AERZTE Steiermark 10 | 2014 - page 9

Ærzte
Steiermark
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Was waren Ihre Motive?
Janezic: Zum einen fand ich
die Kombination aus Unfall-
chirurgie und Orthopädie
beim deutschen Facharzt, der
ja aus einer breiten Basisaus-
bildung besteht, sehr inte-
ressant. Zum anderen hätte
ich nach Beendigung meines
Studiums im Jahr 2008 einige
Monate auf einen Turnus-
arztplatz warten müssen. In
Deutschland gab es viele freie
Assistenzarztstellen, die man
sofort antreten konnte. Und so
wagte ich diesen Schritt, bevor
ich zu Hause sitze und warte.
Und die Bilanz?
Nach sechs Jahren Facharzt­
ausbildung in Deutschland
kann ich auf eine solide kli-
nische und patientenorien-
tierte Ausbildung zurück-
schauen. Meine Erwartungen
wurden erfüllt, aber vor allem
wurde mir rasch die Sorge
genommen, dass aufgrund des
Fehlens des Turnus ein Defizit
zurückbleibt. Das Curriculum
besteht in den ersten beiden
Jahren aus einer umfassenden
basischirurgischen Ausbil-
dung in der Unfall-, aber auch
Allgemein-, Visceral-, Gefäß-
undThoraxchirurgie. Im Zuge
der Stationsarbeit und des
klinischen Alltags werden aber
auch unvermeidlich die wich-
tigsten internistischenAspekte
ausreichend abgedeckt. Hinzu
kamen sechs Monate durch-
gehende Assistenzzeit auf ei-
ner interdisziplinären großen
Intensivstation. Weiters habe
ich in meinem dritten Jahr die
Ausbildung zum Notarzt abge-
schlossen und mache seitdem
regelmäßig Notarztdienste an
unserem Standort. Wenn ich
mich mit meinen „österrei-
chischen“ Kollegen mit ab-
geschlossener Turnusarztaus-
bildung vergleiche, kann ich
keinen wesentlichen Unter-
schied – für unsere Arbeit als
Unfallchirurgen – entdecken.
Die wichtigsten Unterschiede?
In Deutschland wurde der
Stellenwert der ärztlichen Wei-
terbildung von den Verant-
wortlichen vor Jahren erkannt.
Er ergab sich aus einem Man-
gel an Fachkräften in unat-
traktiveren Fächern, aber vor
allem resultierte er aus der
Unzufriedenheit der Auszu-
bildenden. Gut definierte Cur-
ricula, eine Weiterbildungs-
ordnung, an die Chefärzte
sich zu halten haben, und
grundlegender Respekt ge-
genüber dem Assistenzperso-
nal sind hieraus entstandene
Charakteristika. Die Tatsache,
von Beginn an approbierter
Arzt zu sein und zugleich sei-
ne fachspezifische Ausbildung
beginnen zu können, sehe
ich als wichtigsten Vorteil an.
Kein Anfänger wird ange-
leitet, Eingriffe durchzufüh-
ren oder Entscheidungen zu
treffen, zu denen er sich noch
nicht reif genug fühlt. Aber
die Möglichkeit der rascheren
Übertragung von Verantwor-
tung macht es vor allem dem
Ausbildner leichter, den Assis­
tenten zielgerecht einzusetzen
und individuell praktisch ar-
beiten zu lassen. Zu erwähnen
ist auch eine durch genaue
Arbeitszeitenregelungen ver-
besserte Lebensqualität. Die
Tarifverträge sprechen hier
eine klare Sprache, Über-
stunden, sofern sie anfallen,
werden exakt dokumentiert,
müssen entweder baldigst in
Freizeitausgleich abgegolten
werden oder ausbezahlt wer-
den. Zum Nachtdienst kommt
man zu Mittag, geht danach
in der Früh nach Hause und
hat einen Tag Erholungszeit.
Entscheidend ist auch, dass
das Grundgehalt adäquat hoch
ist, Jahr für Jahr dem Ausbil-
dungsgrad angepasst wird und
ein guter Verdienst nicht über
die Menge der Dienste erreicht
werden muss.
Was würden Sie jüngeren
Kolleginnen und Kollegen ra-
ten?
Ich würde ihr oder ihm vor
allem empfehlen, sich den
großen „Markt“ und seine
Möglichkeiten zu Nutze zu
machen. In Form von Vor-
stellungsgesprächen begleitet
von Hospitationen über min-
destens ein- bis zwei Tage gilt
es herauszufinden, ob einem
eine Klinik, ein Chefarzt und
sein Team sowie die Aus-
bildungsmöglichkeiten liegen.
Das gilt für das Krankenhaus
vor der Haustür in Österreich,
aber ebenso für eine Option in
Deutschland oder anderswo.
Die Zeit der demütigen Ver-
neigung, den weißen Mantel
tragen zu dürfen und sein
Schicksal als medizinische
Hilfskraft zu akzeptieren, ist
vorbei. Manche Kliniken ha-
ben das verstanden und küm-
mern sich um ihren ärztlichen
Nachwuchs und manche eben
noch nicht.
Ist es für Sie denkbar, wieder
in die Steiermark zurückzu-
kehren? Was müsste sich gege-
benenfalls dafür ändern?
Auf jeden Fall ist die Heim-
kehr nach Österreich – schon
alleine aus persönlichen Grün-
den – mein mittel- bis lang-
fristiges Ziel. Zur Zeit besteht
allerdings noch eine große
Schwierigkeit in Österreich
Ein Arzt in Deutschland
Gregor Janezic ging als junger Arzt nach Deutschland. Und ist froh darüber. Eine
Rückkehr nach Österreich ist für ihn denkbar. Wenn die Bedingungen passen.
an die 3.000 österreichische
Ärztinnen und Ärzte, mehr
als in den steirischen Kran-
kenhäusern. Die vertriebenen
Ärzte in der Steiermark und
in Österreich durch Arbeits-
kräfte aus dem Ausland zu
ersetzen, kann nicht ausrei-
chend gelingen, weil auch sie
attraktivere Länder locken
– die Schweiz, Dänemark
und vor allem Deutschland.
Die Zahlen der griechischen
(+11,4 Prozent), der rumä-
nischen (+18,7 %), der un-
garischen (+15,9 %) und der
kroatischen Ärztinnen und
Ärzte (+15,2 %) entwickeln
sich in Deutschland laut Sta-
tistik der Deutschen Bundes­
ärztekammer dramatisch. Ös-
terreich steht im Wettbewerb
mit einem übermächtigen
Wettbewerber. Nur die Bro-
samen bleiben. Gerade 250
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