AERZTE Steiermark | Juni 2021

Cover Ærzte Steiermark || 06|2021 9 „Die bekanntesten Symptome dabei sind ausgeprägte Er- schöpfung, Müdigkeit, Abge- schlagenheit, Schwäche, Ge- dächtnisstörungen, Luftnot, Brustschmerzen, Herzrasen, Husten, Geruchs- und Ge- schmacksverlust, Kreislauf- schwäche, Schlafstörungen, und Depressionen. Die Lang- zeitfolgen können schwers- te Organschäden von Lunge, Herz, Leber, Niere und dem zentralen Nervensystem um- fassen“, erklärt Tscheliessnigg das Krankheitsbild von Long COVID. Nicht in Notfallambulanzen! Ungeachtet dessen, ob zehn oder mehr Prozent von den Langzeiteffekten ihrer Infek- tion betroffen sein werden: In den nächsten Monaten wird die Erkrankung zusätzlich zu denen, die bereits darun- ter leiden, weitere Tausende Steirerinnen und Steirer be- treffen. Mit Stichtag 30. Mai 2021 wurden laut steirischer Landesstat ist ik insgesamt 79.058 bereits an COVID-19 Erkrankte verzeichnet. Selbst bei optimistischer Prognose ergibt das rund 8.000 Long COVID-Patient*innen. Wer soll sie betreuen? „Ich bin nicht damit einverstanden, dass man das in den Notfall­ ambulanzen ansiedelt. Das geht auf Kosten der Versor- gung. Long COVID ist eine chronische Erkrankung, die Patienten brauchen mehr Zeit, sie leiden sehr“, findet der steirische Ärztekammerprä- sident Herwig Lindner klare Worte. „Auch, weil es sich bei COVID um eine Multi­ organerkrankung handelt, die oft auch Gefäße und die Nerven betrifft. Das ist eine Herausforderung und braucht auch eine klare Abgrenzung zu anderen Zuständen wie Depression, Mangelzustände oder Burnout.“ Strukturen im Werden Nicht nur den Ärztinnen und Ärzten, auch den Entschei- dungsträgern ist die Brisanz der (bevorstehenden) Lage bewusst – und sie sprechen sich für die Schaffung der notwendigen Versorgungs- strukturen aus: „Die Pan- demie ist noch nicht vorbei und viele Menschen in der Steiermark leiden an den Fol- gen ihrer COVID-19-Erkran- kung. Um die neue Krank- heit Long COVID als auch andere Folgeerscheinungen einer COVID-19-Infektion differenziert einzuschätzen und entsprechend rasch Be- handlungskapazitäten und Zuständigkeiten in der Stei- ermark zu klären, lade ich zu einem runden Tisch mit Be- troffenenvertretern, den Ver- tretern der Ärzteschaft, der Krankenanstalten und des Gesundheitsfonds ein“, be- gründet Landesrätin Juliane Bogner-Strauß. „Ich danke schon jetzt für das Aufei- nander-Zugehen bei diesem wichtigen Thema.“ Für den 2. Juni waren Maarte Preller, Gründerin der öster- reichischen Long-COVID- Selbsthi lfegruppe, KAGes- Vo r s t a n d s v o r s i t z e n d e r Tschel iessnigg, Ärztekam- merpräsident Lindner, der Ärztliche Leiter der Provinz der Barmherzigen Brüder, Gerhard Stark, Vinzenz Har- rer von der Österreichischen Gesundheitskasse, der Gene- raldirektor der Pensionsver- sicherungsanstalt Winfried Pinggera sowie der Geschäfts- führer des Gesundheitsfonds Steiermark, Michael Koren, zum Runden Tisch geladen. Umfassendes Angebot nötig Schon im Vorfeld betonte KAGes-Vorstandschef Tsche- liessnigg die Notwendigkeit geeigneter Versorgungsstruk- turen: „Diese neue Heraus- forderung für das Gesund- heitssystem bedarf der Or- ganisation einer integrierten Versorgung für diese stark wachsende Patientengruppe, die möglichst durchlässig vom niedergelassenen Bereich über Ambulanzen, Tageskli- niken bis hin zum statio- nären Bereich einen interdis- ziplinären Behandlungspfad anbietet, der zur Aufgabe hat, diese Patienten möglichst rasch wieder ins aktive, nor- male Leben zurückzuführen.“ Der steirische Ärztekammer- präsident, selbst Infektiologe, weist darauf hin, dass für Menschen mit Long COVID ein sehr spezifisches Angebot geschaffen werden muss: „Für Patienten mit Long COVID ist eine Tagesreise nach Graz eine Tortur. Für chronisch erkrankte Menschen muss eine wohnortnahe Behand- lung sichergestellt werden, es braucht ein Versorgungskon- zept für die ganze Steiermark, bestehend aus Hausarzt und Fachärzten wie Internisten, Pneumologen, einem multi- professionellen Team samt Diätberatung, Physio- und Psychotherapeuten. All jene, die so nicht versorgt werden können, sollten in eine spe- zielle Ambulanz kommen.“ Und für Lindner steht fest: „Bei diesem Konzept müssen Land, Gesundheitskasse und Ärztekammer an Bord.“ Blick über die Grenze: Best Practice aus Deutschland Auch im nördlichen Nach-

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