AERZTE Steiermark | April 2021

kommunikation 20 Ærzte Steiermark || 04|2021 Welche Fachgruppen sind in Ihrer Facebook-Gruppe? Alle. Wir haben zum Beispiel Gynäkologen, Zahnärzte, In- tensivmediziner, Chirurgen, Pathologen und natürlich ganz viele Hausärzte. Jeder will etwas anderes wissen – und der nächste beantwortet das Posting oft schon nach fünf Minuten. Womit erklären Sie sich den enormen Zulauf? Ich glaube, das hat einfach damit zu tun, dass wir alle zum ersten Mal eine Pande- mie erleben. Das Schwierige ist jetzt, gemeinsam eine Lö- sung zu finden. Jedem Arzt geht es gleich. Vor allem die Niedergelassenen sind allein auf weiter Flur und wissen oft nicht, wie sie gewisse Dinge regeln sollen. Nicht nur medi- zinische, sondern oft auch ad- ministrative. Zusätzlich ist es natürlich großartig, dass wir Kollegen aus dem Impfgre- mium bei uns haben, durch die alle Neuerungen sofort in die Gruppe kommen – so wie jetzt die Diskussionen um Sinusvenenthrombosen bei AstraZeneca: Kann ich, muss ich niedermolekulares Heparin verordnen? Was gilt für Risikogruppen? Wenn dann der Kollege gleich nach der Sitzung die neuen Leit- linien schreibt, können wir sofort damit arbeiten. Der Austausch ist wichtig. Es sind ja viele Meinungen, weil die Kol leg*innen unterschied- licher Fachgruppen ganz an- dere Ansätze haben und die werden heftig diskutiert. We l che Grund s t immung herrscht in Ihrer Gruppe: Läuft es immer friedlich ab? Es ist sicher so, dass wir alle den Ernst der Lage sehen. Die Wege, die Pandemie zu bekämpfen, sind unterschied- lich. Es sieht jeder in dem Fachbereich, in dem er arbei- tet, verschiedene Patienten und Krankheitsverläufe – und dementsprechend hat er auch unterschiedliche Ansichten. Oft wird in der Gruppe eine Frage gestellt und es schreiben dann viele und diskutieren den Ansatz. Manchmal sind es Fallbeispiele von Patienten, manchmal Diskussionen, wie sinnvol l Maßnahmen der Regierung sind. Jetzt zum Beispiel: Wie sinnvoll ist ein Lockdown, welche anderen Maßnahmen würden wir als Ärzte für effizient erachten? Wir versuchen auch, unsere Ärztevertreter zu erreichen, damit sie uns zuhören. Wir haben ihnen das Feedback gegeben, dass wir unbedingt impfen wollen. Das hat sehr gut funktioniert, weil wir auch einige Vertreter der Ärz- tekammer in der Gruppe da- bei haben. Können Sie Maßnahmen nen- nen, die die Ärzte jetzt gerne hätten? Wir hätten gerne präventive Maßnahmen. Wir reden im- mer nur von Maske, Rückzug und Lockdown. Aber es han- delt sich um eine Erkrankung, mit der wir vermutlich die nächsten Monate und Jahre le- ben werden müssen. Das heißt, wir sollten langfristig denken. Darauf schauen, dass die Men- schen nach draußen gehen, ihr Immunsystem stärken, Bewe- gung machen. Sonst heißt es immer, wir müssen uns zu- rückziehen. Das ist kurzfristig sicher gut, aber langfristig wer- den wir das nicht leben kön- nen. Weil die Depressionen steigen und der Blutdruck ebenso. Es ist ja nicht so, dass die Maßnahmen unbeschadet an allen vorübergehen – von den Kindern und Jugendlichen ganz zu schweigen. Gibt es konkrete Punkte, in denen sich die Ärzt*innen Än- derungen, mehr Verständnis, mehr Unterstützung erwarten oder erhoffen? Was wir gerne hätten, wäre, dass wir mit unseren Anlie- gen bei unseren Vertretern mehr Gehör finden. Beispiels- weise in puncto kostenlose Antigentests in den Ordinati- onen. Wir können Asympto- matische nicht gratis testen, die Apotheker schon. Sehr viele Patienten wollen aber gerne zum Hausarzt gehen. Bei den Impfungen hat es sehr gut funktioniert, da haben wir das Gefühl, dass wir gut mit eingebunden wurden. Sie sind im vergangenen Jahr neben Ihrer Wahlarztpraxis auch Amtsärztin geworden. Wie ist es dazu gekommen? Ein Kollege erzählte mir, dass sie verzweifelt Ärzte suchen, weil die Zahlen explodieren. Da dachte ich mir, das kann ich nebenbei vom Homeoffice aus machen. Derzeit ist jede helfende Hand notwendig. Mir macht es Spaß, mitzuarbeiten; wir sind ein tolles Team. Hat es schon Momente gege- ben, in denen Sie diese Ent- scheidung bereut haben? Nein! Sicher ist es viel Arbeit und hin und wieder gibt es Momente, in denen ich mir denke, der Tag könnte mehr Stunden haben … Aber wir hoffen doch, dass es im Herbst „Es sieht jeder in dem Fachbereich, in dem er arbeitet, verschiedene Patienten und Krankheitsverläufe – und dementsprechend hat er auch unterschiedliche Ansichten.“ Kristina Köppel-Klepp

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