AERZTE Steiermark | Mai 2018

COVER 10 ÆRZTE Steiermark  || 05|2018 als in Österreich. Ebenso in Frankreich: Dort wurde An- fang der 90er-Jahre auf ein verstaatlichtes System umge- stellt. Dieses System steht jetzt vor dem Kollaps, nicht das ös- terreichische. Eine Rund-um- die-Uhr-Versorgung durch den niedergelassenen Bereich wird sich schwer machen las- sen. Dann werden Praxen zu Ersatzspitälern, das wird nicht funktionieren. Das Schlimm- ste sind Systeme, in denen die Mitteleinhebung verstaatlicht und die Mittelverwendung privatisiert ist. Dann ist das Interesse, mit dem vorhan- denen Geld auszukommen, gering. Wollen wir in Ös- terreich dorthin? Kein Geld der Welt könnte alle Begehr- lichkeiten des Gesundheits- marktes befriedigen – so viel Geld können Sie gar nicht bereitstellen! Der Gesund- heitsbereich bietet unzählige Anreize für Wirtschaftsbe- triebe, nicht umsonst spricht die Wirtschaftskammer nur mehr von einem Gesundheits- markt. Ob durch den Markt ein Mehrwert für die Patien- tinnen und Patienten entsteht, ist für sie sekundär, behaupte ich. Die Rolle der Wirtschafts- kammer ist es, den Unterneh- men zu helfen. Meine Rolle ist es, danach zu trachten, die vorhandenen Mittel im Sinne der Steigerung der all- gemeinen Gesundheit mög- lichst gut einzusetzen. Das ist unsere Aufgabe, darauf bin ich vereidigt. Der Staat hat ein Gesamtbudget. Wenn er ist ja relativ hoch, aber 35 von 40 Funktionären bekommen nur Kilometergeld, wenn sie zu einer Sitzung fahren und 42 Euro Sitzungsgeld pro Tag. Was nach den derzeitigen Plä- nen übrigbleiben soll, ist nur mehr eine Feigenblatt-Selbst- verwaltung. AERZTE STEIERMARK: Zur Kritik von Professor Huss­ lein an den überlasteten Am- bulanzen: Auch die steirischen Ärzte sagen, dass die Notfall- aufnahmen und Ambulanzen überlastet sind und viele Patientinnen und Patienten dorthin gehen, obwohl sie im extramuralen Bereich besser aufgehoben wären. Es gibt aber keine Anreize für die Pa- tientinnen und Patienten, das medizinisch Vernünftige und volkswirtschaftlich Günstigste zu tun. Das führt dazu, dass niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sogar umgangen werden. Müsste man da nicht dringend etwas tun? Harb: Ja, aber ich möch- te eine Zahl vorausschicken: Österreich hat 5,1 Ärztinnen und Ärzte je 1.000 Einwohne- rinnen und Einwohner … damit nicht auskommt, muss er anfangen zu sparen, das ist ja okay. Nur vom Schul- denmachen können wir nicht leben. Jetzt muss aber jemand entscheiden, wie die Ausgaben verteilt werden. Kaufen wir ein paar Abfangjäger, bauen wir Straßen oder investieren wir ins Gesundheitssystem? Und in allen Ländern, die Günter Danner beschrieben hat, wurde Geld aus dem Ge- sundheitssystem abgezogen, um es in anderen Bereichen zu verwenden. In einer Selbst- verwaltung geht das nicht. Die Beiträge der Menschen gehö- ren hier nicht dem Staat und auch die Verwaltung gehört ihm nicht. Auch die Verwen- dung der Mittel kann er nur durch Gesetze mitbeeinflus- sen. Ein Journalist hat uns als Hobby-Funktionäre bezeich- net. So ist es, wir machen das ehrenamtlich, arbeiten aber in allen Bereichen eng mit den Expertinnen und Experten des Hauses zusammen! Wir kommen aus der Mitte der Versicherten und vertreten langfristig deren Interessen. Dafür bekommen wir nur einen Kostenersatz. Meiner AERZTE STEIERMARK: … von denen aber immer weniger in die öffentliche Gesundheits- versorgung gehen … Harb: … aber es gibt diese Ärztinnen und Ärzte. Es sind nur nicht genug von ihnen versorgungswirksam. Da ha- ben wir definitiv ein Problem. AERZTE STEIERMARK: Wie lösen wir das Problem? Harb: Wenn ich dafür ein Patentrezept wüsste, hätte ich wahrscheinlich ausgesorgt. Diesem Problem muss man mit vielen Schritten entge- gentreten. Was wir nicht tun dürfen, ist Panik zu erzeugen. In Wahrheit sind immer noch 98 bis 99 Prozent der Kassen- stellen besetzt. AERZTE STEIERMARK: Wir wissen aber auch, dass bei den Neuausschreibungen die Schwierigkeit, Kassenstellen zu besetzen, immer größer wird. Harb: Ja, in gewissen Regi- onen … AERZTE STEIERMARK: … in vielen Regionen … Harb: Ja, es ist schwieriger ge- worden, das steht außer Zwei- fel. Es braucht ein Umdenken, es braucht einen Neuzugang. Aber es gibt nicht die EINE Lösung, die alle Probleme beseitigt. Für mich sind mög- liche Zugänge, Attraktivie- rungen in den klassischen niedergelassenen Einzelpra- xen zu schaffen, etwa regio- nale Nachteile auszugleichen. „Wenn ich dafür ein Patentrezept wüsste, hätte ich wahrscheinlich ausgesorgt. “ Josef Harb

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