AERZTE Steiermark | Mai 2018

ÆRZTE Steiermark  || 05|2018 7 Fotos: Oliver Wolf, Elke Meister, Harry Schiffer, www.mediendienst.com/Wike, Grafik: Konrad Lindner In Wien wurde ein GKK-Abschluss erzielt, der für ganz Österreich von Interesse ist. Er bringt vor allem eine Stärkung der Grundversorgung. Allerdings, so Kritiker, sind die Verbesserungen nur für einen begrenzten Zeitraum finanziell ab- gesichert. Es muss aber, das ist meine tiefe Überzeugung, die ärztliche Versorgung langfristig abgesichert werden. Es kann nicht nur darum gehen, die Si- tuation für wenige Jahre zu planen. Es muss weit über Legislaturperioden hinaus geplant werden. Egal, ob Geld in verbesserte Planstellenstruk- turen (samt individuell gestaltbaren Zusammen- arbeitsformen) oder eine Modernisierung des Leistungs- und Tarifkatalogs investiert wird, für Patientinnen und Patienten ist genauso wichtig wie für die leistungserbringenden Ärztinnen und Ärzte, dass die Rahmenbedingungen auch in zehn, 15 Jahren noch stimmen. Eine volatile politische Lage und Wahlen aller Art sind keine hinreichende Begründung dafür, in der Gesundheitsversorgung nicht langfristig zu planen und weitsichtig zu agieren. Die jüngeren Kolleginnen und Kollegen, die heute dafür begeistert werden sollen, in die Kas- senmedizin zu gehen, wissen nämlich ganz genau, dass berufliche Entscheidungen, die heute getrof- fen werden, sie sehr lange binden. Derzeit ist es der realpolitische Weg, Reformen in der Hoffnung zu planen, dass es irgendwie schon weitergehen wird. Ich bin überzeugt, dass das nicht funktionieren wird. Es wird deswegen nicht funktionieren, weil es diejenigen nicht überzeugen kann, die langfristig in die eigene Zukunft investieren wollen. Solche Erwartungen zu erfüllen, ist eine Herausforderung. Aber die muss angenommen werden, wenn das Gespenst des Kassenärztemangels tatsächlich gebannt wer- den soll. Vizepräsident Dr. Norbert Meindl ist Obmann der Kurie Niedergelassene Ärzte. EXTRA Norbert Meindl Gute Reformen sind immer langfristig STANDORTBESTIMMUNG Herwig Lindner ELGA, E-Medikation und eine Vertrauenskrise Dass Ärztinnen und Ärzte etwas gegen elektronisch verfügbare Patientendaten haben, ist blanker Unsinn und war immer schon Unsinn. Ärztinnen und Ärzte haben etwas gegen nicht funktionie- rende Technik. Sie haben etwas gegen hohe Kosten, immer mehr Bürokratie und ja, gegen den Missbrauch der sensibelsten Daten, die es über Menschen gibt – ihre Gesundheitsdaten. Wir reden natürlich von ELGA und E-Medikation. Die Technik hat nicht immer funktioniert, eine finanzielle Einigung (mit der nicht alle zufrieden sind) gibt es endlich. Dass der Computer in der Praxis immer mehr von der Zuwendung zur Patientin, zum Patienten ablenkt, ist ein Kollateral- schaden, der zähneknirschend hingenommen wird. Der Datenschutz ist im ELGA-Gesetz sehr gut ab- gesichert. Nur Behandlerinnen und Behandler ha- ben Zugang zu den Informationen, Dritte bleiben ausgesperrt. Die Patientinnen und Patienten haben diesem Versprechen offenbar geglaubt, „nur“ drei Prozent, so wird immer wieder stolz vermeldet, sind ausgestiegen. Jetzt ist aber ELGA noch gar nicht überall ange- kommen, der Rollout für die E-Medikation hat gerade erst begon- nen – und schon ist alles anders. Im Namen der Forschung dürfen die sensiblen ELGA-Gesundheitsdaten ganz plötzlich auch von kommerziellen F&E-Institutionen genutzt werden. Anonymisiert, aber vielleicht nicht ganz. Die ersten Konsequenzen gibt es bereits: Die Zahl der ELGA-Aus- steiger hat sich verdoppelt, meldete eine Tageszeitung. Der Wert von ELGA und E-Medikation wird für die behandelnden Ärz- tinnen und Ärzte umso geringer, je mehr Lücken das System hat, weil ihm die Patientinnen und Patienten weniger vertrauen. Forschung ist wichtig, ohne Zweifel. Aber wenn die wissenschaft- liche Nutzung der Grund dafür ist, dass der Wert für die Behand- lung sinkt, dann ist das ein Schaden, der kaum größer sein könnte. Und dann sinkt auch der Wert für die Wissenschaft, die ja auch keine Lücken haben wollen kann. Und so werden ELGA und E-Medikation zum Symbol einer Ge- sundheitspolitik, die alles will und gerade deswegen weniger er- reicht als sie könnte, wenn sie klare Prioritäten setzen würde, wenn die linke Hand wüsste, was die rechte tut. Und: Die Forschung ist bisher ohne ELGA-Daten ausgekommen. Also unverzichtbar sind sie offenbar nicht. Dr. Herwig Lindner ist Präsident der Ärztekammer Steiermark. DEBATTE

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