AERZTE Steiermark | Jänner 2022
10 Ærzte Steiermark || 01|2022 Foto: Adobe Stock cover der Universität Wien. Sie befinden, „dass unter den Demo-Unterstützer*innen mit 57 % ein größerer An- teil der Meinung ist, dass Wissenschaf ter*innen ‚mit Politik und Wirtschaft unter einer Decke‘ stecken, als dies in der Gruppe der Befragten der Fall ist, die die Demos nicht unterstützen (18 %).“ Das „hohe Grundniveau an Wissenschaf tsfeindl ichkeit“ könne die österreichische Po- litik vor immer neue Heraus- forderungen stellen, wenn es darum geht, dass Gesund- heits- und Wissenschaf ts- kommunikat ion gel ingen muss, um die Pandemie zu überwinden, schreiben sie. Gleichbleibend hohes Vertrauen in Ärztinnen und Ärzte Allerdings erklärt diese Ana- lyse nicht, warum Ärztinnen und Ärzten gleichbleibend gleichen Zeitraum gar nicht. Es lag im März bei 85 bzw. 83 Prozent und im Dezem- ber ebenso. Und Ärztinnen und Ärzte repräsentieren ge- nau jene Wissenschaftlichkeit und Wissenschaftskommuni- kation, die nach Ansicht der Uni-Wien-Autor*innen das Problem der Politik ist. Vielleicht muss man doch auf die ältere Analyse der Politik zurückgreifen, die von hohes Vertrauen entgegenge- bracht wird, während jenes in die Politik offenbar absackt. Gute Pandemie-Bewältigung attestierte der Bundesregie- rung laut Gesundheitsba- rometer im März und Juni 2021 nämlich noch knapp die Hälfte der Bevölkerung, während es im November nur mehr 25 Prozent waren. Das Zutrauen in die Ärztinnen und Ärzte, aber auch in die Spitäler veränderte sich im Expertinnen und Experten gefragt Österreicherinnen und Österreicher wollen mehrheitlich Entscheidungen der „Weisen“ statt der Politik. Expertinnen und Experten können nur beraten, Politikerinnen und Politiker müssen ent- scheiden und diese Entscheidungen verantworten. Das ist die gängige Erklärung, warum die Politik unter starkem Druck steht. Die Bevölkerung – nicht nur in Österreich – würde es aber offenbar mehrheitlich gut finden, wenn die Befunde der Fachleute unmittelbar zu politischen Entscheidungen werden. „Im Zuge der Pandemie wurde vielfach der Einfluss von Expert*innen auf politische Entscheidungen kritisiert und Legitimationsdefizite angesichts einer „Herrschaft der Virologen” diagnostiziert. Expert*innen, die die Einschränkungen des öffentlichen Lebens zur Eindämmung des Coronavirus befürworteten, wurden öffentlich angegriffen und sogar mit Mord bedroht. Diese Angriffe überraschen allerdings vor dem Hintergrund, dass aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass viele Bürger*innen in entwickelten Demokratien technokratische Ein- stellungen aufweisen und den Einfluss von Expert*innen in der Politik grundsätzlich gutheißen“, schreiben Julia Partheymüller und Jakob-Moritz Eberl vom Austrian Corona Panel Project der Universität Wien. Und untermauern diese Aussage auch mit Zahlen: In acht Befragungen von März und November 2020 sa- hen jeweils mehr als 60 Prozent den Einfluss von Expertinnen und Experten auf politische Entscheidungen positiv. „Es zeigt sich eine breite Unterstützung für den Einfluss von Expert*innen, die politische Entschei- dungen auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse treffen, in allen Bevölkerungsgruppen“, befinden die Autor*innen. Selbst bei Jüngeren (14–29-Jährigen), die den Einfluss der Expertinnen und Experten am kritischsten sehen, wird deren Bedeutung für politische Entscheidungen nur von 12 Prozent, „einer kleinen Minderheit“, so der Befund, infrage gestellt. Besonders hoch sei die Zustimmung bei älteren (65+) Befragten und Personen mit Universitätsabschluss, befinden Partheymüller und Eberl. Die Zustimmung geht auch über Wählerinnen und Wähler aller Parteien hinweg. „Eine breite Mehrheit der Bevölkerung befürwortet es, wenn Expert*innen auf wissenschaftlicher Grundlage politische Entscheidungen treffen. Dies gilt für alle gesellschaftlichen Gruppen und politischen Lager“, lautet die Zusammenfassung. Das relativiert auch die Klagen über die ausgeprägte Wissenschaftsskepsis. Die gibt es offensichtlich nur bei einer kleinen Minderheit, die nur durch große Lautstärke ihre geringe quantitative Relevanz verschleiert. Die oft beschwo- rene Wissen- schaftsfeindlichkeit ist nach den Erkenntnissen des „Austrian Corona Panel Project“ nicht mehrheitsfähig. Die große Mehrheit vertraut den Fach- leuten.
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