AERZTE Steiermark | Juli/August 2020
6 ÆRZTE Steiermark || 07/08|2020 BEREICH Eiko Meister Die Unvernunft darf nicht gewinnen Aus guten Gründen gibt es Selbstverwaltung. Sie stellt sicher, dass fachliche und sachliche Fragen nicht in den tagespolitischen Strudel geraten. Kluge Politikerinnen und Politiker früherer Zeiten haben sich ganz bewusst in Selbstbeschei- dung geübt, weil ihnen klar war, dass sie sich schwer tun, partei- und interessenpolitischen An- fechtungen zu widerstehen, auch wenn sie es für falsch halten, diesen Anfechtungen nachzugeben. Das ist mit ein Grund, warum es zum Beispiel Kammern gibt. Sie sind die Dämme zwischen Tagespolitik und fachlichen Notwendigkeiten. Die jüngste Änderung des Ärztegesetzes (vorder- gründig geht es „nur“ um die Zuständigkeit für die Ärzteliste) entspringt dem aktuellen politi- schen Interesse, diese Dämme dünner und schwä- cher zu machen. Das Motiv liegt auf der Hand: Mehr Staat gibt der Politik mehr Bedeutung, erleichtert es, dem eigenen Klientel eine Freude oder ein schnelles Geschenk zu machen, so un- vernünftig es auch sein mag. „Es kann nicht sein, dass eine kleine Abteilung mit Fachärzten plötzlich 15 Ärzte ausbildet“, hat der ausbildungserfahrene Arzt Werner Saxinger als Abgeordneter im Nationalrat gesagt. Dass so etwas im Interesse der auszubildenden Kolleginnen und Kollegen und der Patientinnen und Patienten nicht sein soll , liegt auf der Hand. Ob es nicht sein kann, werden die kommenden Monate zeigen. Es geht bei dieser Entscheidung um eine ganz einfache Frage: Werden sich die Vernünftigen, langfristig Denkenden durchsetzen, oder gewinnt die nur dem kurzfristigen Erfolg verpflichtete po- litische Unvernunft die Oberhand? Versprochen: Die Vernünftigen werden sich bemühen, aber ob sie sich durchsetzen, ist leider nicht gewährleistet. Denn die Unvernunft ist machtvoll. Vizepräsident Dr. Eiko Meister ist Obmann der Kurie Angestellte Ärzte. INTRA KONT A Im Nationalrat am 8. Juli 2020 (45. Sitzung) wurde das Ärzte- gesetz behandelt. Anlass war ein VfGH-Erkenntnis betreffend die Führung der Ärzteliste. Werner Saxinger, Nationalratsab- geordneter und Arzt, griff in seiner Rede (laut Protokoll) die Befürchtung auf, „dass die Länder nicht nur die Standesliste wollen, sondern auch die Zuständigkeiten für die Ausbildungs- stellen und für die Ausbildungsqualifikation“. … davor möchte ich persönlich auch eindringlich warnen. Ich war bis vor Kurzem Leiter der Ausbildungskommission in der oberösterreichischen Ärztekammer, und wir haben da auf- grund von Zahlen, Fakten, Personal und Qualitätskriterien genau festgelegt, wie viele Ärzte in einer jeweiligen Abteilung ausgebildet werden können. Es kann zum Beispiel nicht sein, dass eine kleine Abteilung mit drei Fachärzten plötzlich 15 Ärzte ausbildet. Nach der neuen Ärzteausbildungsordnung 2015 wird das alle sieben Jahre evaluiert und streng kontrolliert. Die Prüfung der ärztlichen Qualifikation und auch der Ausbildung bedarf einer großen Expertise, die in der Ärztekammer vorhanden ist und jahrelang aufgebaut wurde. Ich selbst habe des Öfteren fraglich verifizierte Zeugnisse von ärztlichen Kolleginnen und Kollegen begutachtet, die eine Ausbildung teilweise in der Ferne, im Ausland absolviert ha- ben und nun in Österreich als Ärztin oder Arzt arbeiten wol- len – also Vorsicht bei diesen im Endeffekt auch für Patienten wichtigen Überprüfungen der ärztlichen Qualifikation und Ausbildung! Prinzipiell halte ich aber den Wunsch der Länder nach mehr Daten zur Planungssicherheit für legitim. Ich bin auch über- zeugt davon, dass wir die nächsten Monate gut nützen werden und es uns auch gelingen wird, gemeinsam gute, vernünftige Lösungen zu finden, mit denen auch die Länder, das Ministeri- um und auch die Standesvertretung gut leben können. Primär geht es aber wirklich immer um Lösungen, bei denen Patienten darauf vertrauen dürfen, nur von topausgebildeten und geprüften Ärzten behandelt zu werden. Das muss unser oberstes Ziel sein und das schaffen wir auch. Prim. Dr. Werner Saxinger, MSc, ist Nationalratsabgeord- neter (ÖVP), Abteilungsleiter Dermatologie, KlinikumWels- Grieskirchen seit 1. Februar 2009, weiters Mitglied des ober österreichischen Landessanitätsrates. 2 D BATTE Werner Saxinger „… davor möchte ich eindringlich warnen“
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