AERZTE Steiermark | Mai 2018
COVER 8 ÆRZTE Steiermark || 05|2018 „Die Beiträge der Menschen gehören nicht dem Staat“ und andere Vorwürfe an – was ist Ihre Antwort darauf? Harb: Da sind bei einer Pressekonferenz drei, vier Be- hauptungen in den Raum gestellt worden. Bis auf die Botschaft „Ja, wir müssen sie angehen, die Veränderung unserer Sozialversicherungs- landschaft“ ist aber keine In- formation gekommen. Aber wir kennen ja die Vorwürfe: „In den Kassen gibt es Bon- zenwirtschaft, in den Kassen gibt es zu viele Dienstwä- gen, die Kassen spekulieren mit Versichertengeldern und dann gibt es noch die Pensi- onsgeschichte.“ Leider haben fast alle Medien diese Fake News eins zu eins übernom- men und teilweise noch ver- stärkt. Den Kurier nehme ich dezidiert aus, der hat noch am selben Tag bei mir nach- gefragt. Das war die Realität, der wir gegenüberstanden. Ich mag mich nicht einmal verteidigen, weil das Niveau derartig tief ist. Der wirk- liche Hintergrund ist, dass man eine parteipolitisch ge- triebene Umfärbelungsaktion initiieren will. Derzeit sind die Vertreter in der Selbstver- waltung vorwiegend von der MARTIN NOVAK AERZTE STEIERMARK: Herr Harb, werden Sie der letzte Obmann einer eigen- ständigen steirischen GKK und der erste einer steirischen Regionalstelle der österreichi- schen Gesundheitskasse sein? Harb: Ich kann weder das Eine noch das Andere bestäti- gen oder ausschließen. Meine persönliche Überzeugung ist, dass es jedenfalls nicht klug für die Menschen in Öster reich wäre, wenn ich der Letz- te wäre, der eine eigenständige steirische Gebietskrankenkas- se als Obmann mitgestaltet und Entscheidungen im Sinn der Bevölkerung mitbeein- flusst. MeineMotivation, mich für die Menschen und für eines der weltweit besten Ge- sundheitssysteme einzusetzen, ist jedoch ungebrochen. Wir sind davon überzeugt, dass wir das Richtige tun. Wir sind auch dazu bereit, Dinge noch besser zu machen, aber mit einem evolutionären und kei- nem revolutionären Ansatz. Die wirklichen Intentionen, die hinter den Reformplänen stehen, hat man Ende April relativ gut erkennen können. Eine sachliche Bereitschaft, etwas für das Gesundheits- system zu tun, ist nicht mehr ableitbar. Der Versuch, ein System mit nachweisbaren Fake News zu desavouieren – das ist einfach gelogen. AERZTE STEIERMARK: Sie sprechen die Privilegien- Arbeitnehmerseite und auch von der Arbeitgeberseite ent- sandte Personen, die aber de- mokratisch legitimiert in die- se Positionen gekommen sind. Da kommen die Blauen halt nicht vor, und jetzt muss et- was geschaffen werden, damit wir die Blauen unterbringen. Das ist die eine Geschichte. Die zweite, vor der ich min- destens genauso Angst habe wie vor überforderten Par- teigängern, ist eine groß an- gelegte Privatisierungswelle. Da ist auch der bürgerliche Regierungsanteil relativ gut vertreten. Die Förderer sind Großindustrie, Konzerne, die Industriellenvereinigung. Da sollen ganz klar Geschenke verteilt werden. Ich nenne als konkretes Beispiel eines Ge- schenkes die Beitragsprüfung, die aus den Kassen herausge- löst werden soll. Was ist der Grund dafür? Die Qualität der GKK-Prüfung ist unbe- stritten gut. Die gemeinsame Prüfung mit dem Finanz- amt funktioniert problem- los. Der einzige große Un- terschied besteht darin, dass unsere Prüfer nach einem Anspruchsprinzip prüfen und das Ministerium nach einem Zuf lussprinzip. Der Prüfer des Ministeriums schaut sich die Gehälter an und prüft, ob Steuern und Sozialversi- cherungsbeiträge abgeführt wurden. Unsere Prüfer schau- en auch, ob die Höhe der Gehälter gesetzeskonform ist. Wenn das nicht der Fall ist, müssen Steuern und SV- Beiträge für die korrekten Ge- hälter in einem gewissen Zeit- raum nachbezahlt werden. Und es muss ab Vorliegen des Prüfungsergebnisses das kor- rekte Gehalt bezahlt werden. Wenn die Prüfung durch eine eigenständige Gesellschaft nur nach dem Zuflussprinzip stattfindet, ergibt das derzeit rund 200 Millionen weni- ger an Nachzahlungen pro Jahr. Das wird sich aber noch steigern, weil sich das Verhal- ten der Unternehmen ändern wird. Das wird in kürzester Zeit ein Milliardengeschäft und beweist, dass das Sturm- reifschießen der Gebietskran- kenkassen nichts mit einer Verbesserung des Systems zu tun hat. AERZTE STEIERMARK: Sie wollen auch über den Dienst- fahrzeug-Vorwurf reden … Harb: 160 Dienstfahrzeuge in Österreich, einen Großteil davon finden Sie in der GKK Steiermark, nämlich 63. Das sind zwei Pool-Autos, die von der Selbstverwaltung, der Di- rektion, den Abteilungslei- tern und Mitarbeitern, die auf Dienstreisen fahren, genützt werden können. Die restlichen Josef Harb, Obmann der steirischen Gebietskrankenkasse, plädiert leidenschaftlich für die Selbstverwaltung, fürchtet eine „Feigenblatt-Selbstverwaltung“ und will Strukturen, in denen Ärztinnen und Ärzte mehr Zeit für ihre Patientinnen und Patienten haben. „Leider haben fast alle Medien diese Fake News eins zu eins übernommen und teilweise noch verstärkt.“ Josef Harb
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