AERZTE Steiermark | Juli/August 2020

42 ÆRZTE Steiermark  || 07/08|2020 ANGESTELLTE ÄRZTINNEN UND ÄRZTE ÄrztInnen in Ausbildung GEM/ EINSAM geben Einblick in ihren Alltag „Ein bisserl Unterschied muss sein“ Laut Duden leitet sich das Wort „Hierarchie“ vom griechischen „hierarchía“ (= Priesteramt, „hierós“= heilig, gottgweiht und „árch- ein“= Führer) ab. Allein von der Wortabstammung scheint das Wort „Hierarchie“ mit der Medizin, insbesondere den „Göttern in Weiß“, vergesellschaftet zu sein. Sucht man Synonyme, stößt man auf den Begriff „Hackordnung“, einen veralteten Begriff aus der „Hühnerhofpsychologie“. Dieser Ansatz scheint vorerst nicht auf die Medizin zu passen. Bei näherer Betrachtung kann ich aber einige Parallelen zur Welt der Jungmediziner ziehen. Szenenwechsel: Ein Gang in einem beliebigen Spital, es ist kurz vor Dienstschluss und Ärzte strömen zum Lift. Die Turnusärzte zu ihren Umkleiden in den Keller und das Stammpersonal ins Dach- geschoß in die Dienstzimmer. Turnusärztin/Turnusarzt betritt zeitgleich mit Oberärztin/Oberarzt den Lift und drückt den Knopf für das Untergeschoß. Es folgt eine lange Belehrung der Oberärz- tin/des Oberarztes darüber, dass eigentlich sie/er das Recht habe, zuerst den Knopf zu drücken. Jetzt müsse sie/er mit hinunterfah- ren, und der Dienstschluss wird um fünf Minuten verschoben. Der Vortrag endet mit „weil ein bisserl Unterschied muss schon sein“. Der norwegische Biologe Thorleif Schjelderup-Ebbe hat die Hackordnung im Hühnerhof so definiert: Dominante Hühner setzen ihren Führungsanspruch gegenüber aufmüpfigen Tieren mit einem Schnabelhieb durch. Aber: Ist es schon aufmüpfiges Verhalten, wenn eine Turnusärztin/ein Turnusarzt den Liftknopf schneller drückt als eine Oberärztin/ein Oberarzt? Oder könnte man hier auch die Frage nach dem Durchsetzen von „unkollegi- alen Befindlichkeiten“ über das Instrument „Hierarchie“ stellen? Ich habe aufgehört, mich damit zu beschäftigen, weil mir ein Satz aus Heinrich Manns „Untertan“ in den Sinn gekommen ist: „Nach oben buckeln, nach unten treten“. Die aktuelle Jungmedizinerriege gehört der „Generation Y“ an: Nach oben gibt es noch genug alteingesessene Ärztinnen und Ärzte zum „Buckeln“ und nach unten hin gibt es bereits vereinzelt welche zum „Treten“. Werden wir dieses System weiterhin aufrechterhalten, weil wir irgendwann Freude daran finden, je höher wir aufsteigen? Die „Generation Y“ gilt ja als stark angepasst, mit einer starken Tendenz zum Rückzug ins Privatleben („Neo-Biedermeier“). Ehrlicherweise muss ich zu- geben, dass ich dem „Neo-Biedermeier“-Trend durchaus etwas ab- gewinnen kann, aber nicht, weil ich unmotiviert bin, sondern weil ich die „Hühnerhofmentalität“ nicht ertragen und schon gar nicht über meine Generation „hinweg“-tragen will. Liebe Kollegen aus der „Generation Y“: Lasst uns dieses System überwinden – nicht alle Hühner müssen gleich sein. GEM/EINSAM – schreiben steirische Ärztinnen und Ärzte in Ausbildung über ihren Alltag im Beruf, im Leben und ihren Weg von „wilden Jungen“ zu „alten Profis“. enten, die sich zurecht bestens ausgebildete Ärztinnen und Ärzte erwarten dürften. Die gute Nachricht: Es ist nun ein Jahr Zeit für poli- tische Verhandlungen über die weitere Ausgestaltung des Ärztegesetzes. Und es ist zu hoffen, dass die Politik selbst die Ausbildung dem eigenen Einfluss entzieht – im Wissen, dass sie vor ta- gespolitischen Anfechtungen nicht gefeit ist und sich nur durch Selbsteinschränkung schützen kann. Ärzteliste politisch wenig interessant Eines ist jedenfalls klar: An der Führung der Ärzteliste können die Bundesländer kein Interesse haben. Denn die ist nur arbeitsintensiv und mühsam – politische Ehre verspricht sie nicht. Ein Punkt wurde im Natio­ nalrat angesprochen: Die Ärzteliste solle öffentlich und damit transparent sein. Das ist aber jedenfalls möglich, unabhängig von der Zustän- digkeit für die Führung. dagegen wehren können, wenn ein ausreichend mäch- tiger Bürgermeister verlangt, dass „sein“ Spital mehr Ärz- tinnen und Ärzte ausbilden darf oder statt einer Teil­ anerkennung (weil ein kon- kretes Spital nicht alle Aus- bildungsinhalte abdeckt) eine Vollanerkennung bekommt? Wird sie das vor allem auch dann können, wenn Wahlen bevorstehen? Obwohl Wahl- kampfzeiten ja Zeiten einer „fokussierten Unintelligenz“ sind, wie ein geflügeltes Wort des Wiener Altbürgermeisters Michael Häupl behauptet. Fachlich untadelige Ausbildung „Es darf gar nicht der Eindruck entstehen, dass die Rahmen- bedingungen für die ärztliche Ausbildung tagespolitischen Stimmungen ausgesetzt sind“, warnt Meister. Das sei im Interesse der Ärztinnen und Ärzte in Ausbildung („die ver- dienen eine fachlich untadelige Ausbildung ohne politische Einflussnahme“) genauso aus- zuschließen wie im Interesse der Patientinnen und Pati- Foto: Adobe Stock Ärztegesetz, Ärzteliste, Ärzteausbildung: ein Jahr Zeit für eine gute Lösung.

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