AERZTE Steiermark | April 2018
32 ÆRZTE Steiermark || 04|2018 WIRTSCHAFT & ERFOLG WALTER HOCH Bereits in den Jahren 2010/2011 führte die Univer- sitätsklinik für Psychiatrie der Meduni Graz im Auftrag der Österreichischen Ärz- tekammer eine Studie zum Thema „Burnout bei Ärzt Innen“ durch. 6.249 auswert bare Datensätze brachten das Ergebnis, dass sich weit über die Hälfte der ÄrztInnen in unterschiedlichen Phasen eines Burnouts befanden. Bei 11,1 % waren Symptome einer klinischen Depression gege- ben. Studienleiter Peter Hof- mann, Neurologe und Psychi- ater, eruierte, dass besonders männliche Spitalsärzte bis 47 Jahre gefährdet waren – insbesondere jene, die eine Ausbildung zum Facharzt ab- solvierten bzw. Turnus- und Fachärzte. Medizin kann krank machen – v. a. ÄrztInnen Das Burnout-Risiko von Ärz- tinnen und Ärzten ist signifi- kant höher als jenes vergleich- barer Berufsgruppen wie Leh- rer oder freiberuflich Tätiger wie etwa Juristen, Psycholo- gen etc. Journaldienste und Rufbereitschaft können Burn- out ebenso mitverursachen wie überbordende Bürokratie. Auch die Depressions- und Suizidraten von ÄrztInnen liegen übrigens über dem Be- völkerungsdurchschnitt. Mitte 2015 wurden für die Studie „Belastungen am Ar- beitsplatz steirischer Ärzt Innen“ – durchgeführt vom Institut für Psychologie der Universität Graz (Paul Jimé- nez, Anita Dunkl), Meduni Graz (Prof. Hans-Peter Kapf- hammer, Walter Wurm) und der Ärztekammer Steiermark – 807 steirische Ärztinnen und Ärzte befragt. Neben Fragebögen kam u. a. die Messung per Maslach Burn- out Inventory zum Einsatz. Studienleiter Jiménez kam zum Schluss, dass „viele Wer- te im Beanspruchungsbereich bei Ärztinnen und Ärzten höher als in der österreichi- schen Bevölkerung“ sind. Al- lerdings gebe es Unterschiede: „So zeigt sich bei niedergelas- senen ÄrztInnen ein deutlich geringerer Anteil an kritisch Belasteten im Vergleich zu angestellten“, so Jiménez. 2014 untersuchten Sven Schulz, Facharzt für Allge- meinmedizin am Institut für Allgemeinmedizin des Uni- versitätsklinikums Jena, et al. in einer Studie die „Ärztege- sundheit bei Hausärzten“. Ihr Fazit, das in der Zeitschrift „Der Hausarzt“ veröffentlicht wurde: „Hausärzte reagieren oft zu spät, zu eigenmächtig und auf ungünstigen Wegen, wenn es um ihre Gesundheit geht.“ 95 % von den damals be- fragten Hausärzten in Sach- sen und Thüringen thera- pierten ihre Erkrankung selbst, 92 % ergriffen Maß- nahmen der Selbstdiagnostik, 56 % nützten die informelle Konsultation, d. h. sie spra- chen kurz am Telefon mit Kollegen. Knapp 58 Prozent gaben an, unter einer chro- nischen Erkrankung zu leiden (am häufigsten im Herzkreis- lauf-, Muskelskelett-, Stoff- wechselsystem). Nur 19 % der befragten Hausärzte hatten laut Schulz selbst einen Haus- arzt. In eigener Sache nicht objektiv Selbstdiagnose kann aber wirklich ins Auge gehen, denn „Ärzte, die sich selbst behandeln, sind nicht objek- tiv gegenüber sich selbst“, so Prof. Jochen Gensichen vom Institut für Allgemeinmedi- zin des Uniklinikums Jena in der Studie von Schulz et al. Es fehle die professionelle Distanz eines Behandlers, die eine systematische Zusam- menschau der Einzelbefunde ermöglicht, Krankheitssym- Der Kollege als Patient Ärzte sind keine guten Patienten, lautet wenig schmei- chelhaft ein geflügeltes Wort. Kein Wunder, meinen doch viele, als Fachleute auch bestens Bescheid wissen zu müs- sen, wenn sie selbst krank werden. Expertise lebt aber von Distanz – das gilt auch für die Heilkunst in eigener Sache. Barriere Anteile in % Viel selbst kurieren wollen/können 62 Als Selbstständiger keinen Bedarf an AU-Bescheinigung 43 Fehlende Zeit 33 Kollegen nicht belasten wollen 15 Kollegen nicht in unangenehme Situation bringen 7 Andere 7 Fehlendes Vertrauen 5 Ergebnisse der Befragung thüringer und sächsischer Hausärzte: Deutscher Hausärzteverband; Der Hausarzt 07/2016 „Ach, wenn Sie wüssten, wie schwer es einem Arzte fällt, einen Kranken richtig zu beurteilen, den er von Herzen lieb hat!“ Henrik Ibsen
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