AERZTE Steiermark | Mai 2018

ÆRZTE Steiermark  || 05|2018 11 COVER Fotos: Harry Schiffer Ein Kino oder ein Theater werde ich in einer entlegenen Region nicht anbieten kön- nen, aber unter Umständen finanzielle Anreize. Wir spre- chen aber auch über Grup- penpraxen, wir sprechen über Jobsharing, um die At- traktivität zu erhöhen. Da sind die Ärztekammer und die Gebietskrankenkasse in sehr guten Gesprächen. Eine Möglichkeit sind Primärver- sorgungseinrichtungen als Ergänzung zum klassischen niedergelassenen Bereich. Ein Mehrwert für die Bevölke- rung muss das zusätzliche medizinische Angebot sein. Wir sind in Österreich sehr arztzentriert. Mir wäre es lieber, wenn die Ärztinnen und Ärzte für Patientinnen und Patienten, die sie wirk- lich brauchen, lang und gut Zeit hätten und solche, die vielleicht nur eine Wundver- sorgung brauchen, vielleicht mit einer Diplomkranken- schwester vorliebnehmen. Da können wir die Qualität er- höhen, ohne die Hamsterrad- Situation für die Ärztinnen und Ärzte zu verstärken. Wir können damit auch die Möglichkeit der Ausbildung verbessern. Primärversor- gungseinrichtungen wären ideale Standorte für Lehrpra- xen, glaube ich. Wir haben ja schon einige Primärversor- gungseinrichtungen und ar- beiten mit der Ärztekammer und dem Landesgesundheits- fonds sehr gut zusammen. Da hoffe ich auf zusätzliche Dynamik. Wir als Kasse ha- ben einen Versorgungsauf- trag, die Ärztinnen und Ärzte haben keinen gesetzlichen Versorgungsauftrag, aber sie erfüllen ihn. Sie sind unsere wichtigsten Partner. AERZTE STEIERMARK: Sie haben das Hamsterrad angesprochen. Das Honorar- system für niedergelassene Kassenärztinnen und -ärzte fördert es, möglichst viele Pa- tientinnen und Patienten in möglichst kurzer Zeit durch- zuschleusen. Da könnte die GKK ja recht einfach etwas tun, um die Situation für Ärztinnen und Ärzte und Pa- tientinnen und Patienten zu verbessern. Harb: Gegenfrage: Was wäre das Einfache? AERZTE STEIERMARK: In- dem Ärztinnen und Ärzte mit sechs statt mit 20 Patientinnen und Patienten pro Stunde ein vernünftiges Einkommen erreichen. Harb: Das wäre eine Pauscha- lierung … AERZTE STEIERMARK: … es könnten auch einzelne Leistungen besser honoriert werden … Harb: Ich persönlich bin kein Freund der aktuell bestehen- den Honorarordnung. Da müssen wir weg. AERZTE STEIERMARK: Weg heißt wohin? Harb: In Richtung mehr Pauschalierung. Nicht jeder einzelne Handgriff soll abge- rechnet werden, sondern die Behandlung eines Falles. Das muss so gestaltet werden, dass die Ärztin, der Arzt genug Zeit für die Patientin, den Patienten hat. Aber eines ist auch klar: Wir können die finanzielle Abgeltung nicht so gestalten, dass es gleich viele Leistungen zu höheren Tarifen gibt. Weil dann bleibt das Hamsterrad bestehen. Wir müssen schauen, wo es Mehrwert in der Versorgung gibt. Es gibt den bösen Begriff der „Überarztung“. Da müs- sen wir gemeinsam Lösungen finden, damit wir das System nicht wirtschaftlich überlas­ ten und trotzdem eine mög- lichst optimale medizinische Versorgung garantieren. Das geht aber nicht von heute auf morgen, das muss step by step umgesetzt werden. Das große Problem ist, dass wir die Pa- tientenströme derzeit nicht lenken können. Ich will aber keineswegs die freie Arztwahl abschaffen. Josef Harb: Mir wäre es lieber, wenn die Ärztinnen und Ärzte für Patientinnen und Patienten, die sie wirklich brauchen, lang und gut Zeit hätten.“

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