AERZTE Steiermark | Mai 2018

9 ÆRZTE Steiermark  || 05|2018 COVER Fotos: Harry Schiffer 61 Autos sind Kleinwägen, mit denen unsere Firmenprüfer, Krankenprüfer und Mitar- beiterinnen und Mitarbeiter der Prävention fahren. Eigene geleaste Fahrzeuge sparen der Gebietskrankenkasse gegen- über einem Kilometergeldsys­ tem jährlich 104.000 Euro. Diese Fahrzeuge als „Bonzen- autos“ für Funktionäre hinzu- stellen, ist eine dieser Lügen. Eines ist mir auch gegenüber den Ärztinnen und Ärzten wichtig zu sagen: Die fünf Funktionäre, die eine fixe Ent- schädigung erhalten, kosten ungefähr so viel wie ein Nati- onalratsabgeordneter. Die 35 anderen Funktionäre kosten 18.500 Euro pro Jahr. Da geht es nur darum, eine Neid- debatte zu schüren, um die wirklichen Sauereien zuzude- cken. In Wahrheit geht es um Privatisierung und Selbstbe- halte und darum, politischen Einfluss zu nehmen. AERZTE STEIERMARK: Da hake ich ein. Sie haben auch in einem ORF-Interview gesagt, dass Sie Selbstbehalte für alle befürchten. Warum glauben Sie das? Harb: Was jetzt geschieht, wird dem System Geld ent- ziehen. Gleichzeitig will die Regierung Lohnnebenkosten senken. Das geht sich einfach nicht aus. Die Regierung wird Geld brauchen, um die Ver- sorgung aufrechtzuerhalten, und das wird eher früher als später zu Selbstbehalten führen. Das ist meine fes- te Überzeugung! Wenn wir uns mehr mit Prävention be- schäftigen würden, könnten wir vernünftig Geld sparen und würden gleichzeitig das Wohlbefinden der Menschen vermehren. Denn ein gesun- der Mensch ist immer glück- licher als ein kranker. AERZTE STEIERMARK: Ei- nen Punkt würde ich gerne noch ansprechen, der auch Gegenstand von Vorwürfen war: die Rücklagen, die angeb- lich Gegenstand von Spekula- tionen sind. Wie viele gibt es tatsächlich? Warum gibt es sie, wie sind sie angelegt? Harb: Insgesamt sind es in Österreich 6 Milliarden Euro, bei der Steiermärkischen Ge- bietskrankenkasse beläuft sich die Höhe der Leistungs- sicherungsrücklage aktuell auf rund 145 Millionen Euro. Das ist ein Zwölftel des Aufwandes für Versicherungsleistungen, dazu sind wir gesetzlich ver- pflichtet. In der Steiermark ha- ben wir übrigens nicht einmal die gesetzlich korrekten mün- delsicheren Veranlagungen gewählt, die mit dem Speku- lationsvorwurf vielleicht ge- meint waren. Bei uns ist es ein ganz normales Bankgeschäft: Das Geld liegt auf gesicher- ten Konten bei vielen Banken mit entsprechender Streuung, um die Risiken zu minimie- ren. Dabei werden wir von unserem Kontrollorgan, dem Ministerium, streng geprüft. Mit dem Spekulationsvorwurf wollte man nur negative Stim- mung erzeugen. AERZTE STEIERMARK: Kommen wir zur medizi- nischen Ebene. Was wäre auf der Versorgungsebene so schrecklich, hätten wir ein Sys- tem wie in den Niederlanden, der Schweiz und Deutschland, in dem die Versicherten eine Wahlmöglichkeit haben? Harb: Der deutsche Ökonom Günter Danner hat bei einem Vortrag auf Einladung der Wirtschaftskammer in Wien gesagt, er verstehe die Dis- kussion in Österreich nicht. Nach seiner wissenschaftlich hinterlegten Meinung gebe es in Europa derzeit zwei Länder mit einem gut funk- tionierenden Gesundheitssys­ tem, nämlich Deutschland und Österreich. Die beiden Länder haben bei allen Un- terschieden Eines gemeinsam: selbstverwaltete Strukturen. Wenn der Sozialstaat wie in Schweden an seine Grenzen stößt, wird bei der Gesundheit gespart. Im verstaatlichten schwedischen System gibt es vielfach längere Wartezeiten Josef Harb: „Ich mag mich nicht ein- mal verteidigen, weil das Niveau der- artig tief ist.“

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