AERZTE Steiermark | Jänner 2020

28 ÆRZTE Steiermark  || 01|2020 Foto: steiermark.at/Streibl „Ruhe bewahren in heiklen Situationen und klar filtern, was prioritär ist und was warten kann.“ Diese Fähig- keiten erachtet die neue Pati- entInnen- und Pflegeombuds- frau Michaela Wlattnig als ihre größten Stärken neben der fachlichen Kompetenz, die die Juristin und langjäh- rige Patientenanwältin in psy- chiatrischen Einrichtungen in ihr Amt mitbringt. Verfeinert hat sie ihre Stress- resistenz im Familienleben, schließlich ist sie auch sechs- fache Mutter. „Ich habe schon lange eine Führungspositi- on mit Gestaltungsmöglich- keiten angestrebt, sobald es mit den Kindern leichter geht, und wollte weiterhin im Be- reich der Patientenrechte tätig sein“, erklärt sie. Auf die Neu- ausschreibung der PPO nach der Pensionierung von Renate Skledar sei sie dann eher per Zufall gestoßen. Ihre Kinder sind nun zwischen 13 und 29 Jahre alt – inwieweit eine Familiensituation mit mehre- ren Pubertierenden wirklich als „leicht“ zu bezeichnen ist, sei dahingestellt – aber eine große Portion beruflicher Elan ist bei ihr deutlich zu spüren. Jedes Heim bis Ende 2020 In den ersten drei Mona- ten – Wlattnig ist seit Mitte September Ombudsfrau – hat Mehr Selbstbestimmung Die Bedürfnisse der Bewoh- nerInnen und ihrer Ange- hörigen sind ja naturgemäß nicht deckungsgleich. Den Sturm auf die Heimplätze nach Wegfall des Regresses sieht Wlattnig kritisch und findet dadurch das Selbstbe- stimmungsrecht älterer Men- schen eingeschränkt. Viele würden die Heimplätze allein aufgrund ihres Pflegebedarfs nicht brauchen und wollen dort auch nicht sein. „Es braucht gemeinde- und wohnortnahe Angebote, wie beispielsweise in Finnland. Wir müssen aufhören, in Pfle- gebetten zu investieren und stattdessen das Betreuungs­ angebot massiv ausbauen!“ Darunter fallen für sie auch Aktivitäten zur sozialen In- tegration – vom Tanzkurs bis zum Umgang mit dem Tablet. Die Angehörigen können nicht den gesamten Betreu- ungsbedarf decken, das sei ihr wichtig klarzustellen, aber das sei kein ausreichender Grund, sie sich vor allem um Bür- gernähe, die Aufwertung des Pflegebereiches in ihrer Tä- tigkeit und das Teambuilding bemüht. Die Zeiten der tele- fonischen Erreichbarkeit, um Termine mit den zuständigen Referentinnen zu vereinba- ren, wurden ausgeweitet: Nun kann man die PPO nicht nur vormittags, sondern bis 15 Uhr (freitags bis 13.30 Uhr) erreichen. Wlattnig konnte mehr Personal für den Pfle- gebereich erhalten, in dem sie auch regelmäßig Sprechstun- den in den Pflegewohnhei- men abhält. „Bis Ende 2020 möchten wir jedes steirische Pflegewohnheim einmal be- sucht haben“, so ihr Ziel. Begonnen hat sie damit gleich nach ihrem Amtsantritt. Zu Gute kommt ihr dabei die Ge- setzesnovelle vom März 2019, die Sprechstunden in Pflege- heimen nun auch expressis verbis gesetzlich verankert hat. „Derartige Sprechstun- den waren davor auch schon möglich, aber einige Heimbe- treiber haben die PPO nicht gerne gesehen.“ Aufgabe der PPO ist es, Wün- sche und Bedürfnisse der ge- pflegten Menschen aufzugrei- fen. In erster Linie seien es daher die Bewohnerinnen und Bewohner selbst, mit denen sie ins Gespräch käme, berichtet Wlattnig; erst in weiterer Folge gebe es manchmal Kontakte zu den Angehörigen. jemanden in einem Heim unterzubringen. „Ambulant geht immer vor stationär, nur muss dafür das entsprechende Angebot bereitgestellt wer- den“, betont Wlattnig. Den Bereich der Pflege möch- te die neue PatientInnen- und Pflegeombudsfrau langfristig gleichwertig wie den Spitals- bereich im Fokus haben. Gespräch statt Dokumentation Im Bereich der Krankenan- stalten wünscht sie sich mehr Partizipation der Patienten an Entscheidungen. „Die eigene Entscheidung ist so wichtig für die Zufriedenheit.“ Als Voraussetzung für mehr Arzt- Patientengespräche als Basis zur Ermöglichung von Selbst- bestimmung wünscht sie sich, „dass die Kommunikation zwischen Arzt und Patient als Leistung definiert wird“. Zeit- liche Ressourcen dafür wür- de sie durch Entlastung bei administrativen Tätigkeiten suchen. Womit sie wohl bei einer Vielzahl an angestellten „Kommunikation als Leistung definieren“ Die neue PatientInnen- und Pflegeombudsfrau Michaela Wlattnig setzt sich Bürgernähe zum Ziel, will den Pflegebereich gleichwertig mit dem Spitalsbereich positionieren und sieht im niedergelassenen Bereich die Zeit gekommen, gewohntes Ter- rain zu verlassen. PATIENT/INNEN- & PFLEGEOMBUDSSCHAFT „Wir müssen aufhören, in Pflegebetten zu investieren und stattdessen das Betreuungsangebot massiv ausbauen!“ „Ein permanenter Kampfmodus gegen eine Institution bringt nichts.“

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