AERZTE Steiermark | Juli/August 2020
ÆRZTE Steiermark || 07/08|2020 25 Werde mich auf jeden Fall / eher schon COVID-19 IMPFEN Grafik: Conclusio Die Zahl 95 (Prozent) hat sich in die Gehirne eingebrannt. 95 Pro- zent müssen gegen Masern geimpft sein, um einen verlässlichen Gemeinschaftsschutz einer Population zu er- reichen – so die allge- meine Einschätzung. Diese Meinung ist natürlich nicht falsch. Geht man von der in der Literatur berichte- ten maximalen Infektiosität aus (sie ist ein wichtiger, aber bei weitem nicht der einzige Faktor), brauchen die Masern diese hohe Durchimpfungsra- te. Ähnlich hoch wie bei den Masern ist die Infektiosität nur mehr bei Pertussis. Für andere Krankheiten, gegen die es ebenfalls verlässliche Weltgesundheitsorganisation für die Influenza auch „nur“ eine erforderliche Durchimp- fungsrate von 75 Prozent. Ba- sierend auf der noch sehr frischen Studie dürfte für COVID-19 eine ähnlich hohe Durchimpfungsrate reichen. Das Problem ist nur: Wäh- rend die Durchimpfungsraten für die im Gratisimpfpro- gramm enthaltenen Krank- heiten den notwendigen Wert vielfach erreichen oder nur knapp darunter liegen (zu- mindest bei den steirischen Kindern im Vorschulalter), ist die Durchimpfungsrate für die Influenza in Österreich mehr als bescheiden – im letzten Jahr lag sie nach Stu- dien-Schätzungen bei unter 10 Prozent. Und schaut man Impfungen gibt, wie Diphthe- rie, Mumps, Röteln oder Po- lio, reichen geringere Durch- impfungsraten von rund 85 Prozent, um den wichtigen Gemeinschaf tsschutz zu erreichen. Der Grund: Die durch COVID-19 allgemein bekannt gewordene Basisre- produktionszahl R 0 (sie gibt an, wie viele weitere Personen eine infizierte Person durch- schnittlich ansteckt, falls die sie umgebende Population oder Subpopulation weder durch Impfung noch durch frühere Infektion geschützt ist), liegt bei diesen Krank- heiten deutlich unter der von Masern und Diphtherie. Noch deutlich darunter liegt die Infektiosität der Inf lu- enza. Deshalb empfiehlt die sich die aktuelle Influenza- Impfeinstellung an, wäre be- reits eine Impfbeteiligung von 20 bis 30 Prozent ein Riesen- erfolg, der sich nur mit einer großen und überlegten Kraft- anstrengung erreichen lässt. Für COVID-19 ist das Poten- zial zwar höher. Das bleibt jedoch Theorie, solange es keine Impfung gibt. Für die Impfbereitschaft der Bevöl- kerung ist die Infektiosität natürlich nur von begrenzter Relevanz. Da ist es wich- tig, welchen Schrecken eine Krankheit verursacht, hier spielt das Bewusstsein über die Letalität die entschei- dende Rolle. Beispiel: Ebola – die Infektiosität ähnelt zwar der Influenza, die Letalität ist aber extrem hoch. Impfen und politische Einstellung in Österreich ÖVP-Präferenten SPÖ-Präferenten FPÖ-Präferenten Indifferente, k. A. Neos-Präferenten Grünen-Präferenten Influenza Werde mich auf jeden Fall / eher schon eher nicht / sicher nicht impfen lassen Weiß nicht/keine Angabe eher nicht / sicher nicht impfen lassen Weiß nicht/keine Angabe Die Einstellung zum Impfen und die Partei-Einstellung hängen zusammen, wie eine für Österreicherinnen und Österreicher ab 16 Jahren repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Market klar belegt (sie wurde Ende April 2020 durchgeführt, befragt wurden 1.000 Personen). Die höchste Impfbereitschaft gibt es bei den Anhängerinnen und Anhängern von ÖVP, Neos und SPÖ, die niedrigste bei FPÖ-„Präferenten“ und „In- differenten“. Letztere haben auch den größten Anteil an einer indifferenten Einstellung zum Impfen. Die Anhän- gerinnen und Anhänger der Grünen liegen in der Mitte. In allen Gruppen ist die Bereitschaft, sich gegen die Influenza impfen zu lassen, deutlich niedriger als die Zustimmung zu einer COVID-19-Impfung. Obwohl es die noch gar nicht gibt, und es auch nicht klar ist, wann eine Impfung gegen dieses Corona-Virus allgemein ver- fügbar sein wird. Wie viel Prozent müssen geimpft sein?
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