AERZTE Steiermark | März 2021
18 Ærzte Steiermark || 03|2021 Kongress ursula scholz Vom Weltärztebund-Präsi- denten über Virologen bis hin zu Nobelpreisträgern brach- ten am Vienna Congress com. sult 2021 zahlreiche Experten (Anm.: im Gesundheitsbe- reich keine Frau) ihre Überle- gungen zur veränderten Welt im Würgegriff des neuen Co- ronavirus vor. Der beim Kongress verliehene „Golden Arrow“ ging an die Weltärzteschaft – in Anerken- nung ihrer immensen Leis- tung während der Pandemie. Verabschiedet wurde auch die „Vienna Declaration 2021“ , um aufgrund der Erfahrungen aus der COVID-19-Krise „die Notwendigkeiten des gezielten Ausbaus eines krisenfesten Gesundheitswesens, der Be- reitstellung ausreichender me- dizinischer Kapazitäten und verstärkter Investitionen in medizinische Forschung und Entwicklung“ ins Bewusstsein zu rufen. „Less propaganda“ „More experiments and less propaganda“, forderte Me- dizin-Nobelpreisträger Tim Hunt in seinen einführenden Worten zur Session „Wis- senschaft versus COVID-19“, wobei er anregte, auch die Sozialwissenschaften mögen sich mit COVID-19 beschäf- tigen. Dauerhafte Isolation könne nicht die Lösung sein. Der israelische Chemie-No- belpreisträger Dan Shecht- man konstatierte, das habe es noch nie gegeben, dass eine einzige infizierte Person die ganze Welt anstecke. Lobende Worte fand er für die Impfent- wickler („they did a fantastic job“). Israels Vorreiterrolle bei der COVID-19-Impfung erklärte er mit dem raschen Vorgehen der Regierung bei der Impfstoffbestellung, aber auch durch organisatorische Vorteile. Israel sei stark mili- tarisiert und daher immer auf das Unerwartete vorbereitet. Dazu komme ein Gesund- heitssystem, das wirklich alle Einwohner*innen versorge. Transmission erforschen Chemienobelpreisträger Kurt Wüthrich konzentrierte sich in seinem Statement auf die noch zu wenig erforschten Transmissionswege. 250 Forscher*innen hätten im Auftrag der WHO die Aus- breitung via Aerosole analy- siert und noch immer gebe es kein belastbares Papier darüber. Er richtete die Auf- merksamkeit auch auf Stadt- planung und Architektur: Großstädte seien ein absolu- tes Desaster für die Virusver- breitung – die in klimatisier- ten Gebäuden zirkulierende Luft müsse verlässlich desin- fiziert werden. Denn derzeit fänden nur 20 bis 40 Prozent Wiener Kongress: Perspektiven mit und nach Corona Der hybride Wiener Kongress 2021 com.sult tanzte den Corona- Reigen: Economy, Health und Innovation reichten einander die Hand, wobei dem Thema Gesundheit gleich zwei Panels gewidmet waren. der Corona-Positiven eine Er- klärung dafür, wo sie sich in- fiziert haben könnten. In der Diskussion um den Kampf gegen COVID-19 und die Zu- kunft der Wissenschaft kriti- sierten alle drei Nobelpreis- träger, dass in der Corona- Pandemie viel zu wenig auf Wissenschafter*innen gehört würde (aber auch, dass diese nicht mit einer Stimme spre- chen würden). Das sei nicht immer so gewesen, betonte Wüthrich. Beim Ausbruch von BSE hätte die Politik auf Expert*innen vertraut und binnen zwei Jahren war BSE eingedämmt. Als jedoch im Herbst 2020 Schweizer Immunolog*innen schon vor der nächsten COVID-19-Wel- le gewarnt haben, seien in Basel noch 17.000 Menschen im Fußballstadion zusam- mengesessen – mit dem Effekt explodierender Infektions- zahlen. Pandemie wie Feuer Im zweiten Panel ging es um Tests, Impfung und Thera- pien und was man aus der Krise lernen könne. Leonid Eidelman, früherer Prä- sident der World Medical Association (WMA), meinte, von den erfolgreichen asia- tischen Ländern, aber auch von Australien und Neusee- land könne man lernen, bei Ausbrüchen einen regionalen Schwerpunkt zu setzen und rasch konsequent alle positiv Getesteten zu isolieren. Für alle zugängliche Testpunkte seien dabei wichtig. WMA- Generalsekretär Otmar Kloi- ber fand deutliche Worte in Bezug auf Versäumnisse. Warnungen vor drohenden Pandemien seien nicht ernst genug genommen worden. Zudem habe COVID-19 Na- tionalismus und Egoismus gestärkt, wobei er die Pan- demie mit einem Feuer ver glich: Man müsse sofort dort löschen, wo es brennt, mit allem vorhandenen Wasser und nicht warten, bis das Feuer das eigene Haus er- reicht, um dann dort mit dem eigenen Wasser zu löschen. Kloiber monierte auch, dass vorhandene Daten nicht opti- mal genutzt würden. Medikamente entwickeln Stephan Ludwig, Leiter des Instituts für Molekulare Viro- logie der Universität Münster, betonte die Wichtigkeit von Therapiemöglichkeiten. CO- VID-19 sei eine Krankheit mit zwei Gesichtern: einer ersten Phase, in der sich das Vi- rus rasch repliziere, und einer zweiten, in der die überschie- ßende Immunreaktion zum Problem werde. Es brauche eine Kombinationstherapie; vielversprechende Kandidaten befänden sich in Entwicklung. Dabei sei es bemerkenswert, dass diese Arzneimittel durch- „More experiments and less propaganda“ Medizin-Nobelpreisträger Tim Hunt
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy NDYwNjU=