AERZTE Steiermark | Mai 2021

28 Ærzte Steiermark || 05|2021 Psychohygiene Illu: Dürer/Shutterstock nur kurzfristig und führen auf die Dauer zu massiven Stressreaktionen.“ Die häufigste Art der vor- schnellen Scheinlösung, so Minixhofer, sei das Wegdrü- cken der störenden oder über- wältigenden Gefühle. „Dabei handelt es sich zumeist um eine unbewusste Reaktion, beispielsweise exzessives sportliches Auspowern, um nichts mehr zu fühlen.“ In weiterer Folge können die ausgesperrten Gefühle jedoch in verstärkter Form auftau- chen und zu tiefen Erschöp- fungszuständen oder psy- chosomatischen Reaktionen führen. Ähnlich gelagert sei die Strate- gie, sich den gefürchteten Ge- fühlen gar nicht auszusetzen und Situationen zu meiden, in denen sie auftreten könnten. „Wenn ein berührendes The- ma angesprochen wird, ver- lässt man beispielsweise rasch die Gesprächssituation.“ Die dritte Variante im wenig hilf- reichen Quartett sei das Ver- lagern des Empfindens in den Kopf: das Grübeln. „In Schlei- fe ,Was wäre gewesen, wenn?´ zu fragen, ist nicht nur un- produktiv, sondern verbraucht enorm viel Energie und raubt den Schlaf.“ Aber auch die Reaktion, sich für auftretende Gefühle selbst zu verurteilen, weil sie nicht zum Selbstbild der starken, souveränen Ärz- tin oder des Arztes passen, richtet sich letztlich gegen den Fühlenden selbst. „Der Tod von Patienten kollidiert nun einmal mit dem Rol- lenverständnis des Arztes, Lebensretter zu sein.“ Weil wir Mensch sind „Das Wichtigste im Umgang mit dem Tod ist, uns die Ge- fühle eingestehen, die durch ihn auf- tauchen. Und ich sage nicht, dass das einfach ist“, sagt Mi ni xhofer. „Je- der Tod löst in uns Empfindungen aus – ganz einfach, weil wir Mensch sind.“ Manchmal triggert das Sterben eines Patienten auch eine eigene Lebenserfahrung, erinnert an den Tod eines geliebten Menschen und verstellt uns den Blick auf die Gegenwart. „Sich einzugestehen, dass man an eine persönliche Gren- ze gelangt ist und nun pro- fessionelle Hilfe braucht, ist jedenfalls eine Stärke und keine Schwäche“, möchte Mi- nixhofer allen Betroffenen mitgeben. Wichtig sei auch, sich zu verdeutlichen, dass der Tod nicht Zeichen ärztlichen Ver- sagens ist. Sterben gehöre zu unserem Leben wie Leiden. „Allerdings kann es schon sein, dass wir Glaubenssätze hinterfragen und Erlebtes neu beiten kann. Men- schen, die in der Palliativmedizin tä- tig sind, so Verebes, bejahen das Leben und akzept ieren das Sterben als na- türlichen Prozess. Es gibt auch Publika- tionen dazu, wie viel Sterben ein Mensch in seinem Beruf verträgt, ohne aus- zubrennen oder ab- zustumpfen – etwa eine Befragung von 873 Mitarbeitenden aus 95 deutschen Palliativstationen von Müller, Pfister und Jaspers von der Lehr- und Forschungsstelle Palliativmedizin der Univer- sität Bonn. Demnach soll die kritische Todeszahl im Schnitt bei 4,4 Toten pro Woche lie- gen. Handelt es sich dabei allerdings um „unerwartetes Versterben“, wie so oft bei COVID-19, sinkt die Zahl to- lerierbarer Tode spürbar. Mit Gefühlen umgehen „Im Umgang mit dem Tod tau- chen schwierige Gefühle auf “, erklärt Christine Minixhofer, die im Auftrag der KAGes Fortbildungen zum Thema Selbstfürsorge durchführt. „Ohnmacht, Angst, Ärger, Trauer oder Scham. Einige Strategien, mit diesen Gefüh- len umzugehen, erleichtern

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