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AERZTE Steiermark 09/2021

 

Was nützt. Und was schadet.

In zwei Studien fand die Wissenschaftliche Akademie für Vorsorgemedizin Faktoren, die die COVID-19-Impfbeteiligung unterstützen – oder ihr zuwiderlaufen.

In der Studie Prädiktoren des C-19-Impfverhaltens in der Steiermark hat der bewährte Statistiker der Wissenschaftlichen Akademie für Vorsorgemedizin (WAVM), Anton Angerer, analysiert, welche statistischen Zusammenhänge rund um die COVID-19-Durchimpfungsraten der steirischen Gemeinden bestehen – und welche eben nicht.

In der öffentlichen Debatte waren im Sommer immer wieder Hypothesen ventiliert worden, womit das C-19-Impfverhalten zusammenhängen könnte – von der Unterstützung der Bürgermeister*innen („Sind sie dagegen, gehen die Leute nicht impfen“) bis zur Gemeindegröße („Der soziale Druck in kleinen Gemeinden ist größer – das gilt auch fürs Impfen“). Angerer hat sie nun für die WAVM geprüft – und einige mehr, um Indikatoren für die Steuerung der Kommunikationsmaßnahmen im Herbst zu finden.


K/eine Rolle spielen ...

Die Analyse hat ergeben, dass die Gemeindegröße an sich keine Rolle spielt (auf den „sozialen Druck“ hofft man also vergeblich). Es ist eher so, dass bei Berücksichtigung der unterschiedlichen Altersverteilung größere Gemeinden (v. a. über 10.000 Einwohner*innen) eine etwas bessere Durchimpfungsrate haben. Die Altersstruktur der Gemeinde spielt aber eine Rolle: Je höher der Anteil der Über-59-Jährigen an der Bevölkerung ist, umso höher die Vollimmunisierung gegen COVID-19. Dieses Ergebnis war zu erwarten – ist aber in seiner Umkehrung dennoch nicht trivial, denn: „Junge“ Gemeinden – solche mit einem hohen Anteil an jüngeren/jungen Menschen – sollten von vornherein in den Fokus der Bemühungen gestellt werden – etwa was die Abhaltung der relativ beliebten Impf-Aktionstage anlangt.

Es lässt sich auch kein Zusammenhang zwischen C-19-Vollimmunisierung und der politischen Präferenz (gemessen am tatsächlichen Wahlverhalten) feststellen. Gemeinden, in denen verhältnismäßig viele Menschen bei der letzten Wahl für eine mittlerweile offen impfkritische Partei votiert haben, weisen keine niedrigere C-19-Durchimpfungsrate auf. Dasselbe gilt – auch das war eine öffentlich ventilierte Hypothese – für die Parteizugehörigkeit der Bürgermeisterin/des Bürgermeisters: Sie spielt für die C-19-Durchimpfung keine Rolle.

Der für die WAVM spannendste Aspekt lag in der Überprüfung, ob es allenfalls einen Zusammenhang zwischen den Durchimpfungsraten beim „normalen Gratisimpfprogramm“ und den C-19-Impfungen gibt. Hier wurde Angerer fündig: Interessanterweise korreliert die C-19-Durchimpfungsrate substanziell mit der HPV-Durchimpfungsrate. Einerseits ist dieses Ergebnis insofern relevant, als damit klar wird, dass nicht eine „allgemeine Impfwilligkeit bzw. -unwilligkeit“ ausschlaggebend ist. Denn bei MMR-, 6-fach- und den anderen Gratisimpfungen gibt es keine Korrelation mit C-19.  Aber eben eine – relativ starke – mit HPV. Die Interpretation dieses Ergebnisses ist nicht ganz einfach. Bei näherer Betrachtung zeigt sich aber, dass es sehr wohl Parallelen zwischen HPV- und C-19-Impfung gibt: Beide Impfungen wurden vom Sicherheits- bzw. Nebenwirkungsaspekt her intensiv diskutiert und auch medial hinterfragt. Bei der Einführung der HPV-Impfung ins Gratisimpfprogramm ist die Berichterstattung über vermeintlich durch sie ausgelöste Todesfälle noch gut in Erinnerung. Beiden Impfungen ist auch gemeinsam, dass sie erst bei einem höheren Altersspektrum – ab Beginn der Jugend – eingesetzt werden können. Damit triggert die Entscheidung, sich „erstmals“ diesen Impfstoffen „auszusetzen“ stärker den Bereich Autonomie/Freiheit/Wahlfreiheit.  

„Für die WAVM sind diese Ergebnisse sehr nützlich, um die Informationsmaßnahmen konstruktiv zu steuern. Es geht also nicht darum, Impfen allgemein zu propagieren, sondern COVID-19- und Gratis-Impfungen weiterhin differenziert zu halten“, umreißt WAVM-Obmann Michael Adomeit den Ansatz für die Kommunikationsstrategie gegenüber den Eltern. „Und wir müssen uns bei der COVID-19-Impfung von Jugendlichen auch gegenüber den Eltern auf die beiden Aspekte Sicherheit und Autonomie einlassen – auch wenn das Zeit kostet“, so Adomeit.


Wo die Eltern der Schuh drückt

Auch die zweite Studie – an sich eine Online-Befragung der steirischen Eltern von 0- bis 15-Jährigen zu Mutter-Kind-Pass und Gratisimpfungen – kam um die Erhebung der Erfahrungen während der Pandemie nicht herum.

Bemerkenswert war das Engagement, mit dem die Eltern sich beteiligten: 1.200 Eltern/-teile haben an der Umfrage teilgenommen und auf eine einzige frei zu beantwortende Frage kamen 43 Textseiten freie Antworten retour. Sehr viele Bereiche wurden dabei angesprochen. Ein gewichtiger Fokus lag aber im – nahezu schreienden – Wunsch nach transparenter, nachvollziehbarer, glaubwürdiger Information über C-19-Erkrankung und -Impfung. Sehr viele Eltern gaben dabei an, sich zu sehr in ihrer autonomen Wahl- und Entscheidungsfreiheit beschnitten zu fühlen. Auch wenn dieser Eindruck „nur subjektiv“ sein mag – noch gibt es keine Impfpflicht – er fließt mit hoher Wahrscheinlichkeit kontraproduktiv in das Verhalten ein, und zwar mitten in einer Pandemie, in der es um eine schnelle, hohe Durchimpfungsrate geht.

Es gilt also, in der Information und Kommunikation darauf Rücksicht zu nehmen und das Bedürfnis dahinter aufzugreifen – sehr viele Eltern wünschen nicht manipuliert, sondern nüchtern informiert zu werden.

Bei der Erhebung der pandemiebedingten Belastungsfaktoren wurden große Unterschiede zwischen Eltern und Kindern deutlich: Bei den drei Items Kontakteinschränkungen im Freundeskreis, jenen im Rahmen von Familie/Verwandtschaft sowie den Zugangsbeschränkungen im Kulturbereich gaben die Eltern an, dass sie ihre Kinder stärker davon betroffen halten als sich selbst. Auf einer Skala von 0 bis 10 liegt die mittlere Belastung für das Kind (falls mehrere Kinder: das älteste) mit 8,24 bedrückend hoch und signalisiert einen extremen Belastungsdruck.

Bei praktisch allen anderen Belastungen fühlen sich die Eltern selbst stärker belastet als ihre Kinder. Die stärksten Unterschiede zulasten des Elternteils im Vergleich zum Kind zeigen sich bei den Themenkreisen Betreuungsprobleme, Homeoffice, Homeschooling, Angst vor C-19-Infektion und der Belastung durch Mangel an Privatsphäre während der Lockdowns.


Last für Eltern

Bemerkenswert ist, dass die elterliche Belastung durch Homeschooling mit 7,93 deutlich höher ist als jene, die die Eltern den Kindern zuschrieben. Nur bei den Items Schlechtere Bildungsbedingungen und Zugangsbeschränkungen zu Begegnungsstätten zeigen sich keine Unterschiede zwischen der Einschätzung der Belastung.


Wichtigkeit der MMR-Impfung endlich hoch

Konstante Arbeit und (leider) die Erfahrung eines Ausbruchs zahlen sich doch aus: Erstmals schneidet die Einschätzung der Wichtigkeit der MMR-Impfung durch die Eltern gleich hoch ab wie die der 6-fach-Impfung.

Bei der Erhebung 2011 lag die – unbeliebte – MMR-Impfung bei der Einschätzung der Wichtigkeit durch die Eltern noch weit abgeschlagen.

 

Foto: Schiffer

Chart: WAVM




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