AERZTE Steiermark | März 2021

6 Ærzte Steiermark  || 03|2021 Bereich Eiko Meister 94 Ärzteausbildungen – das will wohl keiner Durch einen simplen Formalfehler (im Zuge des Gesetzesänderungsprozesses wurde versehent- lich die Zustimmung der Bundesländer nicht eingeholt) gibt es die Möglichkeit, dass die Zu- ständigkeit für die ärztliche Ausbildung nicht nur Ländersache wird, sondern Kompetenzen sogar an die Bezirksbehörden gehen könnten. So weit, so reparabel – sollte man denken. Aber wenn einem etwas in den Schoß fällt, hält man es leicht für ein Geschenk, auch wenn es gar kei- nes ist. Also erfordert es jetzt einige Mühe, den Bundes- ländern vor Augen zu führen, was sie sich selbst und den ihnen untergeordneten Bezirksbehör- den antun würden, käme es zu keiner Sanierung nach diesem kleinen Versehen mit großer Wirkung. Aber inzwischen haben die meisten (hoffentlich alle) erkannt, welche Auswirkungen es hätte, die bewährte Abwicklung der ärztlichen Ausbildung durch die ärztliche Selbstverwaltung – österreich- weit konsistent – einer kleinteiligen, superfödera- listischen Länderlösung zu opfern. Dann wären die Rahmenbedingungen für die ärztliche Aus- bildung nämlich im Bezirk Liezen teils andere als im Bezirk Murtal. Und in der Steiermark anders als beispielsweise in Kärnten, Tirol oder Wien. Und das kann keiner wollen und das will keiner. Also spricht alles dafür, die gut funktionierende, auf einer gesunden Basis stehende Abwicklung der ärztlichen Ausbildung beizubehalten. Die einzige Mühe ist es, neun Bundesländer dazu zu bringen, jetzt aktiv zuzustimmen. Damit die eine ärztliche Ausbildung im nicht allzu großen Land Österreich nicht durch 94 (so viele Bezirke hat unser Land) Spielarten der ärzt- lichen Ausbildung abgelöst wird. Das wollen die neun Landeshauptleute in diesem Land nämlich ganz sicher auch nicht. Vizepräsident Dr. Eiko Meister ist Obmann der Kurie Angestellte Ärzte. intra kont a Ein Outing: Ich wär so gern Verschwörungstheoretiker. Allein, es fehlt mir jegliches Talent. Das Leben wäre um vieles einfacher. Man hätte für alles eine Erklärung. Näm- lich EINE, die genau alles erklärt. Nie wieder mühevoll reflektieren, analysieren, kontextualisieren, recherchieren, abwägen, zuhören – frei nach Albert Camus‘ Sisyphos- Sager: „Man muss sich einen Verschwörungstheoretiker als glücklichen Menschen vorstellen.“ Schon allein der Emotionshaushalt. Statt unter ange- strengter Ratlosigkeit und permanentem moralischem Dilemma zu leiden, könnte man seine Wut zielgerichtet auf die „wahren“ Schuldigen und Drahtzieher des Übels richten und sich dabei auch noch als Auserwählten ei- ner Gruppe feiern, der die Wahrheit im Gegensatz zum verblendeten Volk exklusiv offenbart wurde – nur als Querdenker ist man in der Lage, die Machenschaften zu durchschauen. Sich als Auserkorener zu fühlen, hebt die Stimmung wie ein Doppler Spritzwein. Querdenken ist das Restl-Saufen in Zeiten geschlossener Wirtshäuser. Während unsereins die Pandemie im Spannungsfeld medizinischer, ökonomischer und soziologischer Impli- kationen vor dem Hintergrund geopolitischer Umbrüche, zunehmender Verteilungskämpfe und rechtsstaatlicher Balanceakte tagtäglich neu sortiert und sein Visier vor dem Dashboard multipler Parameter stets neu justiert, reicht dem Verschwörungstheoretiker ein knappes und befreiendes „Kurz muss weg“, „Die EU ist schuld“ und „Bill Gates will unsere Gehirne auffressen!“. So schlicht, so einfach! Zudem sind Theoretiker immun. Eine ausgeprägte Herden­ immunität schützt gegen Vernunft. Noch ist kein Impfstoff gegen Verschwöritis alias Morbus conspirans acutis be- kannt. Selbst wenn es einen gäbe, der Impfwille wäre wohl bescheiden. Die Schimpfbereitschaft umso größer. Das Phänomen wird bleiben. Eine Spontan-Mutation vom Verschwörungstheoretiker auf Entschwörungspraktiker ist derzeit nicht zu erwarten. Mag. Wolfgang Schober ist Chefredakteur des steirischen Wirtschaftsmagazins „SPIRIT of Styria“, www.spiritofstyria.at   2 d batte Wolfgang Schober Auf dem Weg zum Entschwörungspraktiker

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