AERZTE Steiermark | Juli/August 2021

16 ÆRZTE Steiermark || 07/08|2021 IMPFEMPFEHLUNG FÜR JUGENDLICHE Fotos: Mediendienst Wilke, Comirnaty® schon ab dem vollendeten zwölften Lebens- jahr: Die Zulassung der EMA für den COVID-19-Impfstoff von Biontech/Pfizer und die darauf folgende Empfehlung des NIG, Jugendliche ab zwölf in der Reihenfolge der gel- tenden Impfpriorisierung ge- gen COVID-19 immunisie- ren zu lassen, eröffnen neue Möglichkeiten des Schutzes vor dem sich stetig wandeln- den SARS-CoV-2. Im Gegen- zug erfordern sie von Eltern eine Entscheidung und wer- den von manchen unter ihnen als indirekter Zwang wahr- genommen. Beispielsweise wurde den Eltern kurz vor Schulschluss sowohl vonsei- ten des Bildungsministers als auch durch ein Rundschrei- ben der Österreichischen Ge- sellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde nahegelegt, ihr Kind gegen COVID-19 impfen zu lassen. Und auf die mehrtägige Schulveranstal- tung dürfen oft nur mehr die- jenigen mitfahren, die nach Genesung oder durch zwei Teilimpfungen vollimunisiert sind. Die Wahlfreiheit für Eltern und Betroffene (ab 14 Jahren dürfen die dann mündigen Minderjährigen ja eigenstän- dig ihre Impfentscheidung treffen, auch gegen den Wil- len der Eltern) stellt die Impf­ ärztinnen und -ärzte einmal mehr vor die diffizile Aufgabe der individuellen Impfbera- tung. Gerade dann, wenn sie die Jugendlichen selbst über Schutz und Nebenwirkungen der Impfung aufklären – wäh- rend sie als Expert*innen auch noch auf Daten aus großen Anwendungsstudien warten. Im Vordergrund der ärzt- lichen Beratung wird daher der ganz persönliche Nut- zen-Risiko-Abgleich stehen, dicht gefolgt von möglichen Erfordernissen eines Umge- bungsschutzes für gefährdete Personen im selben Haus- halt sowie stets aktualisierten epidemiologischen Überle- gungen. 11 Prozent der Jugendlichen In der Wahrnehmung man- cher Eltern mag sich die Tatsa- che wenig vertrauensfördernd auswirken, dass die Ständige Impfkommission (STIKO) als deutsches Pendant zum NIG trotz EMA-Freigabe keine generelle Impfempfehlung ab zwölf ausgesprochen hat. Lediglich Kinder und Jugend- liche „mit einem besonderen Risiko“, detailliert aufgelistet vom Robert Koch Institut (RKI), sollen den Stich so bald wie möglich erhalten. Die Aufzählung reicht von Adipo- sitas über der 97er-Perzentile über angeborene und erwor- bene Immundefizite oder eine Immunsuppression, zyano- tische Herzfehler mit einer Ruhe-Sättigung unter 80 Pro- zent bis zu schwerer Herzin- suffizienz oder ebensolcher pulmonaler Hypertonie. Wei- ters umfasst sie chronische Lungenerkrankungen mit anhaltender Einschränkung der Lungenfunktion, chro- nische Niereninsuf f izienz, chronische neurologische oder neuromuskuläre Er- krankungen, maligne Tumo- rerkrankungen, Trisomie 21, syndromale Erkrankungen mit schwerer Beeinträchti- gung und (nicht gut einge- stellten) Diabetes mellitus. Laut Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung der Bundesrepublik Deutsch- land (ZI) fallen damit rund elf Prozent der Heranwach- senden in die Kategorie der Kandidat*innen für die Imp- fung. Durch die deutsche Empfeh- lung irritierte Eltern, so die Leiterin des NIG und gleich- zeitig Mitglied der STIKO, Ursula Wiedermann-Schmidt, ließen sich in eingehender ärztlicher Beratung womög- lich beruhigen: „Denn so un- terschiedlich, wie es auf den ersten Blick aussieht, sind die deutsche und die öster- reichische Empfehlung gar nicht.“ Erst am Schluss dran Während in Deutschland am 7. Juni 2021 die Impfprio- risierung aufgehoben wurde, bleibt sie in Österreich weiter- hin gültig. Das bedeutet für die Empfehlung von Comirn- aty® als derzeit einzigem für die Altersgruppe zwischen zwölf und 17 zugelassenem Impfstoff, dass die Jugend- lichen – so sie keine relevante Vorerkrankung haben oder durch ihre erimpfte Immuni- tät eine nicht impfbare, ihnen nahestehende Person mit- schützen – erst in der Prio- risierungsgruppe 7 drankom- Jugendliche (schon) gegen COVID-19 impfen? Die EMA gibt sie frei, das österreichische Nationale Impfgremium (NIG) empfiehlt sie nach Priorisierung, die STIKO nur für Jugendliche mit rele- vanten Vorerkrankungen. Ärztinnen und Ärzte stehen vor der verantwor- tungsvollen Aufgabe der individuellen Impfberatung. „... so unterschiedlich, wie es auf den ersten Blick aussieht, sind die deutsche und die österreichische Empfehlung gar nicht.“ Ursula Wiedermann-Schmidt

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