sondern hat sich besondere Expertise in der Gesichtsrekonstruktion nach schweren Traumata und großen Tumoren erworben. „Am befriedigendsten ist es für mich, ein gelähmtes Gesicht zu reanimieren. Es ist wunder- bar, einem Menschen wieder das Lachen zu ermöglichen.“ Die entsprechende Technik hat Rudes in den USA erlernt. Nach Beendigung seiner Facharztausbildung, die in Kroatien neben der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde auch die Kopf- und Halschi- rurgie umfasst, absolvierte er schon im darauffolgenden Arzt im besonderen dienst Rudes: Gesichts chirurgie für Kinder in Kigali/ Ruanda im Rah- men der Face the Future Foundation . Foto: beigestellt, Jakub Antoniuk „Mein Vater wollte einen Tennisspieler aus mir machen, aber die einseitige körperliche Beanspruchung war nichts für mich.“
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