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Was Fragen sagen

von Josef Ruhaltinger

Viele Patientenfragen enthalten für den Arzt wichtige zusätzliche Hinweise. Er muss die - oft versteckten - Informationen allerdings auch zu deuten wissen.


Der Beruf des Arztes verlangt die Gabe des richtigen Hinhörens. Denn die wahren Patientenanliegen kommen oft nur versteckt zum Ausdruck. Fragen der Patienten nehmen dabei eine wichtige Stellung
ein: Sie formulieren häufig in verschlüsselter Weise Bedürfnisse, die den Patienten besonders bewegen. Dr. Linus Geisler, emeritierter Chefarzt für Innere Medizin in Gladbeck und Universitätsprofessor in
Bremen und Gießen, hat sich in seinen Arbeiten stark mit den Gesprächen zwischen Arzt und Patienten auseinander gesetzt. Fragen hält er für eine der „wichtigsten, weil unbewussten Mitteilungsformen
des Patienten, wie es ihm wirklich geht. Der Arzt muss nur fähig und willens sein, diese Hinweise auch zu verstehen.“ Dabei ist der Patient, der fragt, kein Bittsteller oder Störenfried. Für Geisler „verstößt es gegen alle Prinzipien der Wertschätzung und der partnerschaftlichen Arzt-Patienten- Beziehung, Patientenfragen unvollständig, ausweichend oder gar nicht zu beantworten“.

Aktives Zuhören.

Es gibt viele Gründe, warum ein Patient Fragen stellt: Die Frage kann einfach seinem Informationsbedürfnis entspringen. Der Patient kann fragen, weniger um eine Antwort, als vielmehr Zuwendung zu bekommen. Bei der Frage kann es sich um einen Hilferuf handeln. Sie kann ein Signal der Angst, Verzweiflung oder Hoffnungslosigkeit sein. Und sie kann als Vehikel dienen, einen sonst nicht verbalisierbaren Inhalt zu „transportieren“. Aktives Zuhören ist die beste Methode, um herauszufinden, welches  Bedürfnis sich in Wirklichkeit hinter der gestellten Frage verbirgt. Ein Patient, der fragt: „Bekomme ich morgen wieder eine Injektion?“ will wissen, wie lange die Behandlung noch dauert und ob sie bisher erfolgreich war.

Fragekategorien.

Linus Geisler unterteilt dabei mehrere Kategorien an Patientenfragen:
 
■ Die Stellvertreterfrage wird statt einer anderen Frage gestellt, die dem Fragesteller peinlich oder unbehaglich ist. Geisler: „Hinter der Frage eines Asthmatikers: ‚Muss ich für den Rest meines Lebens
Kortison einnehmen?‘ steht in Wirklichkeit die Frage: ‚Ist mein Asthma heilbar?‘ Liegt die Vermutung nahe, dass es sich um eine solche Stellvertreterfrage handelt, so sollte die dahinter stehende Frage an
den Tag gebracht werden: ‚Ich habe den Eindruck, dass Sie mir diese Frage aus einem besonderen Grund stellen. Trifft das zu?‘„

■ Die Wiederholungstäter unter den Fragestellern stürzen ihren Arzt in milde Verzweiflung: Sie stellen immer wieder die gleiche Frage. In diesem Fall ist es entscheidend, die Gründe dafür herauszufinden.
Erwartet er eine andere Antwort, als er sie bekommen hat? Sind Ängste das hintergründige Motiv des wiederholten Fragens? Der Arzt tut sich und seinem Patienten Gutes, wenn er den wahren Grund für
den Fragen-Bumerang aufspürt und ausräumt.

■ Die Zetterlfrager:
Patienten, die mit einem mehr oder minder umfangreichen, meist handgeschriebenen Fragezettel in die Sprechstunde kommen, lösen in der Regel innere Stoßseufzer aus. Dies ist unbegründet: Das
Durchgehen des Fragezettels spart Zeit, weil die strukturierte Besprechung von Problemen intensiver abläuft. Laut einer US-Studie kamen unter 900 beobachteten Patienten 72 (acht Prozent) mit einem
vorbereiteten Fragenkatalog in die Ordination oder Ambulanz. Ausuferndes Fragen lässt sich eindämmen, indem man beispielsweise fragt: „Was sind die zwei wichtigsten Punkte, die Sie mit mir
besprechen wollen?“

■ Der Verweigerer:
Ein Patient, der keine Gegenfragen stellt, sollte seinen Arzt misstrauisch stimmen. Vielleicht hat sich der Arzt so unverständlich ausgedrückt, dass der Patient es nicht wagt, durch eine Gegenfrage
zu zeigen, wie wenig er verstanden hat? Geisler fordert seine Kollegen auf, ihre Patienten zum Fragen zu
bringen. Diese Aufforderung hat Kontrollfunktion, ob der Patient verstanden hat, worum es geht: „Der Arzt muss sicherstellen, dass sich keine Missverständnisse im Gespräch eingeschlichen haben. Und
dem Patienten muss Gelegenheit gegeben werden, seine Hemmschwellen zu überwinden.“
© MMA 2005, ärztemagazin 21/2005


Literaturhinweis: L. Geisler. „Arzt und Patient - Begegnung im
Gespräch“. pmi Verlag; Frankfurt/Main

http://www.linus-geisler.de/ap/ap00_inhalt.html



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